Leber geht an die Nieren

Dr. Elke Ruchalla/Dr. Anja Braunwarth

Die dunklen Flecken im Computer­tomogramm sprechen für eine chronische Nierenerkrankung. Die dunklen Flecken im Computer­tomogramm sprechen für eine chronische Nierenerkrankung. © Science Photo Library/Anatomical Travelogue

Schwächeln bei einem Leberkranken die Nieren, denken viele zunächst an das hepatorenale Syndrom. Doch nicht immer lässt sich eine Verschlechterung der Retentionsparameter darauf zurückführen.

Ein Nachlassen der Nierenfunktion zählt zu den häufigsten Komplikationen im Gefolge hepatischer Erkrankungen. Die Inzidenz einer chronischen Niereninsuffizienz liegt bei nicht-alkoholischen Fettlebererkrankungen (NAFLD) in Studien zwischen 25 und 50 %, schreiben Dr. Florian Scurt von der Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen, Diabetologie und Endokrinologie am Universitätsklinikum Magdeburg und Kollegen. Aber nicht jede Verschlechterung der Retentionsparameter beruht auf dem klassischen hepatorenalen Syndrom (s. Kasten). 

Neues vom hepatorenalen Syndrom

Mit dem Überbegriff des hepatorenalen Syndroms (HRS) bezeichnet man progrediente und funktionelle Verschlechterungen der Nierenwerte im Zuge einer fortgeschrittenen Leberzirrhose oder eines akuten Leberversagens. Anders als beim Gros der Nierenfunktionsstörungen sind beim HRS histologisch keine wesentlichen Veränderungen zu erkennen. 2015 hat der International Club of Ascites neue diagnostische Kriterien für das HRS empfohlen, die 2019 noch einmal überarbeitet wurden:
  • HRS-AKI (HRS mit akuter Nierenschädigung; früher Typ 1): Kreatinin im Serum steigt um mehr als 0,3 mg/ml innerhalb von 48 Stunden oder um mehr als 50 % innerhalb von drei Monaten und/oder Urinausscheidung unter 0,5 ml/kgKG in mehr als sechs Stunden
  • HRS-NAKI (HRS ohne akute Nierenschädigung; früher Typ 2):
    • bei akuter Nierenerkrankung (HRS-AKD): geschätzte glomeruläre Filtrationsrate unter 60 l/min/1,73 m2, kürzer als drei Monate dauernd ohne andere Erklärung oder ein Kreatininanstieg um weniger als 50 % innerhalb von drei Monaten
    • bei chronischer Niereninsuffizienz (HRS-CKD): geschätzte glomeruläre Filtrationsrate unter 60 l/min/1,73 m2 über mehr als drei Monate ohne andere Erklärung

Diabetische Nephropathie bei hepatogenem Diabetes mellitus

Chronische Leberschäden wie die NAFLD, die nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) und die Zirrhose begünstigen die Entwicklung eines Diabetes. Tatsächlich ist die Diabetes-Nephropathie eine der häufigsten renalen Komplikationen bei Leberzirrhosepatienten. Wie genau die Assoziation zustande kommt, ließ sich bislang nicht klären. Möglicherweise kann die kranke Leber Insulin nicht mehr ausreichend abbauen, und wegen der Hyperinsulinämie reagieren die Zellen bald nicht mehr auf das Hormon. Verstärkt wird der Prozess, wenn eine portale Hypertonie dazukommt. Sie induziert eine InselzeIlhypertrophie mit anschließend vermehrter Insulinausschüttung. Das Tückische beim hepatischen Diabetes: Auf die üblichen Parameter wie erhöhte Nüchternglukosewerte und HbA1c-Konzentrationen kann man sich bei einer Leberzirrhose kaum verlassen. Das liegt u.a. am begleitenden Hypersplenismus, der die Erythrozytenlebensdauer verkürzt, sodass ein fälschlich zu geringes HbA1c gemessen wird. Beim Verdacht auf einen komorbiden Diabetes gilt daher der orale Glukosetoleranztest als diagnostischer Goldstandard. Zur antidiabetischen Therapie eignen sich bei eingeschränkter Leberfunktion unter anderem Metformin, Pioglitazon und einige SGLT2-Inhibitoren – wobei letztere bei einer glomerulären Filtrationsrate unter 25 ml/min nicht mehr ratsam sind. In fortgeschritteneren Stadien der Leberinsuffizienz bleiben meist nur Insulin oder Dapagliflozin.

Nicht-alkoholische Fettleber

Patienten mit dieser häufigsten chronischen Lebererkrankung leiden doppelt so wahrscheinlich unter einer Nierenschädigung wie Leber­gesunde, auch hierbei kennt man die genauen Gründe nicht. Als mögliche Ursachen werden eine dauerhafte Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems – z.B. durch Adipositas, metabolisches Syndrom oder einen Diabetes – sowie erhöhter oxidativer Stress durch Dysbiose, gestörte Darmbarriere und geringere hepatische Elimination diskutiert. Therapeutisch sollte der Schwerpunkt auf der NAFLD liegen mit Ernährungsumstellung (mediterrane Diät), ggf. Gewichtsabnahme und Pioglitazon.

Sekundäre IgA-Nephropathie

Die systemische Entzündung bei einer Leberzirrhose kann zur Ablagerung von Immunglobulinen in den Glomeruli führen. Klinisch hat dabei die sekundäre IgA-Nephropathie die größte Relevanz. Häufig handelt es sich um die non-proliferative Variante, die meist mild oder asymptomatisch verläuft. Kennzeichnend für die proliferative Form sind Protein­urie und Hämaturie sowie eine rasch fortschreitende Nierenfunktionseinschränkung. Die Proteinurie auf unter 1 g/d senken Die Therapie erfolgt supportiv und umfasst die Blutdruckkontrolle über Blockade des Renin-Angiotensin-Systems (optimal systolisch unter 120 mmHg). Die Kochsalzaufnahme sollte auf maximal 6 g/Tag beschränkt werden. Außerdem empfehlen die Autoren, die Proteinurie mittels ACE- oder AT-1-Blocker unter 1 g/d bzw. unter 0,8 g/g Kreatinin zu senken, eine Gewichtsreduktion und Nikotinkarenz anzustreben, sowie die Supplementierung von Vitamin D.

Virushepatitiden

Eher selten treten bei Hepatitis B und C Nierenschäden auf. Wenn doch, handelt es sich vor allem um Glomerulonephritiden durch Autoimmunphänomene. Die Behandlung der Grunderkrankung ist dann das A und O:
  • Hepatitis B: Nukleosid- und Nukleotidanaloga (Entecavir, Tenofovir-Alafenamid)
  • Hepatitis C: direkte antivirale Medikamente, je nach Genotyp etwa Glecaprevir-Pibrentasvir oder Elbasvir-Grazoprevir. Die oft begleitende Kryoglobulinämie lässt sich mit Rituximab in den Griff bekommen.

Seltene Ursachen

Ein Morbus Wilson kann die Niere in Mitleidenschaft ziehen, wenn sich auch dort Kupfer ablagert. Folge ist eine Hypophosphatämie durch geschädigte Nierentubuli mit Osteomalazie und Pseudofrakturen. Bei einer bilirubinassoziierten Tubuluszellnekrose, unabhängig von den Ursachen der erhöhten Bilirubinwerte, schädigen Gallensäuren direkt die Nierenzellen. Noch seltener führt eine Autoimmunhepatitis bzw. primär biliäre Cholangitis zu einer Glomerulonephritis, hier können Immunsuppressiva helfen. Ebenso tritt eine Obstruktion der ableitenden Harnwege nur bei circa jedem hundertsten Patienten mit Leberzirrhose auf. Dennoch sollte man sie bei entsprechendem Verdacht mittels Sonographie ausschließen.

Quelle: Scurt F et al. Z Gastroenterol 2021; 59: 560-579; DOI: 10.1055/a-1402-1502

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