Latente Tuberkulose wird unterschätzt

Dr. Elisabeth Nolde

Über 80% der Tuberkulose-Infektionen bleiben latent. Welche Information liefern die Diagnostik? Und welche Patienten muss man behandeln?

Definiert ist eine latente Tuberkulose-Infektion als anhaltende Immunreaktion auf den Erreger M. tuberculosis. Klinisch bedeutet das: Betroffene Patienten haben einen positiven immunologischen Test, es besteht aber kein Anhalt für eine aktive Erkrankung – weder klinisch noch radiologisch oder bakteriologisch.

Es besteht also eine Tbc-Infektion ohne Tbc-Krankheit, die Erreger sind aber jederzeit reaktivierbar, erklärte Professor Dr. Martin Kohlhäufl von der Klinik Schillerhöhe, Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie.

Steigende Lebenserwartung erhöht auch Tbc-Gefahr

Solange das Immunsystem die Bakterien in Schach halten kann, bricht die Erkrankung nicht aus. Schwächelt die Abwehr hingegen, können die Erreger eine aktive Erkrankung auslösen. Etwa 5 % der latenten Infektionen gehen früh, innerhalb der der ersten zwei Jahre, in eine aktive Tuberkulose über.

Das Lebenszeitrisiko von Patienten mit latenter Tuberkulose-Infektion für eine aktive Tbc beträgt 5 bis 10 %. Nach Einschätzung von Experten wächst diese Gefahr jedoch: Zum einen liegt es daran, dass die Bevölkerung immer älter wird. Andererseits spielen der vermehrte Einsatz immunmodulatorischer Substanzen, z.B. in der Onkologie oder der Rheumatologe, sowie die steigende Zahl von Transplantationen eine Rolle.

Diabetiker zum Tuberkulose-Test

Um eine effektive Tuberkulose-Kontrolle in Niedrigprävalenzländern wie Deutschland zu gewährleisten, benötigt man Tests mit hoher Spezifität und Sensitivität für latente Infektionen, so der Pneumologe.

Der mehr als 100 Jahre alte Tuberkulin-Hauttest zeige jedoch in 30 % der Fälle falsch positive Werte. Denn das verwendete Tuberkulin kreuzreagiert stark mit Antigenen von nicht tuberkulösen Mykobakterien und BCG-Impfstämmen (M. bovis-Impfstämme, Bacille Calmette-Guérin, BCG).

Der Hauttest fällt somit nicht nur bei Patienten mit aktiver Tuberkulose positiv aus, sondern auch bei latenter Tbc-Infektion, atypischer Mykobakterieninfektion sowie BCG-Geimpften, fasst der Experte zusammen. Dies zieht überflüssige Folgediagnostik nach sich.

Welche Tests eignen sich zur Diagnose einer latenten Tuberkulose-Infektion?

  • Der Tuberkulin-Hauttest (THT) und die neu entwickelten Bluttests IGRA (In vitro T-cell-based interferon-gamma release assay) messen eine anhaltende Immunantwort, also keine latente Tuberkulose-Infektion. Somit handelt es sich um einen indirekten Hinweis, dass eine Infektion stattgefunden hat.
  • Bei klinischem oder radiologischem Verdacht auf aktive Tbc können weder THT noch IGRA eine floride Erkrankung ausschließen.
  • Jeder positive Hauttest bei Tuberkulose-Kontaktpersonen sollte per IGRA überprüft werden. Ist der IGRA negativ, handelt es sich wohl um ein falsch-positives Resultat im Tuberkulin-Hauttest (keine Indikation zur Chemoprävention).
  • Unklar ist bislang, nach welchem Zeitraum bei Personen mit Kontakt zu Tuberkulosekranken mit einer „Konversion“ im IGRA zu rechnen ist.

Neuere immunologische Bluttests dagegen bieten eine deutlich verbesserte Sensitivität und Spezifität in der Diagnostik der latenten Tuberkulose. Doch auch diese neuen „In vitro T-cell-based interferon-gamma release assays“ (IGRA) liefern nur indirekte Indizien für die latente Infektion und eignen sich nicht als Screeningtests, die man einfach mal so mitlaufen lässt, erklärte der Pneumologe. Vielmehr gelte „intention to test is intention to treat“: Wenn ein Patient getestet wird, folgt bei positivem Ergebnis eine Chemoprävention. Indiziert ist die gezielte Testung unter anderem bei:
  • Personen nach engem Kontakt (zu einem kulturell oder molekularbiologisch gesicherten Tuberkulose-Indexfall)
  • radiologischem Nachweis von Narben im Lungenparenchym (wahrscheinlich Residuen einer postprimären inaktiven Infektion, die nie antituberkulös behandelt wurde)
  • Risikogruppen, z.B. vor Einleitung einer TNF-alpha-Blocker-Therapie, HIV-positive Patienten, chronisch Niereninsuffiziente vor Beginn einer Hämodialyse, Patienten vor einer Organtransplantation, Patienten mit schweren Grunderkrankungen (Silikose, Diabetes, Lymphome), i.v.-Drogenabhängige

Chemoprävention senkt Konversionsrisiko um 90 %

Wird eine latente Tbc festgestellt, sollte – in Abhängigkeit von der klinischen Situation des Patienten – für neun Monate eine chemopräventive Behandlung erfolgen. Als Standard gilt die Isoniazid-Monotherapie, 5 mg/kgKG täglich (max. 300 mg). Experten kalkulieren, auf diese Weise eine Risikoreduktion von 90 % zu erreichen. Allerdings sind dabei Isoniazid-induzierte toxische Reaktionen der Leber (Hepatitis) zu beachten. Dieses Risiko beträgt 1 bis 5 % und nimmt im höheren Alter zu. Eine aktuelle Studie wies nach, dass eine dreimonatige Therapie mit Rifapentin und Isoniazid der längerdauernden Monotherapie sogar überlegen ist – vor allem durch eine bessere Akzeptanz bei den Patienten, so Prof. Kohlhäufl. Bevor die Kombination als Standardregime eingeführt werden kann, müssen jedoch weitere Daten zu Verträglichkeit und Interaktionspotential erhoben werden.

Quelle: 7. DGIM-Internisten-Update-Seminar, Wiesbaden, 2012

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