Kleine Gefäßverschlüsse mit unklarer Relevanz

Dr. Angelika Bischoff

Gerinnungshemmung bei distaler Venenthrombose und subsegmentaler Lungenembolie teils verzichtbar. Gerinnungshemmung bei distaler Venenthrombose und subsegmentaler Lungenembolie teils verzichtbar. © fotolia/tibanna79

Isolierte distale tiefe Venenthrombosen und subsegmentale Lungenembolien zeigen oft einen selbstlimitierenden Verlauf. Die Entscheidung für oder gegen eine Antikoagulation muss individuell gefällt werden. Leitlinien helfen nur bedingt weiter.

Bis zu 60 % aller diagnostizierten tiefen Venenthrombosen (TVT)betreffen ausschließlich das distale Venensystem des Unterschenkels. Sie sind vor allem mit transienten Risikofaktoren wie Krankenhausaufenthalten, Operationen, Traumata oder Reisen assoziiert. Bei den proximalen tiefen Venenthrombosen stehen chronische Risikofaktoren wie hohes Lebensalter oder Malignome im Vordergrund. Diagnostiziert werden die distalen TVT fast nur noch sonographisch. Die Sensitivität der Ultraschalluntersuchung lag in Venographie-Vergleichsstudien bei 70 %, die Spezifität bei 94 %.

Falsch positive Befunde nicht auszuschließen

Die subsegmentale Lungenembolie fällt erst in den letzten Jahren häufiger auf, seit die Multidetektor-CT vermehrt eingesetzt wird. Nach aktuellen Daten machen Verschlüsse der subsegmentalen kleinkalibrigen Pulmonalarterien etwa 10 % aller Lungenembolien aus.

Sowohl bei der subsegmentalen Lungenembolie als auch bei der distalen Venenthrombose sind die betroffenen kleinen Gefäße manchmal schwer darstellbar. Deshalb muss man in beiden Fällen mit einem gewissen Anteil falsch positiver Befunde rechnen, schreiben Professor Dr. Peter Marschang und Professor Dr. Rudolf Kirchmair von der Medizinischen Universitätsklinik III, Innsbruck.

Obwohl nur kleine Gefäße verschlossen sind, können die Patienten unter unangenehmen Symptomen wie Waden- bzw. Thoraxschmerzen leiden. Ausschlaggebend für die Therapiebedürftigkeit ist jedoch, wie hoch das Risiko für eine Thrombus­aszension nach proximal liegt.

Entscheidend ist das Risiko einer Aszension

Mit einem Aufstieg des Thrombus in die proximalen Venen muss in etwa 10–15 % der Fälle von distalen tiefen Venenthrombosen gerechnet werden. Asymptomatische Patienten sind für einen solchen Krankheitsverlauf weniger gefährdet als symptomatische. Was die subsegmentale Lungenembolie betrifft, sind die Daten zum Risiko einer proximalen Ausdehnung bzw. Reembolisation widersprüchlich.

Bei der Entscheidung, ob eine Therapie der beiden „Minimalmanifestationen“ erforderlich ist, helfen Leitlinien nur wenig weiter. Sie enthalten zu dem Thema bestenfalls Expertenmeinungen mit geringer Evidenz, da es keine Daten aus prospektiven randomisierten Studien gibt, erklären Prof. Marschang und Prof. Kirchmair. Deshalb muss man sich an der individuellen Prognose des Patienten orientieren.

Bei der distalen Venenthrombose kann auf die in Leitlinien empfohlene Antikoagulation über drei Monate dann verzichtet werden, wenn der Patient wenig Symptome zeigt, ein hohes Blutungsrisiko aufweist oder das Risiko einer Thrombusaszension gering ist, schreiben die beiden Kollegen. Der Betroffene muss dann allerdings zu seriellen Ultraschallkontrollen erscheinen. Die meisten Patienten erhalten in der Praxis aber doch aufgrund von Symptomen – oder weil sie den Wunsch haben – eine Standard­antikoagulation.

Auch bei der subsegmentalen Lungenembolie muss nicht unbedingt eine Gerinnungshemmung erfolgen. Wenn eine proximale tiefe Venenthrombose ausgeschlossen ist und der Patient ein hohes Blutungsrisiko sowie ein geringes Rezidivrisiko hat, erscheint ein Verzicht auf die Gerinnungshemmung gerechtfertigt.

In der Praxis wird meistens doch antikoaguliert

Das gilt insbesondere dann, wenn der Verdacht besteht, dass ein falsch positiver Befund vorliegt. Bildgebende Verlaufskontrollen gehören jedoch auch bei der subsegmentalen Lungenembolie zum Programm, sofern nicht antikoaguliert wird. Tatsächlich wird aber auch die subsegmentale Lungenembolie in der Praxis meist mit Antikoagulanzien behandelt. Leitlinien geben in diesem Fall ebenfalls keine Empfehlung für die Dauer dieser Behandlung. 

Quelle: Marschang P, Kirchmair R. Z Gefäßmed 2017; 14: 5-8

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Gerinnungshemmung bei distaler Venenthrombose und subsegmentaler Lungenembolie teils verzichtbar. Gerinnungshemmung bei distaler Venenthrombose und subsegmentaler Lungenembolie teils verzichtbar. © fotolia/tibanna79