Erweiterte endokrine Brustkrebstherapie nicht für jede Risikogruppe nutzen

ASCO 2021 Birgit-Kristin Pohlmann

Der Blick in die DNA gibt Auskunft zum Metastasierungsrisiko. Der Blick in die DNA gibt Auskunft zum Metastasierungsrisiko. © Axel Kock – stock.adobe.com

Bei der Behandlung des frühen Mammakarzinoms soll eine Übertherapie vermieden werden. Ein Hilfsmittel ist dabei etwa eine 70-Gen-Signatur, die Betroffene mit sehr niedrigem Metastasierungsrisiko identifizieren kann. Aktuelle Auswertungen von zwei Studien demonstrieren, wann die Therapie deeskaliert werden könnte.

Das Ziel der MINDACT-Studie war es, den klinischen Stellenwert der 70-Gen-Signatur MammaPrint bei Patientinnen mit frühem HR+/HER2- Mammakarzinom (T ≤ 5 cm; 0–3 befallene Lymphknoten) zu validieren. Frauen mit mittlerem klinisch-pathologischen Risikoprofil konnten so anhand des genomischen Risikoprofils als „low-“ oder „high-risk“ klassifiziert werden. Dies sollte ihnen gegebenenfalls eine Chemotherapie ersparen, erinnerte Dr. Josephine Lopes ­Cardozo, The Netherlands Cancer Institute, Amsterdam.

Mit einer aktuellen Auswertung der Datensätze wurde nun verdeutlicht, dass 15 % der Studienteilnehmerinnen (n = 1000) ein genomisch besonders niedriges Metastasierungsrisiko hatten. Sie wurden jetzt genomisch als „ultralow-risk“ eingestuft. In dieser Gruppe befinden sich auch Patientinnen mit klinischen Hochrisikofaktoren.1

Von Fernmetastasen meist keine Spur

Das genomisch besonders niedrige Risiko war im Vergleich zum niedrigen Risiko noch seltener mit Fernmetastasen assoziiert, erläuterte die Referentin. Mehrheitlich hatten die Betroffenen eine adjuvante endokrine Therapie (ET) oder keine adjuvante Systemtherapie erhalten. Die „ultralow-risk“-Patientinnen mit klinischen Risikofaktoren waren ursprünglich als „high-risk“ klassifiziert und adjuvant mit einer Chemotherapie behandelt worden.

Nach einem medianen Follow-up von 8,7 Jahren hatten 97 % der als „ultralow-risk“ klassifizierten Frauen keine Fernmetastasen im Vergleich zu 94,5 % der „low-risk“-Gruppe. Adjustiert nach klinisch-pathologischen Kriterien und der jeweiligen Therapie bedeutet dies, dass die „ultralow-risk“-Patientinnen ein um 35 % niedrigeres Fernmetastasierungsrisiko hatten als Frauen mit „low-risk“ (adjustierte Hazard Ratio [HR] 0,65; 95%-KI 0,45–0,94). Vergleichbare Daten zeigten sich beim brustkrebsspezifischen Überleben (Acht-Jahres-BCSS: 99,6 % bzw. 98,2 %). Die Teilnehmerinnen mit „ultralow-risk“ und klinischen Hochrisikokriterien (n = 259; hohe Tumorlast, hohes Grading, Lymphknotenbefall) erreichten ein fast identisches Acht-Jahres-BCSS wie jene ohne klinische Hochrisikofaktoren (99,7 % vs. 99,2 %).

Offensichtlich, so Dr. Lopes Cardozo­, sind die genomischen „ultralow-risk“-Patientinnen mit alleiniger adjuvanter ET bzw. auch ohne adjuvante Systemtherapie ausreichend behandelt. Jeweils über 97 % dieser Frauen waren nach acht Jahren ohne Fernmetastasen vs. 94,9 % bei jenen mit klinischen Risikofaktoren und adjuvanter Chemotherapie ± ET. Die Ergebnisse sollten an größeren Fallzahlen validiert werden, sagte die Expertin.

Für wen die adjuvante Therapie erweitern?

Professor Dr. Priya Rastogi, Hillman Cancer Center, Pittsburgh, stellte eine aktuelle Auswertung der NSABP-B42-Studie vor. Diese schloss postmenopausale Patientinnen mit frühem HR+/HER2- Mammakarzinom (Stadium I–IIIa) ein. Das Ergebnis: Mit der 70-Gen-Signatur lassen sich Betroffene identifizieren, die nach fünfjähriger ET von einer erweiterten ET mit dem Aromatasehemmer Letrozol profitieren.

Die dafür entwickelten MammaPrint-Assay-Scores verdeutlichen, dass nur Patientinnen mit niedrigem Score von einer erweiterten Letrozolgabe profitieren. Im Bezug auf das krankheitsfreie Überleben (DFS) sank das Risiko nach zehn Jahren um 7,8 %-Punkte, beim brustkrebsfreien Intervall (BCFI) waren es 7,0 %-Punkte (HR 0,67 bzw. 0,51; jeweils p < 0,001). Für das Fernmetastasierungsrisiko er­gab sich ein tendenzieller Vorteil mit einem absoluten Delta von 3,7 % nach zehn Jahren (p = 0,002). Im Interaktionstest („treatment-by-risk-interaction“) war der Benefit nur bezogen auf DFS und BCFI signifikant.

Die Vorteile scheinen bei den „low-risk“-Patientinnen deutlicher zu sein als bei jenen mit „ultralow-risk“, erläuterte Prof. Rastogi. Sie sprach von wichtigen Ergebnissen, um Betroffene besser für eine erweiterte ET zu selektieren. Die Ergebnisse sollten unter Einbindung klinisch-pathologischer Kriterien weiter validiert werden.

Quellen:
1. Lopes Cardozo J. 2021 ASCO Annual Meeting; Abstract 500; DOI: 10.1200/JCO.2021.39.15_suppl.500
2. Rastogi P. 2021 ASCO Annual Meeting; Abstract 502; DOI: 10.1200/JCO.2021.39.15_suppl.502

Kongressbericht: 2021 ASCO Annual Meeting (virtuell)

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Der Blick in die DNA gibt Auskunft zum Metastasierungsrisiko. Der Blick in die DNA gibt Auskunft zum Metastasierungsrisiko. © Axel Kock – stock.adobe.com