
Ist Begleitung beim Sterbefasten Sterbehilfe?
Der freiwillige Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit (FVNF) stellt eine bewusste Entscheidung dar, absichtlich den eigenen Tod herbeizuführen. Man muss ihn daher klar von Situationen abgrenzen, in denen terminal Kranke mangels Hunger oder Durst nichts mehr zu sich nehmen, betonen Professor Dr. Alfred Simon und seine Kollegin Nina Luisa Hoekstra von der Akademie für Ethik in der Medizin der Universität Göttingen.
Rechtlich besteht keine Pflicht zur Intervention
Deutsche Hausärzte begleiten Patienten offenbar öfter beim Sterbefasten, als man bisher annahm, wie aktuelle Erhebungen zeigen. Für Todkranke, die sich zum Sterben bereit fühlen und die Umstände ihres Todes bis zu einem gewissen Grad selbst kontrollieren wollen, bietet der FVNF eine Reihe von Vorteilen:
- Die selbstbestimmte Entscheidung ist – zumindest anfänglich – reversibel.
- Die Familie hat Zeit, Abschied zu nehmen.
- Der Tod gleicht einem „natürlichen Sterben“.
Rechtliche Konsequenzen müsse der begleitende Arzt nicht befürchten, entwarnen die Autoren. Bis der Tod eintritt, kann es beim FVNF allerdings ein bis drei Wochen dauern. Unabdingbare Voraussetzung ist die umfassende Aufklärung: Der Patient muss verstanden haben, dass das Fasten zum Tod führt. Zudem haben Sie sich als begleitender Arzt zu vergewissern, dass niemand den Kranken zu diesem Entschluss gedrängt hat, und dass dem Sterbewunsch keine psychische Erkrankung oder vorübergehende Stimmung zugrunde liegt.
Rechtlich und ethisch gesehen handelt es sich beim Sterbefasten um einen passiven Suizid. Haben Sie sich als Arzt von der Freiverantwortlichkeit der Entscheidung überzeugt, so erlischt Ihre Garantenpflicht zur Suizidintervention, wie es in einem strafrechtlichen Beschluss beim Deutschen Juristentag 2006 formuliert wurde.
Dokumentieren Sie die freiwillige Entscheidung
Ist die FVNF-Begleitung dennoch etwas Verbotenes – nämlich die berufsrechtlich untersagte Hilfe zur Selbsttötung? Nach Ansicht der Autoren keinesfalls, da das berufsrechtliche Verbot zur Suizidhilfe (§16 Musterberufsordnung) sich auf die Verordnung eines Medikaments zwecks Suizid oder die konkrete Anleitung zur Suizidplanung bezieht. Beim FVNF beschränkt sich der Arzt lediglich auf Basisbetreuungsmaßnahmen, wie menschliche Zuwendung, sowie das Lindern von Schmerzen, Dyspnoe und Mundtrockenheit – Tätigkeiten also, zu denen der Mediziner ohnehin verpflichtet ist.
Eine besonders wichtige Aufgabe besteht darin, den Betroffenen und seine Familie im Prozess der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Dazu dienen respektvolle Gespräche über den Todeswunsch selbst sowie über Motive, Ängste und Bedürfnisse. Palliative Versorgungs- und Entlastungsmöglichkeiten als Alternative zum Sterbefasten sollten Sie ausdrücklich darlegen.
Erläutern Sie die Alternativen, z.B. die Palliativversorgung
Über die getroffenen Entscheidungen müssen Sie natürlich weitere involvierte Personen (Kollegen, Pflegende) informieren. Unbedingt gilt es in jedem Fall, die Freiwilligkeit des Fastens in der Krankenakte zu dokumentieren.
Quelle: Alfred Simon, Nina Luisa Hoekstra, Dtsch med Wochenschr 2015; 140(14): 1100-1102; DOI: 10.1055/s-0041-102835
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