Infektionsprophylaxe bei rheumatoider Arthritis durch angepasste Immunsuppression

DGIM 2021 Dr. Sonja Kempinski

Impfungen vor Beginn der Therapie sowie Screenings auf Tuberkulose und Hepatitis senken für RA-Patienten von vornherein das Risiko schwerer Infekte. Impfungen vor Beginn der Therapie sowie Screenings auf Tuberkulose und Hepatitis senken für RA-Patienten von vornherein das Risiko schwerer Infekte. © iStock/peterschreiber.media

Die medikamentöse Therapie der rheumatoiden Arthritis ist eine ständige Gratwanderung: Zum einen muss man das Immunsystem bremsen, zum anderen schlittern manche Patienten als Folge der Immunsuppression von einem schweren Infekt in den nächsten. Augenmaß und individuelles Abwägen ist angezeigt.

Bei der Pharmakotherapie der rheumatoiden Arthritis (RA) ist es wichtig zu wissen, welche Patienten ein besonders hohes Risiko für schwere rezidivierende Infekte haben, betonte Professor Dr. ­Hanns-Martin ­Lorenz von der Sektion Rheumatologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Dabei ist zu bedenken, dass Rheumapatienten per se bereits gefährdet sind. Neben dem Alter muss man zudem Komorbiditäten im Blick haben, so der Referent und nannte als Beispiele Alkoholabhängigkeit, Leukopenie, Diabetes mellitus und chronische Lungenerkrankungen. Für die Kalkulation des individuellen Infektionsrisikos sind darüber hinaus auch krankheitsbedingte Aspekte zu berücksichtigen, etwa extraartikuläre Manifestationen und ein positiver Rheumafaktor.

Rezidivierende Infekte beim RA-Patienten – wer steckt dahinter?
ErregerImmundefekt
BakterienStörung der zellvermittelten Immunität
PilzeMykobakterien, Listeria monocytogenes, Salmonellen, Nokardien
ProtozoenHistoplasma capsulatum, Coccidoides, Cryptococcus neoformans
VirenPneumocystis jirovecii (vormals: P. ­carinii) Toxoplasmen, Strongyloides
NeutropenieZytomegalievirus, Epstein-Barr-Virus, Varicella-Zoster-Virus
Staphylococcus aureus, Streptokokken, Nokardien, E. ­coli, Klebsiella pneumoniae, Pseudomonas aeruginosaStörung der humoralen Immunantwort
Candida, AspergillenStreptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Mykobakterien

Ein Großteil des Risikos jedoch wird durch die immunsuppressive Behandlung verursacht, erinnerte der Rheumatologe. Entscheidend ist immer das Kortison: Einer Untersuchung von 2008 zufolge erhöht eine tägliche Glukokortikoiddosis unterhalb von 5 mg das Infektionsrisiko um 32 %, 6 bis 10 mg täglich steigern es um 94 %, und eine Tagesdosis von mehr als 10 mg verdreifacht die Wahrscheinlichkeit für schwere Infekte. Die herkömmlichen Basistherapeutika wie Sulfasalazin und Leflunomid tragen kaum zum Risiko bei, berichtete Prof. Lorenz, Methotrexat und Hydroxychloroquin scheinen es einigen Studien zufolge sogar zu reduzieren.

Biologika erhöhen die Infektionsrate leicht. Dabei kommt es beispielsweise bei TNF-a-Blockern vor allem zu Beginn der Therapie zu schweren Erkrankungen, erläuterte der Referent. So bricht häufig eine latente Tuberkulose aus, auch Listeriosen, Pneumocystis-Pneumonien, Histoplasmosen oder Aspergillosen. Nach acht, neun Monaten nimmt die Gefahr wieder ab.

B-Zell-gerichtete Therapien führen langfristig ebenfalls zu vermehrten schweren Infekten. Hintergrund sind die behandlungsbedingt sinkenden Immunglobulinspiegel, erklärte Prof. Lorenz. Auch unter IL-6-Inhibition kommt es zu relevanten Infekten, nicht zu vergessen die erhöhte Gefahr von Darmperforationen vor allem bei älteren Menschen. 

T-Zell-gerichtete Wirkstoffe scheinen weniger kritisch zu sein. Für besonders gefährdete Patienten, die ein Biologikum benötigen, ist ­Abatacept deshalb eine gute Wahl, meinte der Experte. Das unterstreichen auch die Ergebnisse einer 2016 veröffentlichten retrospektiven Analyse, bei der schwere Infektionen unter Biologika bei über 31 000 RA-Kranken verglichen wurden. Insgesamt lagen die Kurven eng beieinander, wie Prof. ­Lorenz zeigte. Auch in dieser Untersuchung schnitt Abatacept etwas besser ab als die anderen Biologika. Die höchsten Infektionsraten waren unter Infliximab und Rituximab zu beobachten. Januskinase-Inhibitoren erhöhen die Infektionsgefahr offenbar nur leicht und liegen damit im Bereich der Biologika. Zu beachten ist jedoch, dass JAK-Hemmer häufig einen ­Herpes ­Zoster auslösen, erinnerte Prof. ­Lorenz. 

Die Empfehlungen für die antirheumatische Therapie bei Patienten mit rezidivierenden Infekten und hoher Krankheitsaktivität fasste er folgendermaßen zusammen: 

  • eher Sulfasalazin, Low-dose-­Methotrexat oder Hydroxychloroquin einsetzen
  • Steroide möglichst meiden
  • IL-6-Inhibitoren wie ­Tocilizumab und ­Sarilumab sowie ­Rituximab und ­Infliximab besser vermeiden
  • wenn Biologika, dann Abatacept bevorzugen
  • wenn TNF-a-Blocker, dann eher Etanercept
  • evtl. JAK-Inhibitoren einsetzen 

Was lässt sich bei RA-Kranken tun, um das Infektionsrisiko von vornherein zu senken? Vor Beginn der Therapie auf Tuberkulose und Hepatitis ­screenen, empfahl Prof. ­Lorenz. Außerdem gilt es, dem Patienten sämtliche erforderlichen Impfungen zu verabreichen. Liegen die Immunglobuline unter 400 mg/dl und hat der Betroffene schon wiederholt Infekte durchgemacht, steht die Substitution mit Immunglobulinen an.

Kongressbericht: 127. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (Online-Veranstaltung)

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Impfungen vor Beginn der Therapie sowie Screenings auf Tuberkulose und Hepatitis senken für RA-Patienten von vornherein das Risiko schwerer Infekte. Impfungen vor Beginn der Therapie sowie Screenings auf Tuberkulose und Hepatitis senken für RA-Patienten von vornherein das Risiko schwerer Infekte. © iStock/peterschreiber.media