Kampf gegen Resistenzen fängt in der Veterinärmedizin an

Friederike Klein

Antibiotika-Resistenzen verbreiten sich von Tier zu Mensch, aber auch von Mensch zu Tier. Antibiotika-Resistenzen verbreiten sich von Tier zu Mensch, aber auch von Mensch zu Tier. © iStock/t-lorien

In der Diskussion um Antibiotikaresistenzen wurde häufig mit dem Finger auf die Veterinärmedizin gezeigt. Doch dort hat sich viel getan – und EU-weit stehen bald noch strengere Regeln an.

Die in Human- und Veterinärmedizin eingesetzten Antibio­tikagruppen sind identisch. Resistenzen verbreiten sich von Tier zu Mensch, aber auch von Mensch zu Tier (s. Kasten). Beide Disziplinen müssen daher im Sinne des One-Health-Konzeptes an einem Strang ziehen, um der Resistenzentwicklung entgegenzuwirken.

In den letzten Jahren hat sich in der Tiermedizin einiges getan, erläuterte Dr. Ilka Emmerich vom veterinärmedizinischen Institut für Pharmakologie der Universität Leipzig und Vorsitzende des Ausschusses Arzneimittel- und Futtermittelrecht der Bundestierärztekammer. Seit 2000 gibt es Antibiotika-Leitlinien für Tierärzte, alle Wirkstoffe dieser Substanzklasse sind verschreibungspflichtig und die Zulassung wurde beschränkt auf metaphylaktische und therapeutische Zwecke.

Einsatz bei Masttieren geht mittlerweile zurück

Die Therapiefreiheit wurde bei der Anwendung von Antibiotika mit besonderer Bedeutung für die Humanmedizin (z.B. Fluorchinolone und Cephalosporine der dritten und vierten Generation) eingeschränkt, erläuterte sie. Seit 2018 gibt es für diese wichtigen Medikamente ein Umwidmungsverbot. Antibiotika, die nicht explizit für Rind, Schwein, Huhn, Pute, Hund oder Katze zugelassen sind, dürfen nur angewendet werden, wenn die notwendige arzneiliche Versorgung der Tiere ansonsten ernsthaft gefährdet ist. („Tierschutzvorbehalt“). Gleichzeitig hat man 2018 eine Reihe von Situationen definiert, in denen ein Antibiogramm vor Antibiotikaeinsatz Pflicht ist.

Die Resistenzen lauern überall

Niederländische Forscher stellten fest, dass veterinärmedizinisches Personal doppelt so häufig antibiotikaresistente Bakterienstämme in sich trägt wie der Rest der niederländischen Bevölkerung. „Die höhere Prävalenz ließ sich nicht durch bekannte Risikofaktoren wie die Einnahme von Antibiotika und Reisen erklären“, sagt die Erstautorin der Studie, Anouk Meijs vom National Institute for Public Health and the Environment of the Netherlands in einer Pressemitteilung. Bei jedem zehnten von insgesamt 482 untersuchten Tierärzten, Technikern und Assistenten konnte in der Stuhlprobe mindestens ein Stamm von Extended-Spectrum-Betalaktamasen produzierenden Bakterien (ESBL) oder Enterobacteriaceae mit AmpC-Beta-Laktamasen-Resistenzgenen nachgewiesen werden. Diese Erreger sind unempfindlich gegenüber Penicillinen und Cephalosporinen. Bei fast der Hälfte der Teilnehmer fiel der Test auch bei der Follow-up-Untersuchung sechs Monate später noch positiv aus. „Es scheint sehr wahrscheinlich, dass ein beruflicher Kontakt zu Tieren ein Reservoir an ESBL produzierenden Bakterien bietet“, berichtete Anouk Meijs. Beweisen könne die Untersuchung eine Übertragung durch den engen Tier-Mensch-Kontakt im veterinärmedizinischen Bereich allerdings nicht. Es ließ sich zudem keine Assoziation zu einer bestimmten Tierart herstellen, da sich der Kontakt der meisten Studienteilnehmer nicht auf eine Spezies beschränkte und von den behandelten Tieren keine Proben genommen wurden.

Quelle: Pressemitteilung European Congress of Clinical Microbiology & Infectious Diseases (ECCMID) 2021 - 23.06.2021

Von 2011 bis 2019 sank die Abgabe der Substanzen an Tierärzte in Deutschland mit einer eigenen Hausapotheke. Besonders deutlich ist der Rückgang bei den zuvor sehr häufig eingesetzten Penicillinen und Makroliden. Im Falle der seltener eingesetzten Fluorchinolone und Cephalosporine deutet sich allerdings in jüngerer Zeit wieder eine leichte Zunahme an. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern belegt Deutschland nur einen Platz im Mittelfeld. Es ist also noch Luft nach oben, betonte Tierärztin Dr. Emmerich. In Masttierbetrieben erfasst man bereits seit 2014 die Antibiotikatherapie-Häufigkeit. Tierhalter mit Verbrauch über dem Durchschnitt werden geprüft. Zu einer Reduktion des Einsatzes hat das v.a. in der Schweine- bzw. Ferkelmast geführt, während in der Geflügelmast nach kurzem Rückgang die Gabe insb. bei den Masthühnern wieder anstieg. Der Anteil kritischer Antibiotika liegt über alle Masttiere hinweg bei 8–18 %. Bei Campylobacter-Isolaten spiegelt sich das in bedenklichen Resistenzraten gegen Ciprofloxacin oder Nalidixinsäure wider. Ab 2022 wird ein europäischer Rechtsrahmen neue Maßnahmen im Kampf gegen Resistenzen mit sich bringen. Fortgeführt wird die Erfassung des Verkaufsvolumens antimikrobieller Arzneimittel. Hinzu kommt die Erfassung der angewendeten Antibiotika – bisher klafften zwischen der Anwendung und den Verkaufszahlen große Lücken. Ab 2024 werden die Daten aller Tiere unabhängig von der Nutzungsart erfasst, zunächst von Rind, Schwein, Huhn und Pute. Ab 2027 kommen Daten von allen anderen zur Nahrungsmittelerzeugung genutzten Tierarten und ab 2030 auch von Hund und Katze sowie Pelztieren hinzu. Außerdem wird es für bestimmte Substanzen einen Humanvorbehalt geben. Das bedeutet bei einer Listung des Antibiotikums nicht nur ein Umwidmungsverbot, sondern auch ein Einfuhrverbot für behandelte Tiere und Erzeugnisse tierischen Ursprungs und die Aufhebung gültiger Zulassungen. Entwickelt wurde ein System mit vier Kategorien. Kategorie A listet die Substanzen, die kritisch für die Humanmedizin sind und daher von Tierärzten möglichst vermieden werden sollten. Dr. Emmerich sah diese Kategorie relativ entspannt: Definiert wurden bislang Substanzen, die überwiegend keine Zulassung für Tiere hätten.

Neuzulassungen in der Tiermedizin Mangelware

Konfliktpotenzial bietet dagegen Kategorie B. Unter dieser stehen viele für die Tiermedizin bedeutsame Wirkstoffe, deren Gebrauch aufgrund des Risikos der Resistenzübertragung eingeschränkt werden soll. Im Gegensatz zur Liste C (Wirkstoffe bei Tieren mit Vorsicht einzusetzen) gibt es keine Alternativen für den Menschen. Dr. Emmerich hofft, dass die Zulassungen erhalten bleiben. Denn in der Veterinärmedizin hat es schon seit Jahren keine Neuzulassungen mehr gegeben. In der Liste D werden schließlich alle Antibiotika geführt, die bei Tieren vorrangig eingesetzt werden sollen.

Quelle: 61. Kongress der DGP (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin; Online- Veranstaltung)

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Antibiotika-Resistenzen verbreiten sich von Tier zu Mensch, aber auch von Mensch zu Tier. Antibiotika-Resistenzen verbreiten sich von Tier zu Mensch, aber auch von Mensch zu Tier. © iStock/t-lorien