
Alopeziebehandlung bei Kindern sorgsam abwägen

Um die Alopecia areata zu diagnostizieren, reicht meist ein Blick aufs Patientenhaupt. Dort fehlen Hinweise auf entzündliche Veränderungen. Da es sich um eine sogenannte nicht-vernarbende Variante der Erkrankung handelt, lassen sich unter dem Dermatoskop erhaltene Haarfollikel erkennen, z.T. mit schwarzen Rückständen oder Keratinablagerungen in den Follikelostien (Kadaverhaare oder „yellow dots“). Manchmal bleiben auch kleine, nur weniger Millimeter lange Haare erhalten, die sich zum Follikel hin verjüngen und aufgesplitterte freie Enden haben. Das sind sogenannte Ausrufezeichenhaare, schreibt Dr. Anne Teichler vom Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmsstift in Hamburg.
In der Pathogenese spielt der Verlust des Immunprivilegs der Haarfollikel eine wichtige Rolle – oft sind die Patienten auch familiär vorbelastet. Exprimiert der Haarfollikel im Rahmen der Autoimmunerkrankung vermehrt MHC*-Rezeptoren und intrazelluläre Zelladhäsionsmoleküle, wird er für die Immunzellen „sichtbar“. Werden gleichzeitig Follikelantigene präsentiert, wandern T-Lymphozyten in das intra- und perifollikuläre Gewebe ein und lösen eine Immunreaktion aus.
Steckbrief Alopecia areata
- schubweise verlaufende Autoimmunerkrankung, mit prinzipiell reversiblem Haarverlust
- einzelne Herde, Ophiasis oder vollständiger Verlust der Kopf- bzw. Körperhaare (Alopecia areata totalis bzw. universalis)
- erhaltene Haarfollikel, Ausrufezeichenhaare, Kadaverhaare, yellow dots
- nicht-vernarbend, das heißt, entzündliche Veränderungen, Schuppung oder Rötung der Kopfhaut fehlen
- Differenzialdiagnosen: Tinea capitis (Schuppung, Entzündungszeichen, Pusteln), Trichotillomanie, loses Anagenhaar-Syndrom, telogenes Effluvium
Die Haare wachsen innerhalb eines Jahres oft spontan nach
Viele Patienten leiden gleichzeitig an einer Atopie oder leichten Nagelveränderungen wie Tüpfelnägeln oder einer Trachyonychie. Bei Kindern mit Trisomie 21 tritt die Alopecia areata gehäuft auf. Angesichts der Assoziation zu Schilddrüsenerkrankungen empfiehlt die Autorin, im Labor das TSH bzw. bei Auffälligkeiten auch Schilddrüsenautoantikörper zu checken. Oft wachsen die Haare innerhalb des ersten Jahres spontan nach. Allerdings verläuft die Alopecia areata schubweise und ist insbesondere bei Kindern mit einem hohen Leidensdruck verbunden. Da eine anhaltend wirksame Therapie bislang fehlt, neigen Patienten bzw. deren Eltern dazu, auf klinisch nicht geprüfte bzw. bestätigte Behandlungen zu setzen. Die entsprechende Aufklärung über Evidenzen und Risiken steht für die Autorin daher an oberster Stelle. Vor allem, weil es sich um ein prinzipiell gutartiges Krankheitsbild handele. Den pädiatrischen Patienten kann es helfen, wenn man einen Kinderpsychologen mit ins Boot holt. Besteht der unbedingte Therapiewunsch, sind topisch Dithranol (Reiztherapie) oder kurzfristig Steroide eine Option. Letztere regen das Haarwachstum allerdings nur kurzzeitig an, von den Nebenwirkungen bei systemischer Gabe ganz zu schweigen. Diphenylcyclopropenon sollte nur bei Erwachsenen versucht werden, da es sich bei der Immunstimulation um einen experimentellen Ansatz handelt (off label!). Theoretisch wären auch Januskinaseinhibitoren bei einem schweren Verlauf denkbar – Studien zur topischen und systemischen Gabe laufen. Der Einsatz birgt aber aufgrund des benignen Krankheitsbilds auch die Gefahr einer Übertherapie.* Major Histocompatibility Complex
Quelle: Teichler A. Kinder- und Jugendarzt 2020; 51: 419-420
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).