Infarktpatienten herzlich willkommen

Dr. Judith Lorenz

Ein Infarkt schockt nicht nur den Herzmuskel. Viele leiden danach unter Angst oder Depressionen. Ein Infarkt schockt nicht nur den Herzmuskel. Viele leiden danach unter Angst oder Depressionen. © Fotolia/psdesign1

Patienten mit STEMI landen nach stationärem Aufenthalt meist beim Hausarzt. Britische Kardiologen meinen: In unkomplizierten Fällen ist das auch richtig so.

Patienten mit einem ST-Streckenhebungsinfarkt (STEMI) werden in Großbritannien üblicherweise drei Tage nach einer unkomplizierten perkutanen transluminalen Koronarangioplastie (PTCA) aus der Klinik entlassen. Und danach stellen sie sich meist beim Allgemeinmediziner vor, schreiben die Kardiologen um Fatima­ Dalal vom Queen Elizabeth Hospital in Birmingham. Liegt dieser erste Termin innerhalb von vier Wochen, hilft dies Kollegen, potenzielle Komplikationen rechtzeitig aufzudecken.

Arteriellen Gefäßzugang unter die Lupe nehmen

Deshalb gilt es nun, nicht nur den Entlassungsbericht und die in der Klinik durchgeführten Interventionen nachzuvollziehen (z.B. Anzahl und Stenttyp), sondern auch den arteriellen Gefäßzugang im Hinblick auf seltene lokale Komplikationen wie Infektionen oder Schwellungen zu untersuchen. Weiterhin sollten Kollegen Patienten für kardiovaskuläre Warnzeichen sensibilisieren. Denn Thoraxschmerzen, Dyspnoe, Präsynkope und Palpitationen können z.B. auf eine Postinfarkt-Angina, einen Rezidivinfarkt, eine Perikard­itis, eine Herzinsuffizienz oder ein neu aufgetretenes Vorhofflimmern deuten.

Verkehrsteilnahme auch im Bett erlaubt

Die meisten Betroffenen wollen nach einem Myo­kardinfarkt wissen, was sie im täglichen Leben beachten müssen. In Großbritannien dürfen Herzinfarktpatienten eine Woche nach erfolgreicher PTCA wieder einen PKW lenken, sofern kein weiterer Revaskularisationseingriff ansteht und die kardiale Ejektionsfraktion > 40 % beträgt. Auch Flugreisen sind im Falle eines unkomplizierten Verlaufs wieder möglich. Bei Patienten, die keine Beschwerden unter leichter bis mäßig intensiver körperlicher Belastung entwickeln, spricht zudem nichts gegen Geschlechtsverkehr.

Medikamentöse Prophylaxe

Internationale und nationale Leitlinien empfehlen nach erfolgreicher Revaskularisation eine medikamentöse Sekundärprävention. Fünf Wirkstoffgruppen haben sich als kardioprotektiv erwiesen: P2Y12-Inhibitoren, Betablocker, ACE-Hemmer, Statine und Aldosteron-Antagonisten. Um das Risiko u.a. für Stentthrombosen und Rezidivischämien zu minimieren, ist eine zwölfmonatige duale Thrombozytenaggregationshemmung – bestehend aus einem P2Y12-Inhibitor in Kombination mit Acetylsalicylsäure – essenziell.

Viel bewegen, den BMI senken und Statine einnehmen

Weiterhin sollten Kollegen Betroffenen ans Herz legen, ihre Lebensweise anzupassen, um ihr Ischämie- und Sterberisiko zu senken. Dazu gehört für Patienten unter 60 Jahren ein Body-Mass-Index (BMI) von 20–25 kg/m2­, für ältere einer unter 30. Auch eine ausgewogene, „mediterrane“ Ernährung und ein früh­zeitiges kardiales Rehabilitations­programm tragen zum Schutz bei.

Die Autoren raten zu einem mäßig intensiven aeroben Ausdauertraining über 10 bis 30 Minuten pro Tag bzw. wöchentlich 2,5 Stunden. Auch das kardiovaskuläre Risikoprofil muss nachhaltig verändert werden. Dazu zählt, Patienten zum Rauchstopp zu motivieren sowie Blutdruck und Diabetes einzustellen. Die britischen Kardiologen erachten Statine für alle Patienten als sinnvoll, um die Blutfettwerte im Griff zu halten.

Antikoagulation keinesfalls stoppen

Manche Herzinfarktpatienten benötigen eine antikoagulierende Therapie. Sie erfolgt meist zwischen drei bis zwölf Monaten. Bei Patienten mit Vorhofflimmern oder mechanischer Ventilprothese können Kardiologen eine Triple-Therapie in Erwägung ziehen, z.B. mit dualer Thrombozytenaggregationshemmung plus Warfarin oder einem direkten oralen Antikoagulans wie Dabigatran. Danach wird die Behandlung durch eine Antikoagulans-Monotherapie ersetzt. Die Autoren weisen auf das Blutungsrisiko hin und darauf, dass eine antithrombotische Medikation auf keinen Fall gestoppt werden sollte.

Jeder Vierte bis Fünfte ist auch seelisch lädiert

Doch auch die psychischen Leiden sind nicht zu vernachlässigen. So belastet die Ungewissheit über potenziell notwendige weitere Revaskularisationseingriffe viele Betroffene sehr. Manchmal hilft es schon, ihnen zu erklären, dass ein interdisziplinäres Board über alle kardiologischen bzw. chirurgischen Behandlungsempfehlungen entscheidet. Dennoch entwickelt jeder vierte bis fünfte Herzinfarktpatient nach der Akutbehandlung Angstsymptome oder eine Depression. Letztere führt unbehandelt zu einer erhöhten 1-Jahres-Mortalität. Eine wesentliche Aufgabe der primärärztlichen Versorgung ist es somit, psychische Störungen rechtzeitig zu erkennen und Betroffene einer Therapie zuzuführen.

Bei „unkomplizierten“ STEMI-Patienten, so das Fazit der Autoren, reicht die Betreuung durch den Hausarzt. Solange dieser die jährliche Nachsorge gewährleistet.

Quelle: Dalal F et al. BMJ 2017; 358: online first

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Ein Infarkt schockt nicht nur den Herzmuskel. Viele leiden danach unter Angst oder Depressionen. Ein Infarkt schockt nicht nur den Herzmuskel. Viele leiden danach unter Angst oder Depressionen. © Fotolia/psdesign1