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Komplikationen im Blick
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man mittlerweile molekulare Zielstrukturen identifiziert, die therapeutisch angegangen werden können."
Historisch betrachtet, überlebte vor etwa 30 Jahren nicht einmal jeder Zwanzigste mit metastasiertem NSCLC* fünf Jahre. Heute liegen diese Werte bei 20–30 %. Das ist nicht zuletzt modernen Medikamenten wie den Tyrosinkinase-Hemmern und den Immuncheckpoint-Inhibitoren zu verdanken, schreiben Dr.Marcus Skribek vom Department of Oncology-Pathology am Karolinska-Institut in Stockholm und seine Kollegen.
Zu den Tyrosinkinase-Inhibitoren zählen Hemmer des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors (EGFR) wie Gefitinib, Erlotinib und Afatinib. In der Haut unterbrechen sie Signalwege, die in der Epidermis das Wachstum und die Migration von Keratinozyten steuern. Eine Vielzahl der damit Behandelten erlebt daher dermatologische Komplikationen. Typischerweise handelt es sich um akneartige Läsionen, aber auch Juckreiz, und abnormes Haarwachstum können auftreten. Die Veränderungen manifestieren sich vor allem im Gesicht, Hals und an der Brust. Hand- und Fußflächen dagegen bleiben meist ausgespart. Vor allem UV-Licht verstärkt diese Wirkungen –
man muss daher die Patienten auf die entsprechenden Schutzmaßnahmen hinweisen.
Generell sind diese Komplikationen selten lebensbedrohlich, stören manche Patienten aber dennoch erheblich – oft so sehr, dass sie die Therapie abbrechen. Und das wiederum führt u.U. zu riskanten Exazerbationen des Tumors.
An der ohnehin angegriffenen Lunge kann unter den Medikamenten eine interstitielle Fibrose mit Husten, erhöhter Temperatur und (verstärkter) Dyspnoe entstehen, die aber selten gefährlich wird. Häufig beobachtet man zudem Augenkomplikationen – verständlich, da Cornea und Konjunktiva von EGFR-Signalen abhängen, um Läsionen zu reparieren. Aber auch diese Probleme sind aus medizinischer Sicht selten schwerwiegend.
Höhere Enterotoxizität bei Vorbestrahlten
Von gastrointestinaler Seite her kommt es unter EGFR-Hemmern häufig zu Diarrhöen. Eine höhergradige Enterotoxizität droht vor allem vorbestrahlten Patienten, wenn das Abdomen im Strahlenfeld lag.
Zu den Tyrosinkinase-Inhibitoren zählen u.a. noch ALK-Inhibitoren wie Crizotinib oder Ceritinib, BRAF-/MEK-Hemmer wie Dabrafenib und Trametinib sowie ROS1-Inhibitoren wie Entrectinib. ALK-Inhibitoren können eine Pneumonitis, Übelkeit, Erbrechen, QT-Zeit-Verlängerungen sowie visuelle oder muskuloskelettale Probleme verursachen. BRAF-/MEK-Hemmer führen in einigen Fällen paradoxerweise zur Entwicklung sekundärer Tumoren. Zu den sonstigen typischen Nebenwirkungen gehören Leberenzym- oder Glukoseanstiege, Durchfall, Übelkeit, Hypertonie, Fatigue und Arthralgien. Unter ROS1-Inhibitoren verzeichnet man oft Dysgeusie, Obstipation, Myalgien, Diarrhö und eine milde Hepatotoxizität.
Die Basis der Wirkung von Immuncheckpoint-Inhibitoren ist das T-Zell-Priming, wenngleich die verfügbaren Substanzen an unterschiedlichen Stellen ansetzen. Von den CTLA-4**-Hemmern ist heute nur noch Ipilimumab in Kombination mit Nivolumab für das metastasierte NSCLC zugelassen. Als PD1***-Hemmer stehen Pembrolizumab und Nivolumab zur Verfügung, als PD-Ligand-1-Blocker Atezolizumab und Durvalumab. Die Nebenwirkungen sind typischerweise immunvermittelt, es kommt gehäuft zu Autoimmunreaktionen mit z.B. einer Dermatomyositis, Pneumonitis, Autoimmunhepatitis oder Hypothyreose.
Schwere Nebeneffekte nach Wochen bis Jahren
Tückisch dabei: Diese Wirkungen lassen oft auf sich warten. Meist treten sie erst Wochen, aber auch bis zu zwei Jahre nach Therapiebeginn auf (z.B. Immun-Pneumonitiden). Und im Gegensatz zu den meisten Komplikationen der Tyrosinkinase-Hemmer können sie durchaus lebensbedrohlich verlaufen, wenn man Diagnose und Therapie verpasst. Behandelt wird meist mit TNF-alpha-Hemmern oder Steroiden – sie scheinen die Überlebenszeiten der Patienten nicht zu beeinträchtigen.
Ob man bei diesen Komplikationen zunächst eine Biopsie entnehmen sollte, um echte Autoimmunerkrankungen auszuschließen, ist umstritten – die Autoren sprechen sich eher dafür aus. Leider gibt es bislang keine Marker, mit deren Hilfe sich Patienten mit erhöhtem Risiko für diese Immun-Nebenwirkungen vorab identifizieren lassen könnten.
* Non-small cell lung cancer
** cytotoxic T-lymphocyte-associated protein 4
*** Programmed cell death protein 1
Quelle: Skribek M et al. J Intern Med 2022; DOI: 10.1111/joim.13445
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