Todesengel trotzen dem Gesetz - Ärzte leisten doppelt so oft aktive Sterbehilfe wie Pfleger

Ulrike Viegener

Unter den Ärzten hatten 42 % ohne Wunsch des Patienten gehandelt. Unter den Ärzten hatten 42 % ohne Wunsch des Patienten gehandelt. © fotolia/Jamrooferpix

Aktive Sterbehilfe findet in Deutschland regelmäßig statt – und das nicht immer aufgrund einer Aufforderung, wie eine Umfrage unter Ärzten und Pflegern zeigt.

Seit Jahren wird kontrovers und mit großer Emotionalität über die aktive Sterbehilfe diskutiert. Die Liberalisierung der Gesetzgebung in anderen europäischen Ländern wie z.B. den Niederlanden hat mit dazu beigetragen, dass man auch in der Bundesrepublik eine gesetzliche Neuregelung nicht mehr ausschließt.

So steht zwar weltweit die Tötung ohne explizite Willensäußerung des Betroffenen unter Strafe. In Deutschland brechen jedoch aktuell auch Personen das Gesetz, die auf Wunsch handeln. Legal sind dagegen hierzulande passive oder indirekte Sterbehilfe in Form von palliativen Maßnahmen, die zum Tod führen.

Für welchen Weg entscheiden sich Ärzte und Pfleger in ihrem Arbeitsalltag? Professor Dr. Karl­ H. Beine­, Leiter der Klinik für Psych­iatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am St. Marien-Hospital Hamm, und Volkswirtschaftler Professor Dr. Torben­ Schubert,­ Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe, gingen dieser Frage nach. Die Wissenschaftler schrieben alle in Deutschland gelisteten Kliniken per E-Mail sowie alle im Vincentz Network eingetragenen Pflegeheime postalisch mit der Bitte um Umfrageteilnahme an.

Jeder Dritte wurde gebeten, nachzuhelfen

Aus den insgesamt 13.393 Einrichtungen beantworteten 356 Ärzte, 3121 Krankenpfleger und 1152 Altenpfleger den Fragebogen. 172 Personen gaben an, in den vorausgegangenen zwölf Monaten von intentional lebensbeendenden Maßnahmen am eigenen Arbeitsplatz gehört zu haben. 2,25 % davon waren Ärzte, 4 % Krankenpfleger und 3,4 % Altenpfleger.

Insgesamt wurden in jeder Berufsgruppe ca. 34 % bereits einmal um aktive Sterbehilfe gebeten. 3,39 % Ärzte, 1,42 % Krankenpfleger und 1,83 % Altenpfleger hatten sie schon einmal selbst durchgeführt, 26 der 77 Personen laut eigener Aussage bereits mehrfach. Ein Teilnehmer hatte sogar 100 Menschen in den Tod geführt. Von denen, die sich zu der Handlung bekannten, hatten 39,5 % (bei Medizinern 41,67 %) sie ohne explizite Bitte des Verstorbenen ausgeführt. Insgesamt leisteten Ärzte häufiger aktive Sterbehilfe als Pflegekräfte (Odds Ratio: 2,44) und Männer doppelt so oft wie Frauen.

Dunkelziffer könnte noch viel höher liegen

Die Autoren geben zu bedenken, dass auch bei anonymisierten Umfragen Menschen dazu tendieren, die sozial erwünschten Antworten zu geben, und dies das Ergebnis verzerren kann. Sie betonen, dass auf Basis ihrer Umfrage keine generalisierten Aussagen über Häufigkeit der aktiven Sterbehilfe und Verteilung innerhalb der Berufsgruppen möglich sind.

Dennoch gehen die Experten davon aus, dass in deutschen Kliniken ebenso wie in Seniorenheimen lebensbeendende Handlungen auf Verlangen, aber auch ohne explizite Willensäußerung, regelmäßig stattfinden. Das Ergebnis steht im Einklang mit Studien aus anderen Ländern wie Schweden oder Großbritannien.

Quelle: Aus der Fachliteratur
Quelle: Beine KH, Schubert T. Dtsch Med Wochenschr 2017: 142: e83-e88

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Unter den Ärzten hatten 42 % ohne Wunsch des Patienten gehandelt. Unter den Ärzten hatten 42 % ohne Wunsch des Patienten gehandelt. © fotolia/Jamrooferpix