Wie man mit typischen Toxizitäten umgeht

ESMO 2023 Dr. Miriam Sonnet

Was zu beachten ist, um unerwünschte Nebenwirkungen von neuen Krebstherapien zu vermeiden. Was zu beachten ist, um unerwünschte Nebenwirkungen von neuen Krebstherapien zu vermeiden. © Artinun – stock.adobe.com

Checkpoint-Inhibitoren, Antikörper-Wirkstoff-Konjugate und CAR-T-Zell-Therapien können spezifische Nebenwirkungen verursachen – sie weisen aber auch überlappende Toxizitäten auf. Welche Besonderheiten es gibt und auf was Behandelnde achten müssen.

Um unerwünschten Wirkungen neuer Krebstherapien wie CPI, ADC und CAR-T-Zellen zu begegnen, ist eine multidisziplinäre Zusammenarbeit essenziell. In diesem Punkt waren sich die drei Experten, die über das Management unterschiedlicher Toxizitäten berichteten, einig.

Immuntherapien

Hinsichtlich der Behandlung mit Immuntherapien gebe es einige Unsicherheiten, konstatierte Prof. Dr. ­Enrique ­Grande ­Pulido, MD Anderson Cancer Center Madrid.1 Diese reichen von der Frage nach der maximal tolerierbaren Dosis über die angemessene Zyklenzahl bis hin zur optimalen Behandlungsdauer. Auch sei unklar, welche Patient:innen ein besonders hohes Risiko für Toxizitäten haben.

Die gleichzeitige Gabe von Steroiden und CPI scheint das Überleben nicht zu beeinflussen. Vorsichtig solle man allerdings mit Antibiotika sein, so der Referent, zumindest 60 Tage vor Start der Immuntherapie und innerhalb des ersten Monats danach.

Beachten müsse man die kumulative Toxizität bei Kombinationen von CPI mit anderen Substanzen. Dabei sei es wichtig zu evaluieren, welche Komponente hauptsächlich für die Nebenwirkungen verantwortlich ist. Am Beispiel von urologischen Tumoren verdeutlichte Prof. Pulido gemeinsame Toxizitäten von CPI, ADC und TKI: Alle gehen mit Diarrhö, Hautnebenwirkungen und Fatigue einher.

Für CPI spezifisch seien Pneumonitis, Myasthenia gravis, Endokrinopathien, akutes Nierenversagen, Myositis und adrenerge Krise. Typische Nebenwirkungen von ADC umfassen Neuro- und okuläre Toxizitäten. TKI wiederum können Hypertension, Mucositis, Hand-Fuß-Syndrom und Änderungen des Geschmackssinns verursachen. Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten zwischen zwei Kombinationspartnern: Beispielsweise können sowohl unter CPI als auch unter ADC Hyperglyk­ämien auftreten; mit ADC und TKI wiederum kann es jeweils zu Zytopenien, Nausea und Gewichtsverlust kommen. Und gemeinsame Nebenwirkungen von Immuntherapie und TKI umfassen Hypothyreoidismus und Hepatitis.

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate

Prof. ­Pulido verdeutlichte anhand des ADC Enfortumab-Vedotin die verschiedenen potenziellen Nebenwirkungen, die ihren Peak zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach Therapiebeginn aufweisen:

  • periphere Neuropathien nach median 4,9 Monaten
  • schwere Hautreaktion nach median 0,7 Monaten
  • Pneumonitis/ILD nach median 2,7 Monaten
  • okuläre Probleme nach 1,6 Monaten
  • Hyperglykämien nach median 0,6 Monaten

Sowohl periphere Neuropathien als auch Augentoxizitäten und Hyperglykämien können auch im späteren Therapieverlauf auftreten. Im Falle von schweren Hautreaktionen und Pneumonitis/ILD flacht die Kurve relativ schnell wieder ab.

Toxizitäten von ADC werden durch verschiedene Faktoren bestimmt, erläuterte Prof. Dr. Dr. ­Joseph Gligorov, Sorbonne Universität, Paris.2 Darunter die sys­temische Freisetzung des Payloads, bevor die Substanz ihr Ziel erreicht. So verursachen Mikrotubuli-Inhibitoren u.a. Thrombozytopenien, Hepatotoxizitäten und periphere Neuropathien, während Topoisomerase-I-Inhibitoren mit Diarrhö und Neutropenie einhergehen können. 

Auch der Linker, abhängig von seiner Spaltbarkeit und Struktur, kann zur Entwicklung von Nebenwirkungen beitragen. Da die in ADC verwendeten Antikörper zudem Ziele auf normalem Gewebe finden, kann es hier zu Nebenwirkungen kommen – zum Beispiel im Falle von HER2 zu Kardiotoxizitäten. Bei Trop2 werden Ausschlag und Mukositits beobachtet, gegen Nectin gerichtete Antikörper wiederum wurden mit Ausschlag und Dysgeusie in Verbindung gebracht. Letztendlich spielen auch patient:innenbezogene Faktoren eine Rolle, z.B. Organfunktion, Komorbiditäten, pharmakokinetische Polymorphismen, Körperzusammensetzung und Ethnizität ebenso wie der Bystander-Effekt der ADC auf die Tumormikroumgebung.

Durch ADC verursachte myeloide Toxizitäten, etwa im Zuge der Therapie mit Gemtuzumab-Ozogamicin, seien durch Dosisreduktionen oder -fraktionierungen händelbar, so Prof. ­Gligorov. Auch wenn es zu peripheren Neurotoxizitäten kommt, können Dosisanpassungen in Betracht gezogen werden. Die Früherkennung dieser Nebenwirkung sei mitunter schwierig und wahrscheinlich reiche der CTCAE* nicht aus. Okuläre Toxizitäten, zum Beispiel verursacht durch Belantamab-Mafodotin, werden je nach Schweregrad behandelt:

  • Grad 1: Belantamab-Mafodotin ohne Änderungen fortsetzen
  • Grad 2: Therapie unterbrechen, bis ein Grad 1 erreicht wird, dann die Behandlung mit derselben Dosis wieder aufnehmen
  • Grad 3: Therapie unterbrechen, bis ein Grad 1 erreicht wird, dann die Behandlung mit einer reduzierten Dosis wieder aufnehmen
  • Grad 4: Therapieabbruch in Betracht ziehen; Behandlung unterbrechen, bis ein Grad 1 erreicht wird, dann mit einer reduzierten Dosis wieder aufnehmen und Risiko gegen Nutzen abwägen

Trastuzumab-Deruxtecan kann potenziell eine interstitielle Lungenerkrankung bzw. Pneumonitis auslösen. Auch hier hängt das weitere Vorgehen vom Schweregrad der Toxizität ab. Zum Beispiel wird ab Grad 2 ein permanenter Therapieabbruch empfohlen.

Um schwere Toxizitäten von ADC zu vermeiden, empfiehlt es sich generell, Behandelnde über die entsprechenden Nebenwirkungen aufzuklären. Gleiches gelte für die Patient:innen selbst – sie sollten über entsprechende Symptome Bescheid wissen und diese melden.

(Keine) Kontraindikation

Alter, Malignitäten in der Patient:innengeschichte (solange keine aktive Behandlung erforderlich ist), vorangegangene Therapien inklusive alloSCT, immunsupprimierende Behandlungen und ZNS-Erkrankung stellen keine Kontraindikationen für eine CAR-T-Zell-Therapie dar, erläuterte Prof. ­Stathis. Ganz im Gegensatz zu einer aktiven Infektion, bei der die CAR-T-Zellen nicht appliziert werden sollten.

CAR-T-Zellen und bispezifische Antikörper

Typische Nebenwirkungen von CAR-T-Zell-Therapien umfassen Zytokinfreisetzungssyndrom (CRS) und neurologische Ereignisse, erinnerte Prof. Dr. ­Anastasios ­Stathis, Oncology Institute of Southern Switzerland, Bellinzona.3 Ein CRS präsentiert sich u.a. mit Fieber, Unwohlsein und Anorexie, ebenso können Hyptension, Hypoxie und/oder eine Organdysfunktion auftreten. ICANS wiederum manifestieren sich durch Wortfindungsstörungen, Verwirrtheit, Dysphasie, Aphasie, gestörte Feinmotorik und Somnolenz. Verkompliziert werden sie durch Krampfanfälle, Schwäche, zerebrale Ödeme und Koma. Typischerweise treten ICANS nach einem CRS auf bzw. wenn dieses bereits abflacht.

Die Behandlung eines CRS richtet sich ebenfalls nach dem Schweregrad. Zur medikamentösen Therapie steht unter anderem Tocilizumab zur Verfügung. Sprechen Patient:innen darauf nicht an, kann die Dosis nach sechs bis acht Stunden wiederholt werden (insgesamt bis zu vier Dosen). Tritt keine Verbesserung ein, kommen Steroide zum Einsatz. In der dritten Linie können Anakinra und Siltuximab gegeben werden.

Personen mit einem hohen Risiko für ICANS erhalten vor der Therapie Levetiracetam zur Prophylaxe, erläuterte Prof. ­Stathis. Für das Management der neurologischen Nebenwirkungen gibt es ein spezifisches Vorgehen, das ebenfalls vom Schweregrad abhängt. Die Betroffenen müssen alle zwei bis vier Stunden neurologisch evaluiert werden. Untersuchungen umfassen CT des Kopfes und EEG und wenn möglich ein MRT. Steroide kommen in der Erstlinie zum Einsatz, in der Zweitlinie dann Anakinra und Siltuximab.

Generelle Toxizitäten einer CAR-T-Zell-Therapie wiederum sind Zytopenien und Infektionen. Letztere machen 56 % der nicht-rezidivbedingten Mortalität aus, erläuterte der Experte, während erstere die häufigsten Nebenwirkungen vom Grad ≥ 3 darstellen. Mit dem CAR-Hematotox-Score lässt sich das Risiko für verlängerte Zytopenien bei Personen, die mit CAR-T-Zellen behandelt wurden, bestimmen. Für das Management von Zytopenien und Infektionen stehen folgende Optionen zur Verfügung:

  • G-CSF-Support nach der CAR-T-Zell-Therapie
  • Bactrim + Valaciclovir-Prophylaxe
  • antifungale Medikation für manche Patient:innen mit verlängerter Zytopenie
  • Transfusion mit bestrahlten RBC
  • Immunglobulin-Support

Auch bispezifische Antikörper können CRS und ICANS hervorrufen, so der Referent. Hier gelten dieselben Empfehlungen wie für CAR-T-Zell-Therapien, zudem gebe es für die Behandlung mit Bispecifics präventive Strategien. Diese umfassen eine Steroid-Prämedikation, eine Step-up-Dosierung, die Anwendung einer Dosis eines CD20-Antikörpers an Tag 8 (Glofitamab) sowie die subkutane Gabe im Falle von Epcoritamab. Insgesamt sei das Sicherheitsprofil der bispezifischen Antikörper gut, weshalb sie in Lymphom- und Myelom-Studien in Kombination mit verschiedenen anderen Therapien – Chemo, monoklonale Antikörper, Immunmodulatoren – geprüft werden.

*    Common Terminology Criteria of Adverse Events

Quellen:
1.    Grande Pulido E. ESMO Congress 2023; Vortrag: „Toxicity of IO + targeted agents“
2.    Gligorov J. ESMO Congress 2023; Vortrag: „Management of antibody-drug conjugates toxicities“
3.    Stathis A. ESMO Congress 2023; Vortrag: „Toxicities of TILs, CAR-Ts and bispecific antibodies“

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