Implantierter Defi stört das Sexualleben

Dr. Carola Gessner, Foto: thinkstock

Das Leben des 56-Jährigen war gerettet, aber sein Liebesleben ruiniert. Nach der Reanimation war ihm ein Defibrillator implantiert worden. Da begann es in der Ehe zu kriseln.

Sex und das Tragen eines implantierten Defibrillators (ICD) scheinen sich gegenseitig auszuschließen. Defi-Patienten befürchten körperliche Überlastung, leiden unter Medikamenten-Nebenwirkungen, kämpfen mit Ängsten und Depressionen. So kommt es, dass in vielen Fällen das Liebesleben erlischt, erklärte Dr. Selina Kikkenborg Berg vom Rigshospitalet Kopenhagen.


Eine aktuelle Studie zeigte, dass nach ICD-Implantation jeder zweite Patient sexuellen Beziehungen aus dem Weg geht.1 Als Gründe werden unter anderem genannt:

  • mangelnde Libido
  • Angst vor Schocks während des Geschlechtsverkehrs
  • Probleme mit der Erektion
  • Angst, dass der ICD im Falle eines Herzstillstands versagt n lustabtötendes, überbeschützendes Verhalten des Partners

Wer zwei Treppen schafft, darf beruhigt sein

Die Wahrscheinlichkeit, dass Sex eine bedrohliche Arrhythmieattacke induziert, ist indessen gering. In einer Studie ließ sich in 50 % der Fälle physischer/psychischer Stress als Trigger für ventrikuläre Arrhythmien eruieren, aber nur in 2 % fanden sich Zusammenhänge mit sexueller Aktivität: Die Anstrengung beim Sex entspricht nur 3–5 METS*, also etwa dem Hinaufsteigen zweier Treppen (je 15 bis 20 Stufen), „und das schaffen die meisten Defi-Träger problemlos“, so die Kollegin.


Laut Leitlinie der American Heart Association2 wird sexuelle Aktivität nach ICD-Implantation (primär- oder sekundärpräventiv) als unbedenklich eingestuft, wenn körperliche Belastung mit 3–5 METS keine Kammerarrhythmien auslöst und der ICD-Träger nicht häufig adäquat ausgelöste Schocks erlebt. Patienten, bei denen der Defi schon mehrere Male tätig wurde, sollen enthaltsam bleiben, bis man die Ursache der Arrhythmie gefunden und unter Kontrolle gebracht hat.

Thema Sex v.a. bei Männern komplett ausgeklammert

Das Gespräch über die Liebe findet aber leider oft nicht statt. Nur 3 % der Männer und 18 % der Frauen haben einer Studie zufolge Ratschläge zum Sexualverhalten nach ICD-Implantation erhalten. Ärzte zögern aus diversen Gründen – von Peinlichkeit bis hin zum Gefühl der persönlichen Inkompetenz – bei ICD-Trägern, Sexualität zu thematisieren.


Mit dem Projekt CopenHeart** wollen dänische Kollegen das Problem nun gezielt in Angriff nehmen. Was offene, kompetente Informa­tion bewirken kann, verdeutlichte Dr. Kikkenborg Berg mit eingangs angerissener Kasuistik des Fußballtrainiers. Nachdem der Mann den Herzstillstand überlebt hatte, deckte die kardiologische Diagnostik eine arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie auf.


Sekundärpräventiv wurde der Defi implantiert und zusätzlich ein Betablocker verschrieben. Vor dem lebensverändernden Ereignis, berichtete der 56-Jährige, habe er ein gutes Liebesleben gehabt, eine normale Morgenerektion und starkes Interesse an Sex – vier- bis sechsmal pro Monat habe er mit seiner Frau geschlafen.


Und nun ging plötzlich gar nichts mehr. Nach der ICD-Implantation war monatelang komplett Pause. Das Interesse ließ nach, die Morgenerektion verschwand und zaghafte Versuche eines Beischlafs scheiterten.

Depression wegen Defi

Das lässt sich vermeiden! Der Mann ging nicht mehr zum Fußball, mied jede pulssteigernde Aktivität, litt unter schlechter Stimmung und Schlafstörungen. Täglich kam es jetzt zu Streit mit der Ehefrau. Diese ermutigte ihren Mann zum passiven Lebensstil und äußerte im Gespräch mit den Ärzten große Sorge, ob es nicht zu gefährlich sei, den Sex wieder aufzunehmen.


Im Rahmen der therapeutischen Gespräche wurden berechtigte Ängs­te thematisiert, Informationen über ICD sowie über die geringen realen Gefahren beim Sex vermittelt. Nach einem gut ausgefallenen Belastungstest startete man ein Trainingsprogramm mit langsamem Pulsanstieg sowie eine Sexualberatung einschließlich Beckenbodenübungen und Achtsamkeitststraining. Auch über den Betablocker als eventuellen Störenfried wurde diskutiert. Man kam aber zu dem Schluss, dass psychische Faktoren im Vordergrund standen.


Schon bei der dritten Konsulta­tion zeigte sich die Beziehung deutlich „gebessert“. Das Paar redete miteinander über Sorgen und Ängste, kam mit negativen Erfahrungen besser zurecht – und die Morgenerek­tion hatte sich wieder eingestellt. Und bei der vierten Konsultation berichtete der Mann, er traue sich beim Sport – unter Supervision – wieder etwas zu. „Und meine Frau und ich haben zum ersten Mal wieder Geschlechtsverkehr gehabt.“


*Metabolic Equivalent of Task **Copenheart.org 1. K.E. Cutitta et al., JCPR 2014; 34: 241-247 2. G.N. Levine et al., Circulation 2012; 125: 1058-1072

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).