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Ein Hoch auf die Testung

Jede:r Patient:in, der oder die die Voraussetzungen für eine gezielte Therapie erfüllt, müsse entsprechend getestet werden, erläuterte Prof. Dr. Michael Untch, Klinikum Berlin-Buch, am Beispiel der Keimbahn-BRCA1/2(gBRCA1/2)-Testung.1 Die AGO Mamma empfiehlt diese mit einem Doppelplus (1b A ++) unabhängig von der familiären Risiko-konstellation. Besteht die Indikationsstellung für einen PARP-Inhibitor – adjuvant, postneoadjuvant oder im metastasierten Setting –, kann die gBRCA1/2-Testung ohne budgetäre Nachteile über die EBM-Ziffer veranlasst werden, so Prof. Untch. Das gelte auch für weitere Risikogene, sobald eine therapeutische Relevanz vorliegt, ergänzte Prof. Dr. Oleg Gluz, Ev. Krankenhaus Bethesda, Mönchengladbach. Sind die Kriterien für eine genetische Testung erfüllt, sei es ein „MUSS“, diese zu veranlassen (2b B ++).
Diskutiert wurden die aktuellen, deutlich erweiterten US-amerikanischen Empfehlungen der ASCO und der Gesellschaft für operative Onkologie zur Keimbahntestung beim Mammakarzinom. Prof. Gluz wies darauf hin, dass sich mit den US-Empfehlungen die Anzahl der Varianten unklarer Signifikanz erhöhe. Da sich mit den Kriterien des Deutschen Konsortiums familiärer Brust- und Eierstockkrebs ein Großteil der Patient:innen mit gBRCA1/2-Mutation erfassen lasse, sei entscheidender, dass die Betroffenen, die aktuell anhand der Kriterien des Konsortiums getestet werden können, auch eine Testung erhalten.
Prädiktive Pathologie zum endokrinen Ansprechen
Zum Thema prädiktive Pathologie der endokrinen Responsivität hat die AGO Mamma ein neues Dia implementiert, erläuterte Prof. Dr. Marc Thill, Agaplesion Markus Krankenhaus, Frankfurt/Main.2 Für die immunhistochemische Detektion des Östrogen- und Progesteron-Rezeptors (ER/PR) wurde eine Doppelplus-Empfehlung (1a A ++) für die Angabe des Prozentsatzes positiver Krebszellkerne vergeben, um Tumoren mit niedriger ER-Expression (ER ≥ 1 % bis 10 %) zu definieren, die per Definition als ER+ gelten, deren endokrine Sensibilität jedoch fraglich ist.
Liegt eine aktivierende ESR1-Mutation vor, ist laut AGO Mamma von einer erworbenen sekundären endokrinen Resistenz unter Aromatasehemmer(AI)-Therapie auszugehen (1b A +). Den Abfall des Proliferationsmarkers Ki67 nach kurzer präoperativer endokriner Induktion über 2–4 Wochen wurde als Marker für eine endokrine Sensitivität und gegen den Einsatz einer adjuvanten Chemotherapie beim frühen HR+/HER2- Mammakarzinom bewertet (1b A +).
Neuer Strategie-Algorithmus
Zum Stellenwert von Ki67 im Rahmen der endokrinen Induktionstherapie beim frühen HR+/HER2- Mammakarzinom hat die AGO Mamma einen Strategie-Algorithmus zum diagnostischen Vorgehen erstellt. Ist aufgrund der klassischen klinischen Faktoren unklar, ob eine Chemotherapie-Indikation besteht oder nicht, wird im therapienaiven Gewebe eine Genexpressionanalyse durchgeführt. Ist die Risikosituation weiterhin unklar, schließt sich eine 2–4-wöchige endokrine Indukti-onstherapie an, um den Ki67-Verlauf unter endokriner Behandlung zu verfolgen. Fällt der Ki67-Wert auf ≤ 10 %, ist von einer endokrinen Sensitivität auszugehen und es kann auf eine Chemotherapie verzichtet werden. Steigt der Ki67-Wert unter der endokrinen Induktionstherapie bzw. fällt er nicht unter 10 %, besteht eine Chemotherapie-Indikation.
Marker für die Therapie-Indikation
Die Expert:innen hoben beim HR+/HER2- metastasierten Mammakarzinom den Nachweis einer aktivierenden ESR1-Mutation als Marker für die Indikation von Elacestrant auf ein Doppelplus (1b B ++) an. Die gleiche Bewertung gab es im Rahmen der Mutationsdiagnostik für die ESR1-Testung.
Der Nachweis von PIK3CA/AKT1/PTEN-Alterationen im Primärtumor, in der Metastase oder im Plasma wurde als Marker für den Einsatz von Capivasertib mit Blick auf die CAPItello-291-Studie neu aufgenommen. Da Capivasertib (+ Fulvestrant) noch nicht zugelassen ist, gab es nur ein Plus (1b A +), so Prof. Thill.
Auch der Einsatz von PARP-Inhibitoren im Falle eines Nachweises einer somatischen BRCA1/2- sowie einer Keimbahn-PALB2-Mutation erhielt für die metastasierte Erkrankung eine Plus-Bewertung (2b B +). Auch hier schließt die Empfehlung die Mutationsdiagnostik ein.
RCB-Score postneoadjuvant nutzen
Mittels Risikostratifizierung kann die postneoadjuvante Therapie individuell angepasst werden, erläuterte Prof. Thill. Die AGO Mamma vergab eine Plus-Bewertung (2a B +) für den RCB(residual cancer burden)-Score, der die prognostische Bedeutung eines Tumorrests nach neoadjuvanter Chemotherapie bewertet. Je höher der Score, desto ungünstiger die Prognose. Bei niedrigem RCB-Score könne die postneoadjuvante Behandlung möglicherweise deeskaliert werden, so Prof. Thill.
Quelle:
1. Gluz O und Untch M. AGO Mamma State of the Art Meeting 2024; Vortrag „Brustkrebsrisiko, Genetik und Prävention“
2. Thill M. AGO Mamma State of the Art Meeting 2024; Vortrag „Prognostische und prädiktive Faktoren“
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