Infektion rascher erkennen

Dr. Angelika Bischoff

Die Therapie von Mykobakterien sollte immer 
in einem spezialisierten Zentrum eingeleitet werden. Die Therapie von Mykobakterien sollte immer in einem spezialisierten Zentrum eingeleitet werden. © iStock/toeytoey2530

Husten, Dyspnoe und Sputumproduktion schreibt man gerne einer bereits bestehenden Lungenerkrankung zu. In manchen Fällen sind jedoch nicht-tuberkulöse Mykobakterien am Werk, die es zu identifizieren und gezielt zu behandeln gilt. Dafür braucht man einen langen Atem.

Man unterteilt nicht-tuberkulöse Mykobakterien (NTM) nach ihrer Wachstumsgeschwindigkeit in Kulturen in zwei Kategorien: langsam wachsende (bis zu zwölf Wochen) und schnell wachsende (innerhalb von sieben Tagen). Die genaue Identifizierung der Spezies hat Bedeutung, weil sie unterschiedliche Krankheitsbilder auslösen, schreiben Dr. Kartik Kumar vom National Heart and Lung Institute und Prof. Dr. Michael Loebinger vom Royal Brompton Hospital, beide in London. Am häufigsten isoliert wurden nach einer Erhebung über sechs Kontinente Mycobacterium avium complex (MAC), gefolgt von M. gordonae, M. xenopi, M. fortuitum, M. abscessus complex (MABC) und M. kansasii. Dabei kam MAC im nördlichen Europa häufiger vor als im südlichen. Für M. xenopi verhielt es sich umgekehrt.

Das Syndrom der Lady Windermere

Es gibt einen Phänotyp der pulmonalen NTM-Erkrankung ohne fassbare Risikofaktoren. Patienten mit einem „Lady-Windermere-Syndrom” sind typischerweise postmenopausale hochgewachsene Frauen mit niedrigem BMI. Sie weisen Deformitäten am Skelett wie eine Skoliose oder eine Trichterbrust auf und haben einen Mitralklappenprolaps in Verbindung mit nodulären bronchiektatischen Veränderungen in Lingula und Mittellappen. Genetische Untersuchungen zeigten als mögliche Ursache eine Mutation im MST1R (Macrophage Stimulating 1 Receptor), die bei Bindung an den Liganden zu einem erhöhten Ziliarschlag führt. Ein ähnlicher Phänotyp wurde auch für Männer beschrieben.

Eine Übertragung von Mensch zu Mensch findet nach bisherigen Erkenntnissen nur bei Patienten mit zystischer Fibrose statt. Die Erreger tummeln sich ansonsten weit verbreitet im Wasser und Boden. Für eine Infektion spielen Umgebungs- und Wirtsfaktoren eine Rolle. In die erste Kategorie gehören kontaminierte Sanitärnetzwerke, Bereiche mit hoher Luftfeuchtigkeit und Kontakt mit saurer bzw. feuchter Erde. Aufseiten des Wirts prädisponieren folgende Faktoren für NTM-Infektionen: 
  • Bronchiektasen
  • COPD
  • interstitielle Lungenerkrankungen
  • genetische Erkrankungen (zystische Fibrose, Alpha-1-Antitrypsinmangel) 
  • erworbene Immundefekte
  • Behandlung mit Immunsuppressiva
Zudem scheinen die gastroösophageale Refluxkrankheit, die rheumatoide Arthritis sowie ein niedriger BMI mit einem erhöhten Risiko für pulmonale NTM-Erkrankungen (NTM-PD) assoziiert zu sein. Die Symptome der pulmonalen NTM-Erkrankung sind häufig unspezifisch und oft wird die Infektion verzögert diagnostiziert, weil man etwa Husten, Sputumproduktion, Hämoptysen, Dyspnoe, Fieber und Fatigue einer vorbestehenden Lungenkrankheit zuschreibt. Die Autoren raten daher dazu, das klinische Bild immer in Zusammenhang mit Risikofaktoren und den Ergebnissen mikrobiologischer und radiologischer Untersuchungen zu betrachten. Für die Mikrobiologie sollten an mindestens drei unterschiedlichen Tagen separate Proben von frühmorgendlichem Sputum genommen werden. Aus der bronchoalveolären Lavage gewonnen genügt eine einzige Probe. Die Bestimmung der NTM-Spezies muss genau erfolgen, um festzustellen, ob das Isolat ein relevantes Pathogen darstellt und um die antibiotische Strategie festzulegen. In flüssigen Kulturmedien gedeihen die Keime besser als in festen. Die Sensitivität der Kultur lässt sich steigern, indem man beide Medien benutzt. Um eine geeignete antimikrobielle Therapie zu finden, sollte möglichst eine Empfindlichkeitstestung der Isolate erfolgen. Für Makrolide und Amikacin bei MAC- und MABC-Infektionen und Rifampicin bei einer Infektion durch M. kansasii ist eine suszeptibilitäts-basierte Therapie der empirischen überlegen. Doch auch wenn die minimale Hemmkonzentration für eine Resistenz spricht, schließt das den Einsatz des betreffenden Antibiotikums nicht grundsätzlich aus. Makrolide können zum Beispiel auch bei Makrolidresistenz wegen ihrer immunmodulatorischen Eigenschaften sinnvoll sein, sollten dann aber nicht als aktiver Bestandteil innerhalb des Therapieregimes betrachtet werden. Schwierig gestaltet sich die Behandlung von Infektionen durch multiresistente NTM. Die Autoren empfehlen, alle Patienten mit Verdacht auf eine pulmonale NTM-Erkrankung zur Thorax-CT zu schicken. Typische Befunde sind fibrokavitäre sowie nodulär-bronchiektatische Veränderungen. Den erstgenannten Phänotyp mit kleinen dünnwandigen Kavitäten meist im oberen Lappen und Pleuraverdickung beobachtet man vor allem bei älteren Männern. Der zweite Phänotyp mit Knötchen, Bronchiektasen, Bronchialwandverdickung und Schleimretentionen liegt üblicherweise bei Frauen und Patienten ohne pulmonale Vorerkrankungen vor. Die kavitäre Form der NTM-Infektion spricht meist schlechter auf die Therapie an als die nicht-kavitäre und je größer die Kavitäten, desto ungünstiger scheint das Outcome zu sein.

NTM-Spezies nach Wachstumsgeschwindigkeit unterteilen

langsam wachsend
schnell wachsend

M. avium complex (MAC) mit u.a.: 

  • M. avium
  • M. intracellulare
  • M. chimaera

M. abscessus complex – mit u.a.:

  • M. abscessus subsp. abscessus
  • M. abscessus subsp. massiliense
  • M. abscessus subsp. bolletii
M. kansasii M. chelonae
M. malmoenseM. fortuitum
M. xenopi

Das Therapieregime besteht aus mindestens drei Medikamenten. Gegen die nodulär-bronchiektatische MAC-Infektion kommen ein Makrolid, ein Rifamycin und Ethambutol zum Einsatz. Bei der kavitären Variante muss häufig ein intravenöses Aminoglykosid hinzugefügt werden, bei refraktärer MAC-Infektion eine liposomale inhalative Suspension. Die Therapie dauert mindestens zwölf Monate über den Zeitpunkt hinaus, zu dem die Kultur negativ wird. Eine MABC-Infektion behandelt man anfangs mit ein bis zwei parenteralen Antibiotika (Amikacin, Imipenem oder Tigecyclin) und zwei oralen (Makrolid, Clofazimin, Linezolid). Daran schließt sich eine Verlängerungsphase mit zwei bis drei oralen oder inhalativen Substanzen (Makrolid, Clofazimin, Linezolid, inhalatives Amikacin) an. Eingeleitet werden sollte die Therapie immer in einem spezialisierten Zentrum.

Quelle: Kumar K, Loebinger MR. CHEST 2021; DOI: 10.1016/j.chest.2021.10.003

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Die Therapie von Mykobakterien sollte immer 
in einem spezialisierten Zentrum eingeleitet werden. Die Therapie von Mykobakterien sollte immer in einem spezialisierten Zentrum eingeleitet werden. © iStock/toeytoey2530
Patienten mit einem „Lady-Windermere-Syndrom” sind typischerweise postmenopausale hochgewachsene Frauen mit niedrigem BMI. Patienten mit einem „Lady-Windermere-Syndrom” sind typischerweise postmenopausale hochgewachsene Frauen mit niedrigem BMI. © wikimedia commons/Samir