Lebensstil verändern, Herzrisiko verringern

Dr. Sascha Bock

Gesünder leben, etwas Gewicht verlieren und in Bewegung bleiben schützt auch das Herz. Gesünder leben, etwas Gewicht verlieren und in Bewegung bleiben schützt auch das Herz. © freshidea – stock.adobe.com

Früher oder später bekommt doch jeder Herzprobleme, so eine verbreitete Meinung. Tatsächlich würden die meisten kardiovaskulären Ereignisse mit dem richtigen Lebensstil gar nicht erst auftreten. In der Prävention setzt die Leitlinie auf Altbekanntes, versucht aber bei der Implementierung zu helfen.

Ein fittes Herz-Kreislauf-System schützt vor weit mehr als Infarkt, Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz. Ebenso treten Depressionen und kognitive Defizite seltener auf. Vielen scheint das nicht bewusst zu sein, denn es hapert nach wie vor an der Umsetzung gesundheitsfördernder Maßnahmen. Deshalb lautet ein wichtiger Appell aus der ACC/AHA*-Leitlinie zur Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen: Vorsorge geht nur gemeinsam mit dem Patienten, dessen Angehörigen und medizinischen Kollegen!

Zum einen reduziert ein teambasierter Ansatz nachweislich das Herzrisiko bei Hypertonus, Diabetes oder Hyperlipid­ämie. Zum anderen tragen gemeinsam erarbeitete Strategien dazu bei, Barrieren im Alltag zu überwinden. Schließlich beeinflussen sozio­ökonomische Faktoren sowohl Adhärenz als auch Outcome. Im Patientengespräch gilt es daher, u.a. folgende Probleme zu adressieren: mangelndes Gesundheitsbewusstsein, psychosoziale Stressoren, schlechter Zugang zu guten Lebensmitteln (Mobilität? Finzanzen?).

Bereits ab dem 20. Lebensjahr Risikofaktoren dokumentieren

Jeder Arzt sollte für den Betroffenen ein Gleichgewicht finden zwischen dem Aufwand einer präventiven Maßnahme, den individuellen Kapazitäten, diese umzusetzen, und dem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Um dieses Risiko einzuschätzen, empfehlen die Leitlinienautoren bei allen 40- bis 75-Jährigen ein Online-Tool. Bereits ab einem Alter von 20 Jahren vervollständigen Fragen nach Rauchstatus, körperlicher Aktivität etc. das Gesamtbild.

Liegt das kardiale 10-Jahres-Risiko im grenzwertig niedrigen oder mittleren Bereich (5 % bis < 20 %), ist es sinnvoll, weitere Angaben in die Entscheidung miteinzubeziehen. Dazu zählen Familienanamnese, Nierenfunktion und inflammatorische Komorbiditäten wie Psoriasis. Auch könnte ein Kalzium-Scoring der Koronarien via CT weiterhelfen, beispielsweise wenn eine Statintherapie erwogen wird.

Ganz schön unpASSend

Jüngste Untersuchungen wie ARRIVE oder ASCEND, die keinen klaren Vorteil einer kardiovaskulären Primärprävention mit ASS fanden, schlagen sich in den Leitlinienempfehlungen nieder. Bei Herz-Kreislauf-Gesunden sollte der Plättchenhemmer nicht routinemäßig verordnet werden. Ein Einsatz kommt nur für 40- bis 70-Jährige mit erhöhtem Atheroskleroserisiko infrage, sofern kein Blutungsrisiko besteht (Klasse IIb). Gibt es Anzeichen für eine Hämorrhagiegefahr, überwiegt in allen Altersklassen der Schaden einer dauerhaften ASS-Einnahme.

Vor allem eine gesunde Lebensweise beugt Atherosklerose, Schlaganfall und mehr vor. „Über 80 % aller kardiovaskulären Ereignisse ließen sich durch Lebensstiländerungen verhindern“, wird Mitautor Professor Dr. Roger S. Blumenthal, Johns Hopkins Medicine, Baltimore, in einer Pressemitteilung des ACC zitiert. Sogar unter antihypertensiver oder lipidsenkender Medikation sollte man entsprechende Maßnahmen fördern. Als wichtige Empfehlungen nennt die Leitlinie:
  • Gesunde Ernährung: Gemüse, Früchte, Nüsse, Vollkorn, Fisch, ungesättigte statt gesättigter Fettsäuren, keine Transfette, cholesterin- und salzarmes Essen, wenig verarbeitetes Fleisch, wenig gesüßte Getränke und raffinierte Kohlenhydrate.
  • Regelmäßiger Sport: mindestens 150 Minuten pro Woche mit moderater Intensität (flottes Gehen, Schwimmen, Tanzen, Radfahren) oder intensiveres Training über 75 Minuten pro Woche. Wenig Aktivität ist besser als gar keine! Und nicht zu lange Sitzen!
  • Bei Übergewicht abnehmen: Bereits 5–10 % weniger auf der Waage senken das Herzrisiko. Als „Screening“ empfiehlt sich die mindestens jährliche Messung des BMI und ggf. des Taillenumfangs.
  • Tabakverzicht: Rauchstatus regelmäßig erfragen und dokumentieren (inkl. E-Zigaretten), Pharmakotherapie und Verhaltensinterventionen kombinieren, keine E-Zigaretten als Ausstiegshilfe, Passivrauchen vermeiden.
Speziell bei Diabetes haben die Experten inzwischen die oralen Antidia­betika mit verbessertem kardiovaskulärem Outcome auf dem Schirm. Wer trotz Lebensstilmodifikation und Metformin eine glukosesenkende Therapie braucht, sollte demnach einen SGLT2-Inhibitor oder GLP1-Agonisten erhalten. Zudem dürfen Statine im Medikationsplan nicht fehlen, wenn die Stoffwechselkranken 40–75 Jahre alt sind.
Auswirkung nicht-pharmakologischer Maßnahmen auf den Blutdruck
Interventionbei Hypertonikernbei Normotensiven
Gewichtsreduktion-5 mmHg-2 bis -3 mmHg
gesunde Ernährung gemäß DASH*-11 mmHg-3 mmHg
Salzrestriktion (mind. 1 g/d weniger)-5 bis -6 mmHg-2 bis -3 mmHg
kaliumhaltige Ernährung (3,5–5 g/d)-4 bis -5 mmHg-2 mmHg
Sport-4 bis -8 mmHg-2 bis -4 mmHg
Alkoholrestriktion-4 mmHg-3 mmHg

* Dietary Approaches to Stop Hypertension

 Statingabe bei intermediärem Risiko individuell abwägen

Ohne einen begleitenden Diabetes hängt die Statingabe vom 10-Jahres-Risiko und vom LDL-Spiegel ab. Z.B. startet die primärpräventive Behandlung ab einem LDL ≥ 190 mg/dl bzw. nach individueller Abwägung bei intermediärem Risiko (≥ 7,5 % bis < 20 %). Hypertoniker profitieren immer von nicht-pharmakologischen Maßnahmen (s. Tabelle). Den Zielblutdruck unter antihypertensiver Medikation siedelt die Leitlinie gemäß der aktuellen US-Empfehlungen bei < 130/80 mmHg an.

* American College of Cardiology/American Heart Association

1. Arnett DK et al. Circulation 2019; online first
2. Pressemitteilung des ACC

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Gesünder leben, etwas Gewicht verlieren und in Bewegung bleiben schützt auch das Herz. Gesünder leben, etwas Gewicht verlieren und in Bewegung bleiben schützt auch das Herz. © freshidea – stock.adobe.com