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Mit den Abwehrkräften dagegen

Patient:innen mit Brustkrebs, in deren Karzinomen sich viele tumorinfiltrierende Lymphozyten finden, haben einen deutlich besseren Verlauf. Daran erinnerte Prof. Marcus Schmidt, Konservative und Molekulare Gynäkologische Onkologie, Universitätsfrauenklinik Mainz.1 Eine Reihe von Arbeiten belege die positiven prognostischen und prädiktiven Effekte der tumorinfiltrierenden Lymphozyten (TiL) bei vielen Krebsarten auf, insbesondere beim TNBC.2
Seit Jahren sei auch bekannt, dass nicht nur das zelluläre, sondern auch das humorale Immunsystem bei der Bekämpfung von Tumorerkrankungen eine Rolle spielt und bei Brustkrebs ebenfalls prognostische Bedeutung hat. Unter anderem habe sich beim TNBC Immunoglobulin Kappa C (IGKC) als prognostisch erwiesen, berichtete Prof. Schmidt.
Wie lässt sich also der positive Einfluss des Immunsystems therapeutisch nutzen? Diese Frage stellen sich Mediziner schon recht lange. Anfang des 19. Jahrhunderts erzielte der US-amerikanische Onkologe und Knochenchirurg Dr. William Coley durch die Injektion von Bakterienbestandteilen (Coley’s Toxin) und durch die folgende Auslösung einer Entzündungsreaktion die Remission einzelner Tumoren. Inzwischen wurden im Zusammenspiel zwischen Krebserkrankung und Immunsystem eine Reihe von Angriffspunkten identifiziert, die therapeutisch adressiert werden können.3
TNBC besitzt höchsten Grad an lymphozytären Infiltraten
Ein zentraler Punkt ist hier natürlich die Interaktion zwischen dem als Immuncheckpoint agierenden Programmierter-Zelltod-1-(PD-1)-Protein und seinem Liganden PD-L1. Als besonders effektiv erweist sich beim Mammakarzinom das Lösen dieser Bremse des Immunsystems beim TNBC, dem molekularen Subtyp, den man bisher am wenigsten zielgerichtet attackieren konnte, der aber den höchsten Grad an lymphozytären Infiltraten aufweist.
Beim metastasierten TNBC mit nachgewiesener PD-L1-Expression zugelassen sind der PD-L1-Inhibitor Atezolizumab auf Basis der IMpassion130-Studie4 und der PD-1-Inhibitor Pembrolizumab auf Basis der der KEYNOTE-355-Studie,5 jeweils in Kombination mit Chemotherapie. „Für diese Subgruppe mit seiner extrem schlechten Prognose bedeuten diese Therapieoptionen einen sehr großen Fortschritt“, konstatierte Prof. Schmidt.
Bald ein Piks gegen Tumoren
Noch Zukunftsmusik ist die Impfung gegen Brustkrebs, also die Stimulation des Immunsystems, um gegen die Krebserkrankung vorzugehen. Hierfür gibt es mittlerweile verschiedene Verfahren, dem Immunsystem die Antigene zu präsentieren. Die Zahl an wissenschaftlichen Publikationen zur Thematik steige extrem, berichtete Prof. Schmidt: „Es wird viel geforscht, aber in der klinischen Realität ist bislang noch nichts angekommen.“
Im Unterschied zur präventiven HPV-Impfung beim Zervixkarzinom handelt es sich bei den Forschungsansätzen beim Mammakarzinom um therapeutische Immunisierungen. Hierfür gibt es verschiedene Ansätze. So wird unter anderem am Universitätsklinikum Erlangen an zellulären Vakzinen geforscht, nämlich an neoepitop-spezifischen T-Zellen, die mutierte Tumorzellen erkennen können. Ein anderer Ansatz ist die Vakzinierung gegen bekannte Tumorantigene wie HER2. HER2 könnte dann nicht nur wie heute schon mit Antikörpern, also einer passiven Immunreaktion, sondern auch mit einer aktiven Immunreaktion adressiert werden. Die größte Evidenz gebe es derzeit hierzu zu proteinbasierten Vakzinen gegen HER2, sagte Prof. Schmidt. Die einzige Phase-3-Studie hierzu war allerdings negativ.1
Eine andere Möglichkeit der Impfung besteht darin, mittels Next Generation Sequencing neue Zielstrukturen zu erschließen und nukleinsäurenbasierte Vakzine zu entwickeln, erklärte Prof. Schmidt. Beim Neoantigen-Repertoire von verschiedenen Tumorerkrankungen liege das Mammakarzinom etwa in der Mitte. Eine höhere Mutationslast weist vor allem das TNBC auf. Hier ist im Allgemeinen von einer höheren Zahl an Neoepitopen und daher einer höheren Immunogenität auszugehen, wobei bei Weitem nicht jede nicht-synonyme Mutation zu einem Neoantigen führt und nicht jedes Neoepitop auch transkribiert wird.2 Verschiedene Arbeitsgruppen, unter anderem am Universitätsklinikum Mainz, verfolgen seit einigen Jahren diesen Ansatz einer aktiven Immuntherapie mittels personalisierter mRNA-Vakzinierung. Dass RNA-basierte poly-neoepitope, also gegen mehrere Antigene gerichtete Vakzine, gegen Mutationen in der klinischen Realität funktionieren können, wurde bereits bei Patient:innen mit malignem Melanom belegt.3
Auch das Projekt Mutanome Engineered RNA Immuno-Therapy (MERIT) beschäftigt sich unter anderem mit einer personalisierten Vakzinierung gegen Neoepitope und zwar beim frühen TNBC. Dafür werden bei den Betroffenen die immunogenen Mutationen bestimmt und eine individualisierte, poly-neoepitope Vakzinierung entwickelt. Phase-1-Daten zeigten eine starke und auch dauerhafte Neoantigen-spezifische CD8+ T-Zell-Antwort,4 eine randomisierte Phase-2-Studie sei geplant, berichtete Prof. Schmidt.
Quellen:
1. Mittendorf EA et al. Clin Cancer Res 2019; 25: 4248-4254
2. Narang et al. BMC Cancer 2019; 19: 200
3. Sahin U et al. Nature 2017; 547: 222-226
4. Schmidt M et al. Ann Oncol 2020; 31: S276
Fasching P. 64. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V.; „Aktuelle Kontroversen bei der Therapie des Mammakarzinoms“
Damit seien bei Menschen mit metastasiertem TNBC zwei Analysen zentral: Die Testung auf eine Keimbahnmutation der Gene BRCA1 und 2 und die Testung auf eine PD-L1-Überexpression. Beim frühen TNBC geht es um nicht weniger, als mit (neo)adjuvanten Therapien eine potenzielle Heilung zu erzielen. Hier kann Pembrolizumab in Kombination mit Chemotherapie zunächst präoperativ, dann adjuvant als Monotherapie eingesetzt werden, und zwar bei allen Betroffenen, unabhängig von ihrem PD-L1-Status. Basis sind die Daten der KEYNOTE-522-Studie.6
„Vieles ist aktuell noch unverstanden“
Prof. Peter A. Fasching, Brustkrebszentrum und Gynäkologische Krebszentrum der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bezeichnete die Therapie mit CPI beim Mammakarzinom jedoch nur als einen „kleinen Zipfel des Handtuchs Immuntherapie“.7 Seiner Meinung nach sei bei den verschiedenen Chemoimmuntherapien außerdem noch viel unverstanden, so die unterschiedlichen Studienergebnisse mit Atezolizumab beim metastasierten TNBC in Kombination mit nab-Paclitaxel bzw. Paclitaxel in der IMpassion130- bzw. IMpassion131-Studie. Eine weitere offene Frage sei, warum in der metastasierten Situation die PD-L1-Expression für die Wirksamkeit der Chemoimmuntherapien mit Atezolizumab und Pembrolizumab eine Rolle zu spielen scheint, in der (Neo)-Adjuvanz für die Therapie mit Pembrolizumab aber offensichtlich nicht.
Nicht vernachlässigen dürfe man außerdem die potenziellen Nebenwirkungen der Checkpoint-Inhibition, betonte Prof. Fasching, insbesondere bei der Behandlung des frühen TNBC. So verlören etwa 10–15 % der immuntherapeutisch behandelten Frauen dauerhaft ihre Schilddrüsenfunktion. Auch andere Nebenwirkungen scheinen laut dem Experten aus heutiger Sicht permanent aufzutreten.
Quellen:
1. Schmidt M. 64. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V.; „Spitzenreferat Gynäkologische Onkologie“
2. Schmidt M, Heimes AC. Cancers 2021; 13: 4883
3. Chen DS, Mellman I. Immunity 2013; 39: 1-10
4. Schmid P et al. N Engl J Med 2018; 379: 2108-2121
5. Cortes J et al. Lancet 2020; 396: 1817-1828
6. Schmid P et al. N Engl J Med 2022; 386: 556-567
7. Fasching P. 64. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V.; „Aktuelle Kontroversen bei der Therapie des Mammakarzinoms“
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