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Individualmedizin bei Herzkrankheiten: Mutationen hämatopoetischer Stammzellen ebnen den Weg

Das Akronym CHIP steht für Clonal Hematopoiesis of Indeterminate Potential (auf Deutsch: klonale Hämatopoese von unbestimmtem Potenzial). Dabei liegen klonal vermehrte Blutzellen und/oder für hämatologische Neoplasien typische Genmutationen vor, ohne dass eine Blastenvermehrung in Blut und Knochenmark oder eine maligne hämatologische Erkrankung besteht. Die Prävalenz nimmt mit steigendem Lebensalter zu und erreicht bei über 70-Jährigen 10 % und mehr. Deshalb wird das Phänomen auch als ARCH bezeichnet (Age-Related Clonal Hematopoiesis).
CHIP kann in myelodysplastische Syndrome oder andere myeloische Neoplasien übergehen – häufig sind zudem Assoziationen mit kardiovaskulären Erkrankungen, z.B. koronare Herzkrankheit und ischämischer Schlaganfall. Für Professor Dr. Andreas Zeiher vom Universitätsklinikum Frankfurt/Main ist die klonale Hämatopoese „derzeit eines der spannendsten Felder auf kardiovaskulärem Gebiet“.
Mehrere Genveränderungen führen zu klonaler Blutbildung
Herz-Kreislauf-Risiko und kardiovaskuläre Mortalität korrelieren mit dem Anteil, mit dem bestimmte mutierte Allele im Genom vorkommen (Variant Allele Fraction, VAF). Entsprechende Mutationen werden auffällig oft bei Menschen gefunden, die schon in jungen Jahren einen Myokardinfarkt erleiden. Inzwischen ist eine ganze Reihe von Genveränderungen identifiziert, die mit CHIP einhergehen. Am häufigsten betroffen ist das Gen DNMT3A, gefolgt von TET2. Tierversuche haben u.a. gezeigt, dass der Verlust von TET2 in hämatopoetischen Stammzellen die Atheroskleroseentstehung beschleunigt, weil die inflammatorische Kaskade in Gang kommt.
Prof. Zeihers Arbeitsgruppe hat sich vor allem auf die Herzinsuffizienz konzentriert und untersucht, inwieweit CHIP hier involviert ist. Denn die mutierten Zellklone entern nicht nur die atherosklerotischen Plaques, sondern auch das Myokard, wo sie Inflammation und Fibrose induzieren können. Tatsächlich stellten die Kollegen fest, dass TET2- oder DNMT3A-Mutationsträger mit Herzinsuffizienz signifikant kürzer überleben als herzinsuffiziente Patienten ohne Mutation.
Eine massiv gesteigerte systemische inflammatorische Aktivität fand sich auch bei DNMT3A-tragenden Patienten mit degenerativer Aortenstenose. Der Effekt scheint aber auszubleiben, wenn der IL-6-Rezeptor nicht richtig funktioniert. Der Experte und sein Team haben deshalb zwei Pilotstudien angeschoben, in denen untersucht werden soll, ob eine Therapie mit einem IL-6-Antikörper oder einem Inflammasom-NLRP3-Inhibitor bei bestimmten Mutationen hilft.
CHIP könnte beides sein: Ursache und Folge einer KHK
„Die Idee ist, Patienten anhand ihres CHIP-Trägerstatus zu identifizieren, bei denen diese Medikation kardiovaskuläre Komplikationen reduzieren kann – ein Schritt hin zur personalisierten Medizin“, so der Kardiologe. Im Gespräch mit Medical Tribune ergänzte Prof. Zeiher eine potenzielle praktische Anwendung der CHIP-Forschung. Beispielsweise ließen sich gezielt Patienten mit ausgeprägter inflammatorischer Disposition finden, die von einer antiinflammatorischen Therapie mit Colchizin profitieren könnten.
Noch unklar ist jedoch die klassische Henne-Ei-Frage: Liegt der Ausgangspunkt im kranken Herzen, das die „Stammzellnische“ im Knochenmark beeinträchtigt und CHIP begünstigt, oder beginnt alles im Knochenmark mit über die Lebenszeit akkumulierten Mutationen? „Wir glauben inzwischen, dass CHIP beides ist: Ursache und Folge von KHK und Herzinsuffizienz“, sagte Prof. Zeiher.
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