Beim Mammakarzinom geht die Tendenz weiterhin zur Übertherapie

Maria Weiß

Ein Brustkrebsscreening ist in Ländern mit hohem Einkommen weit verbreitet. Ein Brustkrebsscreening ist in Ländern mit hohem Einkommen weit verbreitet. © iStock/Christoph Burgstedt

Bei wem, wann und wie intensiv? Das sind die Fragen, die zum Thema Brustkrebsscreening anhaltend diskutiert werden. In vielen Ländern mit hohem Einkommen hat eine ausgedehnte Vorsorge wohl zu einer Überdiagnose von nicht-invasiven Läsionen geführt. Trotzdem gilt nach wie vor: lieber zu viel als zu wenig behandeln.

Weltweit sind Mammakarzinome die häufigste Krebsart. Sie machen 30 % der malignen Erkrankungen bei Frauen aus, wobei der Anteil in hoch entwickelten Ländern noch höher ist. Bei etwa 10 % aller Mammakarzinome liegt eine genetische Prädisposition vor – meist auf Grundlage von Mutationen in den BRCA1- und BRCA2-Genen.

PALB2-Mutation erhöht das Brustkrebsrisiko um 53 %

Betroffene Frauen müssen mit einer kumulativen Lebenszeitinzidenz von 70 % rechnen, schreiben Professor Dr. Sibylle Loibl, Gynäkologin vom Centrum für Hämatologie und Onkologie Bethanien in Frankfurt, und Kollegen. Inzwischen kennt man weitere Mutationen, z.B. in der PALB2-Keimbahnlinie, die das Mammakarzinomrisiko um 53 % und zusätzlich das Risiko für bösartige Pankreas- und Ovarialtumoren erhöhen. Abgesehen davon kennt man noch eine ganze Reihe weiterer Punkte, die einen Brustkrebs begünstigen (s. Kasten).

Risikofaktoren für ein Mammakarzinom

  • genetische Prädisposition
  • höheres Alter
  • Brustläsionen in der Vorgeschichte (benigne oder maligne)
  • hohe Brustdichte
  • Bestrahlung im Thoraxbereich in der Vorgeschichte
  • große Anzahl von Menstruationszyklen in der Lebensspanne
  • wenige oder gar keine Schwangerschaften
  • kurzes oder gar kein Stillen
  • höheres Alter bei der ersten Schwangerschaft
  • Adipositas
  • Typ-2-Diabetes
  • ungesunde Ernährung (z.B. stark fetthaltig und ballaststoffarm)
  • starker Alkoholkonsum
  • Rauchen
  • wenig körperliche Bewegung
  • Exposition gegenüber Steroidhormonen (postmenopausale Hormonersatztherapie)

Ein Brustkrebsscreening ist in Ländern mit hohem Einkommen weit verbreitet. Man weiß aber nicht, inwieweit das zu einer Überdiagnose von nicht-invasiven Läsionen geführt hat. Die wiederum gehen mit einem hohen Risiko für ein spätes invasives Karzinom, aber wohl nur einer sehr geringen krankheitsassoziierten Mortalität einher. Solange man aber nicht weiß, wie sicher eine Deeskalation in der Vorsorge und anschließenden Behandlung wäre, geht die Tendenz weiterhin zu einer Übertherapie. Wichtigste Säule des Brustkrebsscreenings ist nach wie vor die Mammographie, die in Deutschland Frauen zwischen 50 und 69 Jahren alle zwei Jahre wahrnehmen können. In acht randomisierten Studien ließ sich zeigen, dass dadurch die Brustkrebs-Mortalität um 20 % sinkt. 2–8 Krebsfälle pro 1000 Screening-Mammographien werden entdeckt. Durch eine zusätzliche Sonographie vor allem bei sehr dichtem Brustgewebe deckt man weitere 4,4 Krebsfälle pro 1000 Untersuchungen auf. Allerdings ist der positive prädiktive Wert des alleinigen Ultraschalls gering – nur 3–8 % der verdächtigen Bezirke erweisen sich tatsächlich als maligne. Eine weitere diagnostische Möglichkeit bietet das MRT, das mit 90–93 % eine deutlich höhere Sensitivität bei Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko aufweist als Mammographie plus Ultraschall (48–63 %) zusammen. Das Kernspin eignet sich als Screeningmethode vor allem für Frauen mit sehr hohem Risiko (z.B. mit entsprechenden Keimbahnmutationen). Weiterentwicklungen könnten in Zukunft ein verkürztes MRT oder die kontrastmittelverstärkte Spektral-Mammographie sein. Bei Frauen mit nachgewiesener BRCA1- oder BRCA2-Muation stellt sich die Frage einer möglichen Prävention. Zur Risikoreduktion kommt die beidseitige prophylaktische Mastektomie plus Entfernung von Eierstöcken und Eileitern infrage. Die medikamentöse Prophylaxe mit Tamoxifen, Raloxifen oder Aromatasehemmern scheint zwar das Risiko der Brustkrebsentwicklung zu reduzieren, ändert aber nichts an der Mortalität. Mit dem Nachweis eines Mammakarzinoms ist die Diagnostik heute lange noch nicht beendet. Entscheidende Bedeutung für das weitere Vorgehen hat der Hormonrezeptorstatus (Estrogen- und Progesteronrezeptor, HER2). Hinzu kommen insbesondere bei einem metastasierten Karzinom weitere immunhistochemische Marker, die das Ansprechen auf verschiedene Therapeutika vorhersagen können.

Quelle: Loibl S et al. Lancet 2021; DOI: 10.1016/S0140-6736(20)32381-3

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Ein Brustkrebsscreening ist in Ländern mit hohem Einkommen weit verbreitet. Ein Brustkrebsscreening ist in Ländern mit hohem Einkommen weit verbreitet. © iStock/Christoph Burgstedt