Beim Infarkt ist die Luft raus

Dr. Sascha Bock

Sauerstoff erst ab einer Sättigung < 90 % verabreichen! Sauerstoff erst ab einer Sättigung < 90 % verabreichen! © fotolia/psdesign1

Das Vorgehen beim akuten Herzinfarkt ändert sich. Nachdem die Luft für die Sauerstoffgabe ohnehin immer dünner wurde, drehen Europas Experten den Hahn in bestimmten Fällen nun ganz ab.

Sauerstoffgabe reduziert die Infarktgröße und somit auch das Risiko für Komplikationen – an diesem Dogma haben schon einige kleinere Studien gerüttelt, berichtete Dr. Robin Hofmann vom Karolinska Institut in Stockholm.

Mit 6629 Patienten umfasst die von ihm und seinen Kollegen durchgeführte DETO2X-Studie sechsmal so viele Teilnehmer wie eine Cochrane-Metaanalyse zum Thema O2-Therapie bei akutem Herzinfarkt. Das Ergebnis überzeugte die europäischen Leit­linienautoren, die Sättigungsgrenze für die Indikation zur Sauerstoffgabe von 95 % auf 90 % zu senken.1

Sechsmal so viele Probanden wie ein Cochrane-Review

An der Untersuchung nahmen alle schwedischen Krankenhäuser mit einer kardiologischen Abteilung teil. Kam ein Patient mit infarkttypischen Symptomen in die Klinik und zeigte das Oxymeter einen Wert über 90 %, erfolgte eine Randomisierung mithilfe des SWEDEHEART-Registers. In diese digitale Datenbank werden 90 % aller akuten Herzinfarkte eingetragen. Neben der erforderlichen Standardbehandlung erhielt die Hälfte der Patienten im mittleren Alter von 68 Jahren eine im Mittel ca. zwölfstündige Sauerstofftherapie (6 L/min) über eine Atemmaske. Die zweite Gruppe musste sich mit der Umgebungsluft begnügen.

Gehört registerbasierten Studien die Zukunft?

Bei der DETO2X-studie handelte es sich nicht um eine Doppelblindstudie, die normalerweise als standard für Leitlinienempfehlungen herangezogen werden. Und doch hatte das Ergebnis weitreichende Folgen. professor Dr. DaviD Newby von der Universität von Edinburgh sieht deshalb schon eine Trendwende: Für ihn sind registerbasierte randomisierte studien die Zukunft, wenn es um die Implementierung einer Maßnahme in die Klinik geht. sie repräsentierten die patienten und das Vorgehen im„echten Leben“ besser als doppelblinde Analysen. Zudem könne das studiendesign aufgrund seiner Kosteneffektivität auch eingesetzt werden, um etablierte Therapien zu überprüfen.

Die Ergebnisse im Überblick:
  • In der Sauerstoffkohorte lag die Sättigung am Ende der Behandlungsphase bei 99 %, in der Kontrollgruppe bei 97 %.
  • Eine Hypoxie entwickelten 1,9 bzw. 7,7 % der Teilnehmer.
  • In beiden Gruppen hatten drei Viertel der Patienten tatsächlich einen Herzinfarkt erlitten. Das Ausmaß des Myokardschadens – gemessen anhand des hochsensitiven Tropinin T – unterschied sich allerdings nicht signifikant.
  • Die Kurven der Gesamtsterblichkeit waren über das Follow-up von einem Jahr fast deckungsgleich.
Sogar bei der gezielten Analyse von Risikopatienten (Raucher, Diabetiker etc.) fanden die Forscher keinen Vorteil der Sauerstoffgabe. Da zudem die Hospitalisierungsraten in der Nachbeobachtungszeit nicht voneinander abwichen, hält Dr. Hofmann einen klinischen Benefit bei einer Sauerstoffsättigung von über 90 % für sehr unwahrscheinlich.

1 2017 ESC Guidelines for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation. Eur heart j; online first
Quelle: Kongress der European Society of Cardiology 2017 

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Sauerstoff erst ab einer Sättigung < 90 % verabreichen! Sauerstoff erst ab einer Sättigung < 90 % verabreichen! © fotolia/psdesign1