Individualisierung der Therapie durch Deeskalation oder Eskalation

DGS 2024 Birgit-Kristin Pohlmann

Neue Strategien der Therapieanpassung beim HER2- Mammakarzinom sind in Diskussion. Neue Strategien der Therapieanpassung beim HER2- Mammakarzinom sind in Diskussion. © Choo – stock.adobe.com

Angesichts einer Vielzahl neuer Optionen für das luminale HER2- frühe Mammakarzinom diskutieren Ärzt:innen Strategien der Deeskalation, aber auch der Eskalation. Ziel ist es, die Therapie immer individueller an die Tumorbiologie anzupassen. Zunehmend stellt sich die Frage, welche Patient:innen noch eine Chemotherapie benötigen.

Die AGO Mamma unterscheidet in ihren aktuellen Empfehlungen für den HR+/HER2- frühen Brustkrebs zwischen drei Patient:innenkollektiven, erläuterte Dr. Johannes Holtschmidt, German Breast Group, Neu-Isenburg:

  • Von einem niedrigen Rezidivrisiko, das den Verzicht auf eine Chemotherapie rechtfertige, sei auszugehen bei kleinem Primärtumor (≤ cT1c) mit maximal drei befallenen Lymphknoten in der Axilla (cN0-1), niedrigem Grading (G1/2) und niedrigem Ki-67-Wert (≤ 5 %).
  • Eine eindeutige Empfehlung für eine Chemotherapie bestehe für Personen mit einem initial nicht operablen Mammakarzinom bzw. für jene mit mindestens vier befallenen Lymphknoten oder jenen mit einem schlecht differenzierten G3-Tumor plus einem Ki-67-Wert ≥ 35 %. 
  • Lässt sich das Rezidivrisiko anhand der klinischen Faktoren nicht eindeutig definieren, kann der Genexpressionstest die Entscheidung unterstützen. Im Falle eines niedrigen genomischen Risikos sollte auf eine Chemotherapie verzichtet werden; ist das genomische Risiko hoch, bestehe eine Chemotherapie-Indikation. Die betroffene Person müsse entsprechend aufgeklärt werden.

Bei unklarem oder fehlendem Gen-expressionstest lasse sich durch eine zwei- bis vierwöchige präoperative endokrine Therapie (ET) anhand des Ki-67-Abfalls das endokrine Ansprechen des Tumors vorhersagen. Sinkt der Ki-67-Wert ≤ 10 % (sog. dynamisches Ki-67), sei von einer endokrinen Sensitivität auszugehen und es könne auf eine Chemotherapie verzichtet werden, betonte Dr. Holtschmidt. 

CPI-Einsatz bei HR+/HER2- Brustkrebs

Eine mögliche Strategie, die Therapie zukünftig ggfs. in der Gruppe der Patient:innen mit HR+/HER2- frühem Brustkrebs und einem G3-Karzinom bzw. erhöhter Tumorlast (≥ cT3 oder ≥ 4 LK) zu eskalieren, sieht Dr. Holtschmidt darin, zusätzlich zur Chemotherapie einen CPI einzusetzen. Er verwies auf die Studien KEYNOTE-756 mit Pembrolizumab sowie CheckMate-7FL mit Nivolumab. 

In den beiden Phase-3-Studien hatten die Autor:innen den CPI im experimentellen Arm neoadjuvant zusätzlich zur Chemotherapie und postoperativ in Kombination mit einer ET eingesetzt. Im CPI-Arm fiel die Rate pathologischer Komplettremissionen (pCR) bei Personen mit G3 plus ≥ cT3 oder cN+ deutlich höher aus, so Dr. Holtschmidt. Besonders deutlich war das Delta zugunsten der zusätzlichen CPI-Gabe jeweils in der Gruppe der Erkrankten mit hoher PD-L1-Expression oder niedriger Östrogenrezeptor-Expression. 

Die Überlebensdaten müssten noch abgewartet werden, warnte der Referent, da die pCR-Rate beim HR+ Mammakarzinom einen „ungewissen“ Surrogatmarker für die Prognose darstellt. Zudem sei die Vorhersagekraft aufgrund der vergleichsweise langen Überlebenszeiten von Patient:innen mit HR+ frühem Brustkrebs schwieriger. Sollten sich die Vorteile durch den Einsatz eines CPI bestätigen, werde der Stellenwert neoadjuvanter Konzepte für die Therapie steigen. 

Quelle:
Holtschmidt J. 43. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie; Vortrag: „Aktuelle Therapie des luminalen HER2- frühen EBC“

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