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Kahlschlag auf dem Kinderkopf

Die Alopecia areata (AA) hat eine Lebenszeitprävalenz von 2 %. Häufig beginnt die zu einem Teil genetisch bedingte Autoimmunerkrankung bereits im Kindesalter. Weil die Haarfollikelzellen verstärkt MHC- und ICAM-Oberflächenmoleküle präsentieren, kommt es zum Verlust des Immunprivilegs, erklärt Dr. Anne Teichler von der Abteilung für Pädiatrische Dermatologie am Katholischen Krankenhaus Wilhelmstift in Hamburg. Dadurch werden CD4+ und CD8+ T-Helferzellen angezogen, die im Follikelgewebe ein Absterben der Keratinozyten auslösen. In der Folge fällt das Haar an den betroffenen Körperstellen aus. Der Haarverlust verläuft prinzipiell gutartig, ist aber meist nur vorübergehend reversibel.
Nur bei jedem zehnten Kind wachsen die Haare nach
Typischerweise entstehen einzelne, multifokale oder ineinander übergehende haarlose Stellen im Bereich des Kopfes. Wimpern und Augenbrauen können mit betroffen sein. Neben rundlichen Formen treten band- oder kranzförmige Muster im Nacken und hinter den Ohren (Ophiasis) oder frontal temporal (Ophiasis inversa) auf. Auch Fälle von diffuser Ausdünnung der Haare bis hin zur vollen Glatze sind bekannt. Mädchen scheinen etwas häufiger betroffen zu sein, dafür nimmt die AA bei Jungen signifikant öfter einen schweren Verlauf.
Nahezu die Hälfte aller Patienten erlebt den regelmäßigen Wechsel zwischen schubweisem Verlust und Nachwachsen der Haare. Abhängig von Dauer und Schwere der AA ist die Spontanheilungsrate jedoch im ersten Jahr nach Krankheitsbeginn relativ hoch – zumindest bei Erwachsenen. Kinder haben dagegen wohl einen deutlich unvorhersehbareren Verlauf. Bei etwa einem Drittel weitet sich die zunächst auf einige Hautstellen begrenzte Erkrankung auf den gesamten Kopf oder kompletten Körper aus. Der sehnliche Wunsch, dass das Haar wieder nachwächst, geht nur für ein Zehntel der jungen Patienten in Erfüllung.
Im Alltag provoziert das oft bizarre Erscheinungsbild der AA traumatisierende Reaktionen: Mobbing ist bei 18 % der Grundschüler an der Tagesordnung. Das Selbstwert- und Körpergefühl der Kinder leidet, was wiederum die Eltern psychisch und pädagogisch auf die Probe stellt. Kinder und Eltern fühlen sich gleichermaßen in ihrer Lebensqualität beeinflusst. Da neben Infektionen auch emotionaler Stress als potenzieller Triggerfaktor gilt, kann sich ein Teufelskreis entwickeln.
Meist reicht die Blickdiagnose, müheloses Herausziehen einiger Haare am Rand der kahlen Stellen bestätigt den Verdacht („Zupftest“). Dermatoskopisch sind kurze und brüchige Ausrufezeichenhaare, Kadaver- und Vellushaare sowie keratingefüllte yellow dots zu erkennen. Es kommt weder zu Vernarbungen noch zu Entzündungszeichen wie Rötungen oder Schuppung, oft juckt es auch nicht. Etwa bei der Hälfte der Patienten ist die AA mit Nagelanomalien assoziiert, z.B. Tüpfelnägeln. Differenzialdiagnostisch spielt v.a. Tinea capitis eine Rolle (s. Tabelle).
Differenzialdiagnosen der Alopecia areata beim Kind | |||
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Krankheitsbild | Klinik | Entstehung | Diagnostik |
Alopecia universalis congenitalis | Verlust der kompletten Kopf- und Körperbehaarung, persistierend | genetische Prädisposition, Beginn im Säuglingsalter | Biopsie, molekulargenetische Abklärung |
kongenitale trianguläre Alopezie | meist einseitiger Haarverlust im Stirn- und Schläfenbereich, nicht progredient | Manifestation im Kleinkindalter | Zupftest negativ |
loses Anagenhaar-Syndrom | diffuse Ausdünnung, kein Längenwachstum | Manifestation im Kleinkindalter | Zupftest positiv |
Tinea capitis | Schuppung, Rötung, Pustelbildung, Lymphadenopathie, Vernarbung möglich | ausgelöst u.a. durch Kontakt mit befallenen Tieren oder Menschen | mykologische Kultur |
Trichotillomanie | unregelmäßig begrenzte schüttere Areale mit uneinheitlicher Haarlänge | zwanghaftes Zwirbeln, Reißen, Zupfen der Haare | dermatoskopisch sichtbare hämorrhagische Maculae, Zupftest negativ |
Verzweifelte greifen zu fragwürdigen Alternativen
Die Kombination aus Leidensdruck und Mangel an evidenzbasierten Therapien führt dazu, dass über 38 % der AA-Patienten schon einmal zu fragwürdigen Alternativen wie haarkräftigende und wuchsfördernde Wässerchen, Tinkturen oder Tees gegriffen haben. Diese sind in der Regel teuer und wenig effektiv. Von ärztlicher Seite sei wichtig, Kinder und Angehörige über die geringen Erfolgsaussichten aufzuklären und ihnen Zugang zu (kinder-)psychologischer Unterstützung, Selbsthilfegruppen und Bewältigungsstrategien zu eröffnen.Quelle: Teichler A. Kinder- und Jugendarzt 2021: 52: 318-322
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