Checklisten und 5R-Regel retten Kinderleben

Dr. Angelika Bischoff

Checklisten sind essenziell, um die Patientensicherheit zu verbessern. Checklisten sind essenziell, um die Patientensicherheit zu verbessern. © iStock/mucahiddin

Im Notfall haben Kinder oft schlechte Karten. Ihnen drohen falsche Medikamentendosierungen und Übertherapie. Mit einfachen Checklisten und klarer Kommunikation lassen sich potenziell tödliche Fehler vermeiden.

Medikamentenfehler passieren in Notfallsituationen bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen, da die Dosierungen individuell berechnet werden müssen. Dazu kommt, dass Notfallteams in der Regel nicht auf Kinder spezialisiert sind. Wo die größten Stolperfallen liegen, fassen PD Dr. Jost Kaufmann vom Kinderkrankenhaus der Kliniken der Stadt Köln und Kollegen zusammen. Als generelles Hindernis sehen die Autoren, dass vor allem erfahrene Ärzte die Tatsache, dass sie fehlbar sind, immer noch zu wenig akzeptieren. Viele meinen, es nicht nötig zu haben, sich z.B. bei der Dosierung von Medikamenten an Tabellen zu orientieren.

Standardanweisungen Punkt für Punkt abzuarbeiten und sich an Checklisten zu halten, ist aber kein Zeichen für mangelnde Kompetenz, sondern im Gegenteil für Professionalität. Und es ist essenziell, um die Patientensicherheit zu verbessern. Damit auch Nicht-Pädiater Kinder in Notfallsituationen fachgerecht behandeln können, braucht es klare, einfache Handlungsempfehlungen sowie wiederholte Schulungen und Trainings in simulierten Situationen, so die Kollegen. Allein solche Schulungen erhöhen die Aufmerksamkeit im Umgang mit Medikamenten im Notfall und senken die Fehlerzahl.

Dokumentation des Gewichts fehlt in vielen Protokollen

Besonders kritisch wirken sich Dosierungsfehler bei Adrenalin aus, wie die Autoren an einem Fallbeispiel aufzeigen: Ein acht Monate alter Säugling wurde zunächst erfolgreich reanimiert. Dann legte der Notarzt einen intraossären Zugang und verabreichte dreimal 2 mg Adrenalin, was das Kind nicht überlebte. Es hatte mit einem Gewicht von 8 kg das 25-fache der empfohlenen Dosierung von 10 µg/kg erhalten. Schon das Zehnfache wäre lebensbedrohlich gewesen. Aber das Gewicht war im Notfallprotokoll gar nicht dokumentiert – so wie in einem großen Teil der Notarztprotokolle.

Eine Untersuchung der prähospitalen Versorgung von pädiatrischen Notfällen aus den USA ergab, dass jede dritte Medikamentenverordnung, darunter 60 % der Gaben von Adrenalin, fehlerhaft war. Die durchschnittliche Überdosierung des Katecholamins lag beim Achtfachen der empfohlenen Dosis. Ähnliche Datenerhebungen liegen auch für Deutschland vor.

Um Medikamente bei Kindern sicher dosieren zu können, muss das Körpergewicht erfragt oder anhand der Länge eingeschätzt werden. Mit dem längenabhängigen Schätzwert lässt sich gut an das für die Berechnung der Dosierung relevante Idealgewicht herankommen. Beim gewogenen Gewicht besteht für adipöse Kinder die Gefahr, dass sie vor allem Medikamente mit geringer therapeutischer Breite wie Sedativa überdosiert erhalten. Hilfreich sind Tabellen, die zusätzlich zur Gewichtsschätzung Medikamentendosierungen angeben, z.B. die in Bayern gebräuchliche Pädiatrische Notfallkarte (ÄLRD). Ohne Unterstützung durch solche Systeme raten die Autoren davon ab, potenziell gefährliche Medikamente wie Adrenalin und Analgetika bei Kindern einzusetzen – so heißt es auch in der aktuellen Leitlinie.1

5R-Regel

  • richtiger Patient?
  • richtiges Medikament?
  • richtige Dosierung?
  • richtiger Zeitpunkt?
  • richtiger Verabreichungsweg?

Ein weiteres wichtiges Anliegen in der Notfallversorgung von Kindern ist es, Übertherapien zu vermeiden. Als Beispiel führen die Pädiater an, ohne zwingenden akuten Grund sicherheitshalber eine Schutzintubation für den Transport vorzunehmen. Eine Intubation birgt immer das Risiko für Komplikationen, die zum Tod oder zu schweren Behinderungen führen können. Zum „unnötigen“ Intubieren sollte man sich ebenso wenig verleiten lassen wie dazu, Vitalfunktionen durch Analgetika oder Sedativa zu stark zu dämpfen. Das gilt insbesondere für Kinder mit Atemwegsobstruktion sowie muskulären und neurologischen Störungen. Pulsoximetrie und EKG sind das minimale Überwachungsprogramm, wenn Medikamente mit Einfluss auf die Vitalfunktionen eingesetzt werden. An Sedativa kann man oft sparen, wenn das Kind beim Transport durch eine Bezugsperson beruhigt werden kann.

Off-Label-Use bei Kindern oft unumgänglich

Auch aus der Kommunikation mit dem Team können Fehler entstehen, z.B. durch falsch verstandene Anweisungen. Damit Verordnungen richtig beim Ausführenden ankommen, muss die Anweisung standardisiert in allen Details erfolgen und rückversichert werden. Vor jeder Medikamentengabe gilt es zudem für alle Beteiligten, die 5R-Regel zu beachten (siehe Kasten). Zweifel an Anordnungen darf jeder jederzeit äußern. Ein Medikament sollte nur gegeben werden, wenn alle Teammitglieder übereinstimmen. Medikamente müssen darüber hinaus klar gekennzeichnet werden, um Verwechslungen zu vermeiden. Wenn man in der pädiatrischen Notfallmedizin fachgerecht behandeln will, wird man um einen Off-Label-Use nicht herumkommen. Zahlreiche wichtige Substanzen sind für Kinder nicht zugelassen, obwohl der sichere und wirksame Einsatz in dieser Altersgruppe belegt ist. Wissenschaftliche Evidenz und nicht der Zulassungsstatus entscheidet über den Einsatz, betonten die Autoren. In vielen Fällen kann daher der Off-Label-Use die bestmögliche Therapie darstellen.

1. S2k-Leitlinie „Medikamentensicherheit bei Kindernotfällen“, AWMF-Register-Nr. 027-071, www.awmf.org

Quelle: Kaufmann J et al. Monatsschr Kinderheilkd 2021; 169: 1179-1188; DOI: 10.1007/s00112-021-01328-0

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