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Infektionen immer behandeln!

In der Allgemeinbevölkerung lässt sich Mycoplasma genitalium nur bei 1 % der Männer und 3,3 % der Frauen nachweisen. Wahrscheinlicher ist es, das zellwandlose Bakterium bei Urethritis, Zervizitis, Endometritis und Unterleibsentzündungen (PID für Pelvic inflammation disease) anzutreffen – oder auch bei Frühgeburten, spontanen Aborten und Infertilität.
Verdacht auf PID bei Unterleibsschmerzen
Übertragen wird M. genitalium über direkten genitalen Schleimhautkontakt v.a. bei sexuellen Aktivitäten (vaginal oder anal). Die Ansteckungsgefahr scheint aber geringer zu sein als z.B. bei Chlamydien. Eine europäische Leitlinie unter Federführung von Jørgen Skov Jensen vom Statens Serum Institut in Kopenhagen gibt jetzt Empfehlungen zum Krankheitsmanagement.
Bei Frauen verlaufen 40–75 % der Infektionen asymptomatisch. Kommt es zu zervikalen oder urethralen Infektionen können vaginaler Ausfluss, Dysurie und Dranginkontinenz sowie Zwischenblutungen, postkoitale Blutungen und Menorrhagien auftreten bzw. die Infekte mukopurulent sein. Unterleibsschmerzen sollten an ein PID denken lassen. Pharyngeale und anale Infektionen sind meist symptomlos und Erstere scheinen auch eher selten zu sein. Komplikationen der Infektion sind PID mit Salpingitis und Endometritis sowie Tubenfaktor-bedingte Infertilität, Schwangerschaftskomplikationen und eine reaktive Arthritis (SARA).
Auch bei Männern ist die Infektion häufig asymptomatisch – weniger als 5 % der Infizierten in der Allgemeinbevölkerung haben Symptome – beschränkt man sich auf das Wartezimmer der STI-Sprechstunde, sind es allerdings 70 %. Bei 10–35 % einer Urethritis ohne Gonokokken- und Chlamydien-Nachweis lassen sich M. genitalium nachweisen. Typische Symptome einer Infektion beim Mann sind akute, rezidivierende oder persistierende Urethritis, Dysurie, urethraler Ausfluss, Proktitis und evtl. Balanoposthitis. Seltene Komplikationen sind die reaktive Arthritis und eine Epididymitis.
Der Nachweis erfolgt in der Regel über einen PCR-Test. Als Ausgangsmaterial dienen z.B. Erststrahlurin, Vaginalabstriche und ggf. auch rektale Abstriche. Empfohlen wird die Testung bei:
- jeder Urethritis von Männern
- mukopurulenter Zervizitis
- Zwischenblutungen oder postkoitalen Blutungen
- Dysurie unbekannter Ätiologie bei Frauen
- akuten Unterleibsschmerzen/PID
- akuter Epididymitis oder Orchitis bei unter 50-Jährigen
- Proktitis nach Ausschluss von Gonokokken und Chlamydien
Fällt der Nachweis positiv aus, schließt sich idealerweise eine Resistenztestung an, denn Makrolidresistenzen sind in Europa weit verbreitet. Außerdem empfehlen die Experten, bei den Betroffenen auch nach weiteren STIs zu schauen.
Eine Therapieindikation ist bei jedem Nachweis von M. genitalium gegeben. Grundsätzlich sollten auch die Sexualpartner untersucht, über den Erreger aufgeklärt und ggf. mit dem gleichen Antibiotikum wie der Indexpatient behandelt werden. Ungeschützter Sex bis zum Abschluss der Therapie (nach bestätigter Heilung) ist tabu.
Schwangerschaft erfordert Risikoabwägung
Als Mittel der Wahl bei unkomplizierter Infektion ohne Nachweis einer Makrolidresistenz gilt orales Azithromycin (500 mg an Tag 1, 250 mg/d an Tag 2–5) oder Josamycin (500 mg 3x tägl. über 10 Tage). Lässt sich eine Resistenz nachweisen oder versagt die Erstlinientherapie kann man auf Moxifloxacin (400 mg/d über 7 Tage) ausweichen. Es wird auch bei Komplikationen wie PID und Epididymitis empfohlen (dann über 14 Tage). Persistiert die Infektion weiterhin, stünden in der Drittlinie noch Pristinamycin (1 g 4x täglich über 10 Tage), Minocyclin (100 mg 2x täglich über 14 Tage) oder Doxycyclin (100 mg 2x tägl. über 14 Tage) zur Verfügung.
Für Schwangere wird bei unkomplizierter Infektion ohne Nachweis einer Makrolidresistenz eine fünftägige Azithromycin-Therapie empfohlen. Ein Resistenznachweis macht die Sache schwieriger: Entweder verschiebt man die Therapie bis nach der Geburt – oder es kommt in symptomatischen Fällen nach Absprache mit Spezialisten eine Therapie mit Pristinamycin infrage. Es gilt, das Schwangerschaftrisiko (Spontanabort, Frühgeburt) gegen mögliche schädigende Effekte der Antibiotika abzuwägen. Außerdem sollte beim Neugeborenen auf Anzeichen einer Transmission geachtet werden.
Aufgrund der relativ hohen Resistenzraten sollte man bei allen Patienten frühestens drei Wochen nach Abschluss der Therapie den Heilungserfolg überprüfen. Bei einem Therapieansprechen dürften die Keime zwar schon nach einer Woche nicht mehr nachweisbar sein, dennoch ist es besser zu warten, um das Risiko falsch negativer Tests (geringe Keimlast) zu minimieren.
Quelle: Jensen JS et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2022; DOI: 10.1111/jdv.17972
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