Kardiovaskuläres Risiko bei Typ-2-Diabetes evidenzbasiert reduzieren

Dr. Karin Kreuel

Differenzierte Empfehlungen sollen das Risiko senken. Differenzierte Empfehlungen sollen das Risiko senken. © Pcess609 – stock.adobe.com

Die neuen Praxisleitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) geben differenzierte Empfehlungen zur medikamentösen Behandlung bei bestimmten Herzerkrankungen. Beispielsweise sollten alle Patient*innen mit Typ-2-Diabetes und chronischer Herzinsuffizienz unabhängig von der linksventrikulären Ejektionsfraktion (HFrEF, HFmrEF, HFpEF) zur Senkung des kardiovaskulären Sterberisikos SGLT2-Inhibitoren erhalten.

Professor Dr. Darren Keith Mc Guire, von der University of Texas in Dallas, stellte konzeptionelle Unterschiede der Leitlinien von 2023 zu denen von 2019 heraus. Dabei geht es vor allem um die kardiovaskuläre Risikoreduktion für Patient*innen mit Typ-2-Diabetes und atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankungen (ASCVD).

Ein besonderer Fokus liegt auf antidiabetischen Substanzen mit nachweislich evidenten kardiovaskulären Vorteilen bzw. entsprechender Sicherheit. Mit hoher Evidenz empfiehlt das Guideline-Gremium für Patient*innen mit Typ-2-Diabetes und ASCVD sowohl SGLT2-Inhibitoren als auch GLP1-Rezeptor­agonisten (GLP1-RA) zur Senkung des kardiovaskulären Risikos. Diese Empfehlung gilt unabhängig vom Ausgangs- oder Ziel-HbA1c und von der blutzuckersenkenden Komedikation zusätzlich zur standardmäßig verabreichten antihypertensiven, antithrombotischen und lipidsenkenden Behandlung.

In Bezug auf Menschen mit Diabetes und chronischer Herzinsuffizienz erläuterte Privatdozentin Dr. Katharina Schütt, Oberärztin am Universitätsklinikum Aachen, dass alle Menschen mit Typ-2-Diabetes bei jeder klinischen Untersuchung auf Symptome bzw. Anzeichen für Herzinsuffizienz untersucht werden sollen. Sind diese positiv und/oder das EKG auffällig, ist die Messung der Biomarker BNP/NT-proBNT angesagt, so die Kardiologin.  

Alle Endpunkte in den Studien erreicht – auch ohne Diabetes

Für die pharmakologische Therapie bei Komorbidität von Typ-2-Diabetes und chronischer Herzinsuffizienz mit HFrEF (NYHA Klasse II bis IV) gibt es mehrere Empfehlungen mit höchster Evidenz, die sich hinsichtlich der Risikoreduktion unterscheiden. Dr. Schütt betonte, dass in den Studien, die den Guidelines zugrunde liegen, alle Endpunkte auch in Abwesenheit einer Diabeteserkrankung erreicht wurden. Um das Risiko für Hospitalisierung durch Herzinsuffizienz und kardiovaskulären Tod bei Patient*innen mit Typ-2-Diabetes und HFrEF (eingeschränkte linksventrikuläre Funktion: Ejektionsfraktion < 40 %) zu reduzieren, werden SGLT2-Inhibitoren (Dapagliflozin, Empagliflozin oder Sotagliflozin) empfohlen.

Für Sacubitril/Valsartan oder einen ACE-Inhibitor sowie Betablocker und Aldosteronantagonisten (MRA) unterscheidet sich die Empfehlung in Bezug auf die Reduktion des Sterberisikos: Hier geht es um das Sterberisiko an sich, das vermindert werden kann, aber nicht um das kardiovaskuläre Sterberisiko. Ebenso wie bei der Nierenprotektion ist eine frühe Intervention ratsam, mit einer intensiven Strategie, evidenzbasierten Medikamenten (SGLT2-Inhibitoren, ARNI/ACE-Inhibitoren, Betablocker und MRA) mit schneller Auftitrierung (bis zu den durch die Studien definierten Zieldosierungen) und häufigen Kontrollen in den ersten sechs Wochen nach der Hospitalisierung (Evidenzklasse I, Level B). 

Umstellung auf Arzneien mit kardiovaskulären Vorteilen

Zur Blutzuckersenkung empfehlen die klinischen Praxisleitlinien für Patient*innen mit und ohne Herzinsuffizienz eine Umstellung von Arzneimitteln ohne nachgewiesenen kardiovaskulären Benefit oder nachgewiesener Sicherheit auf Substanzen mit evident belegten kardiovaskulären Vorteilen (Evidenzklasse I, Level C). Mit Evidenzklasse III wird die Warnung gegeben vor der Verordnung von Pioglitazon und Saxagliptin für Patient*innen mit Herzinsuffizienz bzw. entsprechender Historie aufgrund erhöhter Risiken für das Eintreten einer Herzinsuffizienz (Pioglitazon) bzw. der Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz (Saxagliptin). 

Lebensstiländerungen und individuelles Vorgehen wichtig

Während einer Fragestunde im Rahmen der ESC-Tagung war auch eine in die Guideline-Erstellung involvierte Patientin anwesend. Sie zeigte sich erfreut über die Adressierung aller Risikofaktoren und den individualisierten Ansatz. Es gebe kein für alle Erkrankten einzig gültiges Konzept. Patient*innen müssten außerdem einen aktiven Part wahrnehmen. Es gelten weiterhin Empfehlungen zur Anpassung der Ernährung und der körperlichen Aktivität, die individuell zum erkrankten Menschen passen müssen.

Die Empfehlung für Metformin bei Typ-2-Diabetes und Herzinsuffizienz bleibt bestehen (Evidenzklasse IIa, Level B). Eine antithrombotische Therapie sollte laut Professorin Bianca Rocca, Katholische Universität Rom, auf das spezielle Profil von Patient*innen mit Diabetes abgestimmt sein. In Bezug auf Vorhofflimmern wird für alle Menschen im Alter von 65 Jahren und älter ein opportunistisches Screening durch Pulsfühlen oder EKG empfohlen. Da Vorhofflimmern bei Menschen mit Diabetes früher und häufiger auftritt, empfehlen die Experten bei Patient*innen mit Diabetes, dies auch im Alter jünger als 65 Jahre durchzuführen.

Die ausführlichen spezifischen Empfehlungen dazu und u.a. auch zu PAVK, CKD und für Menschen mit Typ-1-Diabetes sind im European Heart Journal nachzulesen.

ESC Congress 2023 

Literatur:
Marx N et al. Eur Heart J 2023; 0: 1-98; doi: 10.1093/eurheartj/ehad192

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