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Krankheitsübergreifender Doppelschlag

Die sichtbare Schuppenflechte ist nur die Spitze eines Eisbergs, erklärte Privatdozent Dr. Robert Sabat, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Denn es handelt sich bei der Psoriasis um eine systemische Erkrankung. Jeder vierte Betroffene leidet auch unter einer Psoriasisarthritis und kardiovaskulären Erkrankungen. Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen sowie neurologische und psychische Erkrankungen wie MS oder Depression betreffen Patienten mit Psoriasis ebenfalls häufiger als die Allgemeinbevölkerung.
Je nach Studie liegen die Prävalenzraten für die Komorbidität von MS und Psoriasis bei 0,4 bis 7,7 %, und das Risiko von Patienten mit Schuppenflechte, eine MS zu bekommen, ist gegenüber der Allgemeinbevölkerung etwa verdoppelt, berichtete Dr. Sabat.
Pathophysiologisch kommt es bei der Plaque-Psoriasis zu einer Steigerung der Keratinozytenproliferation und einer Hemmung der Keratinozytendifferenzierung. Man findet in den verhornten Plaques eine Vermehrung und Dilatation der Gefäße und eine massive Immunzellinfiltration. Als Zytokine spielen bei diesen Vorgängen unter anderem Interleukin(IL)-23, IL-17 und IL-22 eine Rolle.
Fumarsäure bei Psoriasis seit Jahrzehnten im Einsatz
Einige Risikofaktoren von Psoriasis und MS überlappen, beispielsweise Passivrauchen, Übergewicht im Adoleszentenalter, Nachtarbeit oder geringe Sonnenlichtexposition, berichtete Prof. Dr. Stefan Bittner von der Klinik für Neurologie der Universitätsmedizin Mainz. Gemeinsamkeiten sah er zudem in der Rolle von TH17-Zellen und Einzelnukleotid-Polymorphismen des IL-23-Rezeptors in der Pathogenese beider Erkrankungen.
Worauf Neurologen nur mit Neid schauen können, sind die erreichten Therapieerfolge bei der Schuppenflechte. Fumarsäure – bei Psoriasis bereits seit den 1990er-Jahren zugelassen – steht als Dimethylfumarat für die Behandlung der MS erst seit 2013 zur Verfügung, Diroximelfumarat, ein Fumarsäurepräparat der nächsten Generation, erhielt im November 2021 die Zulassung.
Mit der zunehmenden Entschlüsselung von wichtigen Signalmolekülen der Pathogenese wurden immer neue Antikörper zur Therapie der Psoriasis entwickelt, die sich direkt gegen Zytokine richten. Heute lautet das Therapieziel dank deren ausgeprägter Wirksamkeit PASI 90 – d.h. eine fast vollständige oder vollständige Klärung des Hautbildes, betonte Dr. Sabat. Die Antizytokintherapien haben zudem den Vorteil, Begleiterkrankungen immer besser mit lindern zu können – bei einem Sicherheitsprofil, das teilweise Placebo entspricht, meinte der Dermatologe. Diese Antikörper könnten teilweise auch für die MS interessant werden.
Ganz sicher gilt das nicht für die Anti-TNF-alpha-Antikörper, die gegen die Schuppenflechte ebenfalls Verwendung finden, mahnte Prof. Bittner. Eine TNF-alpha-Blockade führt zu einer erhöhten Erkrankungsaktivität bei MS und anderen demyelinisierenden Erkrankungen. Daher ist es wichtig, dass Dermatologen Patienten mit bekannter MS keine TNF-alpha-Blocker verordnen. Umgekehrt stellt eine Psoriasis aufgrund von Fallberichten und -serien eine relative Kontraindikation für eine MS-Therapie mit Interferonen, Teriflunomid und Anti-CD20-Antikörpern dar.
Besteht eine komorbide Multiple Sklerose mit moderater Krankheitsaktivität, kommen aufgrund der gut belegten Wirksamkeit für beide Erkrankungen insbesondere Fumarate infrage, gegebenenfalls noch Methotrexat und Cyclosporin. Bei hoher MS-Aktivität sieht Prof. Bittner eine Rolle für den zur Psoriasistherapie zugelassenen Anti-IL-17-Antikörper Secukinumab – auch in Kombination mit Fumarat und Methotrexat – und die für die MS-Therapie entwickelten S1P-Rezeptormodulatoren.
Für beide Prinzipien gibt es bereits erste krankheitsübergreifende Fallserien und Studien. Secukinumab hat in einer Studie zur schubförmig-remittierenden MS zwar den primären Endpunkt der Reduktion aktiver Läsionen in der Kernspintomographie knapp verfehlt. Für einige sekundäre Endpunkte wie die Zahl neuer Gadolinium-aufnehmender Herde fielen die Ergebnisse aber positiv aus und es gibt eine Reihe von unterstützenden Fallberichten, erklärte der Neurologe.
Orales Ponesimod wurde in einer Phase-2-Studie bei Patienten mit chronischer Plaque-Psoriasis getestet und wirkt zudem im Psoriasis-Mausmodell. Die Neurologen könnten sich also die IL-17-gerichtete Therapie der Schuppenflechte, die Dermatologen die S1P-Rezeptor-Modulation bei MS zunutze machen, wenn ein Patient unter beiden Erkrankungen leidet, meinte Prof. Bittner.
Kongressbericht: 94. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie – Live. Interaktiv. Digital
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