Ivonescimab verdoppelte mPFS beim fortgeschrittenen NSCLC

WCLC 2024 Lara Sommer

Ein bispezifischer Antikörper könnte in der Erstlinie des fortgeschrittenen NSCLC das PFS signifikant verbessern. Ein bispezifischer Antikörper könnte in der Erstlinie des fortgeschrittenen NSCLC das PFS signifikant verbessern. © Papcut design – stock.adobe.com

Seit mehreren Jahren hat sich in der Erstlinie des fortgeschrittenen NSCLC ohne Treibermutation kaum etwas getan. Ein neuer bispezifischer Antikörper gegen PD1 und VEGF könnte dies bald ändern. In einer Phase-3-Studie sprach die Hälfte der PD-L1-positiven Betroffenen auf Ivonescimab an, das mediane PFS wurde gegenüber einer Pembrolizumab-Monotherapie um fünf Monate verlängert. 

Eine PD(-L)1-gerichtete Behandlung mit oder ohne Chemo bildet den Erstlinienstandard PD-L1-positiver fortgeschrittener NSCLC ohne Treibermutation, rekapitulierte Prof. Dr. Dr. Caicun Zhou, Tongji University School of Medicine, Shanghai.1 Eine Monotherapie mit Checkpointinhibitoren hat in diesem Stadium jedoch nur einen beschränkten klinischen Nutzen. In der Phase-3-Studie HARMONi-2 testeten der Experte und Kolleg:innen Ivonescimab, einen neuen bispezifischen Antikörper gegen PD1 und VEGF.

Insgesamt nahmen 398 Personen mit PD-L1-positiven NSCLC (TPS ≥ 1 %) im Stadium IIIB–IV teil, die keine EGFR-Mutation oder ALK-Alteration aufwiesen. Die Erkrankten bekamen in der Erstlinie 1:1 randomisiert alle drei Wochen entweder 20 mg/kgKG Ivonescimab oder 200 mg Pembrolizumab. „Die Mehrheit der Patient:innen waren im Stadium IV und ehemalige oder aktive Raucher:innen. 45 % hatten eine Plattenepithelhistologie, 13 % Lebermetastasen und 18 % Hirnmetastasen“, schilderte der Referent.

Das zentral und verblindet ermittelte mediane PFS fiel im Prüfarm 5,3 Monate länger aus (11,14 Monate vs. 5,82 Monate; HR 0,51; p < 0,0001). Nach neun Monaten blieben 56 % verglichen mit 40 % weiterhin progressionsfrei. „Fast alle Subgruppen von Erkrankten erhielten einen größeren PFS-Benefit durch Ivonescimab gegenüber Pembrolizumab“, ergänzte der Kollege. Dies galt u. a. unabhängig von der Stärke der PD-L1-Expression und gleichermaßen für squamöse sowie nicht-squamöse Tumoren. 50,0 % der Behandelten sprachen auf den bispezifischen Antikörper an und 38,5 % auf Pembrolizumab, die Krankheitskontrollrate lag bei 89,9 % bzw. 70,5 %. Daten zum OS sind noch nicht reif.

Laut Prof. Zhou handelt es sich um die erste randomisierte Phase-3-Studie mit einem neuen Wirkstoff, die bei fortgeschrittenen NSCLC einen klinisch signifikanten Effizienzvorteil gegenüber Pembrolizumab belegen konnte. Somit sei Ivonescimab eine neue Erstlinienoption für PD-L1-positive Betroffene in diesen Stadien ohne Treibermutation. Teilnehmende hätten die Prüfsubstanz gut toleriert, auch diejenigen mit Plattenepithelkarzinomen.

Der Diskutant Prof. Dr. Dr. John V. Heymach vom MD Anderson Cancer Center, Houston, lobte das Studiendesign, merkte aber einige Kritikpunkte an.2 Dazu zählt, dass nur Patient:innen aus China eingeschlossen wurden und dass die Verantwortlichen auch bei intermediärer PD-L1-Expression (TPS 1–49 %)eine Pembrolizumab-Monotherapie als Komparator nutzten. „Pembrolizumab ist in dieser Population zugelassen, wäre aber nicht die Behandlung der ersten Wahl für Erkrankte mit gutem Performance-Status“, schätzte der Experte ein. 

Verträglichkeit von Ivonescimab

In der Ivonescimab-Gruppe traten fast doppelt so viele behandlungsassoziierte Ereignisse vom Grad 3 oder höher auf wie in der Kontrolle (29,4 % vs. 15,6 %). Zu den VEGF-bezogenen Nebenwirkungen, die überwiegend mit dem bispezifischen Antikörper vorkamen, zählten v. a. Proteinurie und Hypertonie. Schwere Blutungen spielten hingegen kaum eine Rolle. Die Rate immunvermittelter Beschwerden schien zwischen beiden Armen nahezu identisch. Toxizitätsbedingte Behandlungsabbrüche und Todesfälle waren mit der Prüfmedikation tendenziell seltener (1,5 % vs. 3,0 %; 0,5 % vs. 1,0 %). Sowohl der Referent als auch der Diskutant halten das Nebenwirkungsprofil von Ivonescimab insgesamt für beherrschbar.

Kombinierte PD1/VEGF-Blockade

Der Onkologe zeigte sich vom Ausmaß des PFS-Vorteils überrascht, fand aber keine Hinweise darauf, dass bestimmte Subgruppen überproportional zum Erfolg beitrugen oder der Kontrollarm unerwartet schlechte Resultate erzielte. Der Nutzen bleibe über alle Subgruppen hinweg außergewöhnlich konsistent, sogar bei Leber- und Hirnmetastasen. Der Diskutant hält es für möglich, dass Ivonescimab stärker wirkt als eine Kombination getrennter Antikörper gegen PD1 und VEGF. Präklinischen Daten zufolge unterstützt VEGF eine Oligomerisierung und kooperative Bindung der Prüfsubstanz an PD1.

„Ivonescimab demonstrierte eine beeindruckende und klinisch bedeutsame Verbesserung des PFS über all diese Subgruppen hinweg“, bilanzierte Prof. Heymach, obwohl er noch auf Daten zum OS und konfirmatorische Untersuchungen außerhalb Chinas wartet. Für Erkrankte mit intermediärer PD-L1-Expression stelle eine Pembrolizumab-Monotherapie jedoch nicht die relevante Vergleichsbehandlung dar, und andere Studienkonzepte seien notwendig.

Die Evidenz aus dieser und anderen aktuellen Studien stützt aus seiner Sicht den potenziell breiten Nutzen einer kombinierten PD1/VEGF-Blockade in zahlreichen NSCLC-Subgruppen. Sollte sich dies bestätigen, könne sich in der Erstlinie nach fünf bis acht Jahren endlich wieder etwas ändern.

Quellen:
1. Zhou C et al. IASLC 2024 World Conference on Lung Cancer; PL02.04
2. Heymach J. IASLC 2024 World Conference on Lung Cancer; Discussant for PL02.04

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Ein bispezifischer Antikörper könnte in der Erstlinie des fortgeschrittenen NSCLC das PFS signifikant verbessern. Ein bispezifischer Antikörper könnte in der Erstlinie des fortgeschrittenen NSCLC das PFS signifikant verbessern. © Papcut design – stock.adobe.com