Bolletti, Massiliense und Fortuitum – Nicht-tuberkulöse Mykobakterien auf dem Vormarsch

Dr. Anja Braunwarth

Im Vietnamurlaub stürzte eine 20-Jährige mit dem Motorrad. Trotz wiederholter Eingriffe heilte die Wunde nicht ab. Auch das Spalthauttransplantat infizierte sich. Schließlich stellte man fest, dass eine Infektion mit M. fortuitum vorlag. Im Vietnamurlaub stürzte eine 20-Jährige mit dem Motorrad. Trotz wiederholter Eingriffe heilte die Wunde nicht ab. Auch das Spalthauttransplantat infizierte sich. Schließlich stellte man fest, dass eine Infektion mit M. fortuitum vorlag. © Claudia Schatz, Stabsstelle Wundmanagement, Klinikum rechts der Isar, TU München

Eine OP im Ausland kann durchaus zum bösen Erwachen führen. Denn vielerorts tummeln sich inzwischen aggressive nicht-tuberkulöse Mykobakterien, die etliche Wochen später für postoperative Infektionen sorgen.

Zwischen 1980 und 1999 betrug die Inzidenz von Haut- und Weichteilinfektionen mit nicht-tuberkulösen Mykobakterien (NTM) 0,7/10 000. In den Jahren 2000 bis 2010 stieg sie auf 2/10 000. Zudem werden die Keime resistenter, berichtete Dr. Korkut Avsar von der Lungenarztpraxis im Elisenhof in München. Die nicht-tuberkulösen Mykobakterien befallen besonders oft postoperative Wunden, gehäuft lassen sie sich nach kosmetischen Eingriffen im Ausland nachweisen.

Ein Literaturreview zeigte, dass 74 % dieser Infektionen durch schnellwachsende Mykobakterien bedingt waren. Das Tückische daran: Es vergehen etwa acht Wochen, ehe sich die Entzündung manifestiert. Das heiß, die Wunden sind eigentlich längst verheilt. „Es dauert manchmal, ehe der Zusammenhang erkannt wird“, so Dr. Avsar.

Die Keime kann man sich ubiquitär aus Boden und Wasser, also auch abseits vom OP einfangen (s. Kasten). Eine Übertragung von Mensch zu Mensch findet nicht statt. Als klassischer Auslöser postoperativer Infektionen gilt M. abscessus mit seinen Subspezies.

Hässliches Andenken aus Vietnam

Im Februar 2019 hatte die 20-Jährige im Urlaub in Vietnam einen Motorradunfall, bei dem sie sich eine tiefe Wunde am rechten Unterschenkel zuzog. Die chirurgische Erstversorgung erfolgte vor Ort, dann flog die Frau nach Hause, wie Claudia Schatz von der Stabsstelle Wundmanagement am Klinikum rechts der Isar der TU München berichtete. Wundheilungsstörungen machten zwischen Februar und Mai wiederholte Krankenhausaufenthalte nötig, Abstriche blieben aber negativ. Im Mai 2019 wurde ein Débridement mit Anlage einer Vakuum-Versiegelungstherapie, gefolgt von einer Spalthauttransplantation durchgeführt. Doch schon nach kurzer Zeit entzündete sich auch das Transplantat. Schließlich machten die Kollegen im Juli 2019 eine Stanzbiopsie und suchten in der Kultur gezielt nach Mykobakterien, mit Erfolg: Die Wunde war mit M. fortuitum infiziert. Die Patientin erhielt daraufhin zunächst eine sechswöchige Induktionstherapie mit Amikacin i.v. (25 mg/kgKG 3 x/w), Imipenem/Celastin (jeweils 2 x 0,5 g/d i.v.) und Levofloxacin (500 mg/d oral), anschließend für vier bis sechs Monate das Levofloxacin weiter plus Bedaquilin 100 mg/d oral. Begleitend wurde die Wunde lokal mit Polihexanid in Gelform, Distanzgittern sowie Saugkompressen versorgt und heilte allmählich ab.

Chirurgisches Débridement hat oberste Priorität

Höheres Alter und ein niedriger Body Mass Index sowie Immunsupression begünstigen eine Infektion. Ob die Therapie mit Biologika oder ein Vitamin-D-Mangel eine Rolle spielt, wird immer noch diskutiert. Besteht der Verdacht, dass Mykobakterien vorliegen könnten, sollte man eine PCR aus Gewebeproben, nicht aber aus Abstrichen, veranlassen (s. Kasten). Aber Achtung: Die Proben dürfen nicht mit Wasser kontaminiert werden!

Hier besteht Verdacht auf Mykobakterien

  • kein Erregernachweis in der Mikrobiologie
  • evtl. säurefeste Stäbchen in der Gewebeprobe
  • später Zeitpunkt einer postoperativen Wundinfektion
  • fistelnde Wunden
  • granulomatöse Entzündung in der Histologie

Durch das Verfahren wird schnell klar, ob nicht-tuberkulöse Mykobakterien vorliegen. Bis man weiß, welche Spezies am Werk ist, vergeht allerdings eine Weile, erklärte der Pneumologe. Er riet dazu, auf jeden Fall schon ein chirurgisches Débridement durchzuführen. Das hat oberste Priorität. Was die antibiotische Therapie angeht, empfahl er bei Nachweis des M.-abscessus-Komplex zunächst mit Imipenem (2 x 1 g i.v.) oder Cefoxitin (3 x 2 g i.v.) plus Moxifloxacin (1 x 400 mg oral) zu beginnen, bei ausgedehnter Entzündung gibt’s Moxifloxacin intravenös, ergänzt durch Amikacin (1 x 1 g i.v.).

Antibiose über 14 bis 16 Wochen erforderlich

Die Moxifloxacin-Therapie sollte über 14 Wochen laufen. Beim jeweiligen Kombi-Partner steigt man nach zwei Wochen auf geeignete orale Substanzen um (Antibiogramm!). Schwere Erkrankungen erfordern eine Therapie über sechs Monate. Gegen andere Spezies der Mykobakterien (z.B. M. bolletti, M. massiliense, M. fortuitum, M. chelonae) sieht der Standard so aus: 16 Wochen Clarithromycin/Azithromycin plus Moxifloxacin (1 x 400 mg oral). Generell kann die Beigabe von N-Acetylcystein die Behandlung unterstützen, weil seine antioxidativen Eigenschaften die Erreger im Wachsen hemmen. Trotz fehlender Evidenz setzt es Dr. Avsar erfolgreich ein.

Quelle: Wundkongress 2019

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Im Vietnamurlaub stürzte eine 20-Jährige mit dem Motorrad. Trotz wiederholter Eingriffe heilte die Wunde nicht ab. Auch das Spalthauttransplantat infizierte sich. Schließlich stellte man fest, dass eine Infektion mit M. fortuitum vorlag. Im Vietnamurlaub stürzte eine 20-Jährige mit dem Motorrad. Trotz wiederholter Eingriffe heilte die Wunde nicht ab. Auch das Spalthauttransplantat infizierte sich. Schließlich stellte man fest, dass eine Infektion mit M. fortuitum vorlag. © Claudia Schatz, Stabsstelle Wundmanagement, Klinikum rechts der Isar, TU München