Das fortgeschrittene Mammakarzinom auf dem Prüfstand

Birgit-Kristin Pohlmann

Insgesamt trafen sich 44 internationale Experten in Lissabon, um über die Brustkrebstherapie zu diskutieren. Insgesamt trafen sich 44 internationale Experten in Lissabon, um über die Brustkrebstherapie zu diskutieren. © iStock/lovelyday12, wildpixel

Alle zwei Jahre findet die internationale Konsensuskonferenz zu Diagnostik und Behandlung des lokal fortgeschrittenen und metastasierten Mammakarzinoms statt. Im Mittelpunkt standen in diesem Jahr neue Therapieoptionen mit Fokus auf der Präzisionsmedizin.

Der ABC5-Konsensus basiert auf den Abstimmungsergebnissen eines international und interdisziplinär zusammengesetzten Panels aus 44 Experten. Darunter sind aus Deutschland Professor Dr. Nadia Harbeck, Klinikum der Universität München, und Professor Dr. Christoph Thomssen, Universitätsklinikum Halle/Saale, vertreten. Mit Renate Haidinger, München, saß auch eine Patientenvertreterin aus Deutschland im Panel.

Das Expertenteam bestätigte, dass die Tumorbiologie eine immer größere Rolle bei der Therapieentscheidung spielt. Zusätzlich zur Bestimmung des HR- und HER2-Status empfiehlt es die PIK3CA-Mutationstestung am Tumorgewebe, eine Keimbahngenotypisierung der Gene BRCA1 und BRCA2 (gBRCA) sowie beim triplenegativen Mammakarzinom (TNBC) die Testung der Expression von PD-L1 im Tumor oder in der Metastase. Eine ESR1-Mutationstestung lehnten die Experten dagegen ab.

Die endokrinbasierte Kombinationstherapie mit einem CDK4/6-Inhibitor wurde als Therapiestandard beim HR+/HER2- fortgeschrittenen Mammakarzinom bestätigt. Das Panel verwies auf den prospektiv gezeigten Überlebensvorteil gegenüber der endokrinen Monotherapie und die insgesamt gute Verträglichkeit der CDK4/6-basierten Kombination. Kombinationspartner der CDK4/6-Inhibitoren sind Aromatasehemmer oder Fulvestrant. Beide Kombinationsregime können sowohl bei de novo metastasierten als auch bei rezidivierten Patientinnen eingesetzt werden.

CDK4/6-Inhibitoren möglichst früh einsetzen

Dies gelte unabhängig davon, ob eine primäre oder eine sekundär erworbene endokrine Resistenz vorliegt sowie unabhängig vom Menopausenstatus. Prämenopausale Betroffene benötigen zusätzlich ein GnRH-Analogon. Das trifft auch für Männer mit fortgeschrittenem Mammakarzinom zu, da bei ihnen die CDK4/6-Inhibition ebenfalls wirksam ist, so die Experten.

Das ABC5-Panel votierte einstimmig dafür, die CDK4/6-Inhibitoren vorzugsweise im Rahmen der Erstlinienbehandlung einzusetzen. Intensiv diskutiert wurde, ob eine endokrinbasierte Kombination mit einem CDK4/6-Inhibitor nach abgeschlossener Chemotherapie als Erhaltung eingesetzt werden kann. In Ermangelung entsprechender Daten wurde dies aber abgelehnt. Gegebenenfalls sei eine endokrine Monotherapie indiziert.

Das Expertengremium bestätigte die Immunchemotherapie mit Atezolizumab/nab-Paclitaxel als neue Erstlinienoption für Patientinnen mit metastasiertem TNBC und nachgewiesener PD-L1-Expression auf den Immunzellen (≥ 1 %). Bei Patientinnen mit fortgeschrittenem TNBC sollte daher eine PD-L1-Testung erfolgen, so Atezolizumab/nab-Paclitaxel als Therapieoption verfügbar ist. Als Testverfahren empfehlen sie den Companion-Diagnostik-Test Ventana mit dem SP142-Antikörper, der in der Zulassungsstudie eingesetzt wurde.

Keine Option sehen die ABC5-Mitglieder darin, beim fortgeschrittenen TNBC die Immuntherapie alleine in einer späteren Therapielinie einzusetzen, da die Ansprechraten zu niedrig sind. Zudem sei die Immuntherapie für Patientinnen mit einem anderen Subtypen des Mammakarzinoms als dem TNBC nur im Rahmen klinischer Studien eine Option.

Das Panel empfiehlt für das fortgeschrittene Mammakarzinom bereits frühzeitig im Krankheitsverlauf eine gBRCA-Testung, da das Testergebnis therapeutische Relevanz hat. Eine primäre Paneltes­tung ist laut ABC5-Abstimmung bei Patientinnen mit familiärer Belastung (Mamma- und/oder Ovarialkarzinom) sowie unabhängig von der Familienanamnese bei TNBC-Patientinnen ≤ 60 Jahre* indiziert. Letztere Empfehlung entspricht allerdings nicht der AGO-Vorgabe, da auch bei älteren Frauen eine therapeutische Relevanz besteht.

Bei Nachweis einer gBRCA-Mutation sind PARP-Inhibitoren bei HER2- fortgeschrittenem Brustkrebs eine wichtige Option – speziell dann, wenn die Patientinnen (neo)adjuvant oder im metastasierten Setting mit einem Anthrazyklin und/oder Taxan und ggf. endokrin vorbehandelt sind. Im Zweifelsfall empfehlen die ABC5-Experten, die Monotherapie mit einem PARP-Hemmer einer Chemo vorzuziehen; laut Datenlage erreichen die PARP-Inhibitoren gegenüber der Chemotherapie ein längeres medianes PFS bei gleichzeitig günstigerem Nebenwirkungsprofil.

Sexuelle Gesundheit gewinnt an Stellenwert

Erstmals haben die ABC5-Experten zum Thema sexuelle Gesundheit von Mammakarzinompatientinnen Stellung genommen. Diese verschlechtere sich bei vielen Frauen unter der Erkrankung. Durch offene Gespräche und Anregungen lasse sich die Situation oftmals verbessern, was die Lebensqualität positiv beeinflusse. Das ABC5-Team empfiehlt den Einsatz standardisierter Messinstrumente (validierte Fragebögen), um das Ausmaß der Beeinträchtigung besser einschätzen zu können. Ein häufiges Problem sei beispielsweise die Dyspareunie, die meist auf eine trockene Vagina zurückgehe. Die Empfehlung lautet deshalb, ein hormonfreies Gleitmittel oder den vaginalen Einsatz niedrig dosierter östrogenhaltiger Präparate zu verordnen.

HR+ Tumoren in zweiter Linie mit PARP-Hemmer behandeln

Beim HR+ und gBRCA-assoziierten fortgeschrittenen Mammakarzinom wird angeraten, mit einer endokrinbasierten Kombinationstherapie mit einem CDK4/6-Inhibitor zu starten und erst in der zweiten Therapielinie einen PARP-Inhibitor einzusetzen. Die Spezialisten verweisen auf den dokumentierten Überlebensvorteil unter der endokrinbasierten Kombination. Die Frage der Therapiesequenz müsse aber weiter evaluiert werden. Der Nachweis von zellfreier Tumor-DNA (ctDNA) im Blut ist laut ABC5-Panel derzeit noch nicht reif für den klinischen Einsatz, um eine Tumorprogression frühzeitig und zuverlässig zu erkennen. Gleichwohl sehen die Gremiummitglieder in der ctDNA-Analyse eine Option, um eine PIK3CA-Mutation zu detektieren. Relevant wäre dies etwa für den Einsatz von Alpelisib, das allerdings derzeit in Deutschland (noch) nicht zugelassen ist. Die PIK3CA-Mutationstestung könne aber auch am Tumorgewebe (Primärtumor oder Metastase) erfolgen. Darüber hinaus wurde bestätigt, dass die Hormonersatztherapie für Patientinnen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom keine Option zur Behandlung postmenopausaler Beschwerden ist. Valide Alternativen sehen die Experten in folgenden Maßnahmen:
  • Postmenopausale Beschwerden im Allgemeinen: Mind-Body-Interventionen, körperliche Bewegung und kognitive Verhaltenstherapie
  • Hitzewallungen: Einsatz von Venlafaxin, Oxybutynin, Gabapentin oder Clonidin
  • Schlafstörungen: Einsatz von Melatonin
Eine überzeugende Evidenz für den Einsatz von Phytopharmaka bestehe bei postmenopausalen Beschwerden nicht. Zudem müssten mögliche Medikamenten-Interaktionen bedacht werden. 

* Erstattung in Deutschland nur für Patienten unter 50 Jahre

Quelle: 5. Internationale Konsensuskonferenz (ABC5) 2020

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Insgesamt trafen sich 44 internationale Experten in Lissabon, um über die Brustkrebstherapie zu diskutieren. Insgesamt trafen sich 44 internationale Experten in Lissabon, um über die Brustkrebstherapie zu diskutieren. © iStock/lovelyday12, wildpixel