Interview mit Prof. Dr. Nadia Harbeck über das San Antonio Breast Cancer Symposium

SABCS 2021 Birgit-Kristin Pohlmann

Auf dem letzten SABCS wurden zahlreiche Subauswertungen großer klinischer Studien vorgestellt. Auf dem letzten SABCS wurden zahlreiche Subauswertungen großer klinischer Studien vorgestellt. © iStock/sofirinaja

Pembrolizumab für Risikopatientinnen, Neratinib als Off-Label-Option und T-DXd bei fortgeschrittenem Brustkrebs und Hirnmetastasen. Prof. Dr. Nadia Harbeck, Brustzentrum und Onkologische Tagesklinik, München, ordnet Studien vom SABCS in den hiesigen Klinikalltag ein.

Auf dem letzten SABCS wurden zahlreiche Subauswertungen großer klinischer Studien vorgestellt, deren Hauptergebnisse bereits auf europäischen Kongressen präsentiert wurden. Wie war Ihr Eindruck?

Prof. Dr. Nadia Harbeck: Das war in der Tat auffällig und unterstreicht den hohen Stellenwert der europäischen Krebskongresse. Das gilt insbesondere für den europäischen Hauptkongress, die Jahrestagung der europäischen Krebsgesellschaft ESMO. Darauf können wir stolz sein.

Ein Beispiel sind die Subauswertungen der Studie KEYNOTE-522 zum (post-)neoadjuvanten Einsatz von Pembrolizumab beim frühen tripel-negativen Mammakarzinom (TNBC). Welchen Stellenwert haben diese ergänzenden Analysen?

Prof. Harbeck: Die KN522-Studie ist eine praxisverändernde Studie. Die explorativen Sensitivitäts- und Subgruppenauswertungen bestätigen, dass der zusätzliche Einsatz von Pembrolizumab zur neoadjuvanten Chemotherapie plus die post-neoadjuvante Weiterbehandlung mit Pembrolizumab als Monotherapie eine wirksame Therapie für Risikopatientinnen mit frühem TNBC ist. In den USA ist Pembrolizumab bereits für diese Indikation zugelassen.

Diskutiert wurde vor Ort die Frage der adjuvanten Weiterbehandlung von Patientinnen ohne pathologische Komplettremission (pCR), denn hier gibt es mit Capecitabin bzw. mit Olaparib bei gBRCA-Mutationsnachweis alternative Optionen. Für diese Frage benötigen wir weitere Studien. Keinesfalls können wir die Evidenz aus verschiedenen Studien mischen. Deshalb, wer nach Zulassung Pembrolizumab in diesem Setting einsetzt, sollte dem Studienprotokoll der KN522 folgen.

Aktuelle Analysen der RxPONDER-Studie weisen erneut darauf hin, dass prämenopausale Patientinnen mit HR+/HER2- frühen Brustkrebs mit ein bis drei befallenen Lymphknoten und einem Recurrence Score von maximal 25 von einer Chemotherapie profitieren – sogar jene mit nur mikrometastatisch befallenen Lymphknoten. Wie bewerten Sie die Daten?

Prof. Harbeck: Hier besteht ein gewisser Widerspruch zu unseren Studiendaten aus ADAPT, mit denen wir zeigen konnten, dass es Sinn ergibt, bei besagten prämenopausalen Frau-en auch die endokrine Sensitivität, sprich das Ansprechen auf eine kurze präoperative endokrine Therapie, als Entscheidungskriterium für bzw. gegen eine Chemotherapie heranzuziehen. Indem wir individuell am Tumor dieser Patientinnen die endokrine Sensitivität evaluieren, konnten wir der Hälfte dieser jungen Frauen die Chemotherapie ersparen. Das relativiert die RxPONDER-Daten. Bei der Auswertung zu den Mikrometastasen in den Lymphknoten handelt es sich um eine nicht geplante, explorative Subgruppenanalysen, die keinen Einfluss auf unseren klinischen Alltag haben sollte.

In der Phase-2-Studie KEYRICHED­-­1 hat die Westdeutsche Studiengruppe eine Deeskalationsstrategie beim frühen HER2-enriched (HER2-E) Mammakarzinom geprüft. Frauen erhielten neoadjuvant eine duale Antikörperblockade plus Pembrolizumab und keine Chemotherapie. Was versprechen Sie sich von dem Konzept?

Prof. Harbeck: Das ist weltweit die erste prospektive Studie, die bei diesen Patientinnen neoadjuvant in einem immuntherapiebasierten Design auf eine Chemotherapie (CT) verzichtet. Mittels PAM50 wurden die HER2-E-Mammakarzinome aus einem Kollektiv der HER2-positiven Tumore herausgefiltert und über nur zwölf Wochen neoadjuvant mit Pembrolizumab plus Trastuzumab/Pertuzumab behandelt. In dieser vorselektierten Kohorte haben wir mit dieser kurzen Therapie vergleichbare pCR-Raten erzielt wie unter CT-basierter Therapie.

Interessant ist auch, dass wir nur bei HER23+ Karzinomen eine pCR erreichen konnten und nicht bei HER22+/ISH+ Karzinomen. Durch eine geeignete Vorauswahl anhand der Tumorbiologie scheint es möglich zu sein, Patientinnen zu identifizieren, die wir auch ohne Chemotherapie effektiv behandeln können. Das sind wichtige Daten für zukünftige Studienkonzepte.

Beim metastasierten Brustkrebs haben Subgruppenauswertungen der DESTINYBreast03-Studie die Wirksamkeit von Trastuzumab Deruxtecan (T-DXd) bei Patientinnen mit stabilen Hirnmetastasen bestätigt. Was bedeuten dies für den klinischen Alltag?

Prof. Harbeck: T-DXd ist der neue Second-Line-Standard beim HER2+ fortgeschrittenen Mammakarzinom und das gilt auch für Patientinnen mit stabilen Hirnmetastasen. Das empfehlen wir so auch in den aktualisierten Therapieempfehlungen der ESMO.

Nur bei Patientinnen mit aktiven und loko-regionär nicht behandelbaren Hirnmetastasen würde ich aufgrund der Datenlage second line Tucatinib in Kombination mit Trastuzum-ab/Capecitabin favorisieren. T-DXd wäre dann ggf. nach Tucatinib eine Option. In Deutschland läuft bei Patientinnen mit HER2+ Mammakarzinom und Hirnmetastasen die DESTINY-Breast12-Studie. Ein Studienteilnahme kann ich nur empfehlen.

Mit Tucatinib, Neratinib und Lapatinib stehen beim HER2+ metastasierten Mammakarzinom drei Tyrosinkinase-Inhibitoren zur Verfügung. In präklinischen Studien wurden deren Resistenzentwicklungen untersucht, um Hinweise zu erhalten, in welcher Sequenz die Substanzen am besten eingesetzt werden sollten. Ist das ein zukunftsweisender Ansatz?

Prof. Harbeck: Die Idee ist, aufgrund von Resistenzmechanismen bestimmte Sequenzen auszuschließen. Das ist ein spannender Ansatz, denn wir können nicht für jede Sequenz eine große Phase-3-Studie starten. Die präklinischen Daten weisen auf Kreuzresistenzen hin, wenn Neratinib oder Lapatinib vor Tucatinib gegeben werden. Demnach sollte Tucatinib zuerst eingesetzt werden.

Die Resistenzentwicklung unter Tucatinib läuft über die EGFR-Amplifikation, weshalb Neratinib und Lapatinib danach noch wirken können. Solche Daten können zukünftig möglicherweise die Behandlungsstrategie beeinflussen.

Welches Potenzial hat Neratinib beim metastasierten Brustkrebs mit HER2-Mutationen? Das Update der Phase-2-Studie SUMMIT zeigt vielversprechende Ergebnisse für Neratinib/Trastuzumab ± Fulvestrant bei intensiv vorbehandelten Frauen.

Prof. Harbeck: HER2-Mutationen treten vor allem bei luminalen lobulären und weniger bei HER2-positiven Karzinomen auf. Das sind wichtige Daten, denn HER2-Mutationen werden automatisch in den molekularen Tumorboards mituntersucht. Neratinib könnte für Patientinnen, die die Standardtherapien durchlaufen haben, eine Therapieoption sein. Die Substanz ist Deutschland verfügbar und kann im Off-Label-Verfahren mit Kostenübernahmeantrag eingesetzt werden.

In den perspektiven Studien cTRAK TN beim frühen TNBC und PADA-1 beim HR+/HER2- metastasierten Mammakarzinom ging es um die Frage, ob eine ctDNA-basierte Therapieänderung – noch bevor der klinische Progress sichtbar ist – Vorteile hat. Wie vielversprechend ist ein ctDNA-basiertes Therapiemonitoring?

Prof. Harbeck: Das ist ein hypothesengenerierendes Konzept, bei dem nach Resistenzkriterien gesucht wird als Marker für einen frühzeitigen Therapiewechsel. In der PADA-1-Studie wurde der primäre Studienendpunkt erreicht und das progressionsfreie Überleben durch den frühzeitigen Therapiewechsel von Palbociclib/Aromatasehemmer auf Palbociclib/Fulvestrant fast verdoppelt. Der deutliche PFS-Vorteil verringerte sich jedoch gegenüber Patientinnen, die bei klinischem Progress auf Palbociclib/Fulvestrant umgestellt wurden. Wir werden die Daten zum Gesamtüberleben abwarten müssen.

In der cTRAK TN-Studie wurden keine klinisch verwertbaren Ergebnisse erzielt, da schlussendlich nur sehr wenige Patientinnen randomisiert wurden. In der Bildgebung waren bei über 70 % der ctDNA-positiven Patientinnen bereits Metastasen nachweisbar. Wir werden weitere Studien abwarten müssen, zum Beispiel die in Deutschland geplante Studie SURVIVE, in der mittels ctDNA-Analysen die Nachsorge begleitet wird.

Interview: Birgit-Kristin Pohlmann

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Auf dem letzten SABCS wurden zahlreiche Subauswertungen großer klinischer Studien vorgestellt. Auf dem letzten SABCS wurden zahlreiche Subauswertungen großer klinischer Studien vorgestellt. © iStock/sofirinaja
Prof. Dr. Nadia Harbeck; Leiterin Brustzentrum und Onkologische Tagesklinik, Frauenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München Prof. Dr. Nadia Harbeck; Leiterin Brustzentrum und Onkologische Tagesklinik, Frauenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München © zVg