Liegt es wirklich am Histamin?

Histamin ist in vielen Nahrungsmitteln enthalten. Leichte Intoxikationen treten bei Aufnahme von mehr als 100 mg auf, schwere bei etwa 1 g z.B. nach dem Verzehr von verdorbenem Thunfisch oder Makrelen. Als Unverträglichkeitsreaktionen imponieren plötzliche Hautrötungen, Juckreiz, Übelkeit und Erbrechen, Diarrhö und abdominelle Schmerzen. Auch kardiovaskuläre und Atemwegssymptome sind möglich, heißt es in der „Leitlinie zum Vorgehen bei Verdacht auf Unverträglichkeit gegenüber oral aufgenommenem Histamin“.
Ursache soll ein gestörter Katabolismus von Histamin infolge eines Mangels an Diaminoxidase sein, bewiesen werden konnte ein kausaler Zusammenhang bis dato allerdings nicht. Da die klinischen Symptome einer vermeintlichen Unverträglichkeit so vielfältig sind, ist eine breite Differenzialdiagnostik erforderlich, die u.a. neuroendokrine Tumoren, Urtikaria, gastroduodenale Ulcera, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Kohlenhydratverwertungsstörungen, Zöliakie und allergische Erkrankungen berücksichtigt.
Goldstandard zur Diagnose einer Histaminunverträglichkeit wäre theoretisch die titrierte orale Provokation mit Histamin-Dihydrochlorid, idealerweise in einem doppelblind-placebokontrollierten Prüfdesign mit prädefinierten klinischen Endpunkten. Jedoch gibt es für die tägliche Routine kein etabliertes Verfahren. Die Leitlinienautoren schlagen folgendes Vorgehen vor: Auf die ausführliche Anamnese folgt zunächst die weiterführende fachspezifische Differenzialdiagnostik. Zudem sollten die Patienten ein Symptom- und Ernährungstagebuch führen. Die Aufzeichnung der Lebensmittel, ihres Reifegrades (Käse!) bzw. der Lagerung sowie der Zubereitung hilft, die verdächtigen Nahrungsmittel einzugrenzen. Auch Abstände zwischen den Mahlzeiten und Begleitumstände sind zu notieren. So können z.B. Alkoholkonsum oder die Einnahme von ASS bzw. NSAR die Darmdurchlässigkeit beeinflussen. Medikamente wie Acetylcystein, Metamizol oder Metronidazol hemmen möglicherweise den Histaminabbau. Des Weiteren reagieren prämenstruelle Frauen empfindlicher auf das Amin. Auf Basis der so gewonnenen Erkenntnisse folgt dann die Ernährungsumstellung in drei Phasen.
1. In der 10–14 Tage dauernden Karenzphase nimmt der Patient eine gemüsebetonte Mischkost mit möglichst wenig biogenen Aminen zu sich. Die Zusammensetzung der Mahlzeiten wird verändert und folgt dem Prinzip der leichten Vollkost. Ziel ist, die Nährstoffzufuhr zu optimieren und die Beschwerden des Patienten weitestgehend zu reduzieren.
2. Es folgt die Testphase über bis zu sechs Wochen. In dieser Zeit werden die verdächtigten Lebensmittel gezielt wieder eingeführt. Man registriert die „dosisabhängig“ auftretenden Symptome – auch unter Beachtung von Begleitumständen wie Stress, Menstruation oder Medikamenteneinnahme. Ziel ist, die individuelle Histaminunverträglichkeit zu ermitteln.
3. Entsprechend der erzielten Resultate erhält der Patient individuelle Empfehlungen, wie er sich künftig ernähren soll. Ziele sind eine bedarfsdeckende Nährstoffzufuhr und eine hohe Lebensqualität.
Ist durch die Ernährungsintervention keine Besserung der Symptomatik eingetreten, muss weiter nach gastroenterologischen, neurologischen, endokrinen und psychosomatischen Ursachen geforscht werden. Hatte man dagegen Erfolg, kann man ggf. eine titrierte Provokation mit Histaminhydrochlorid durchführen, um die individuell verträgliche Dosis zu ermitteln. So gibt man z.B. in Zwei-Stunden-Abständen 0,5, 0,75 bis 1,0 mg/kg KG – das Ganze natürlich unter ärztlicher Aufsicht. Systemische Reaktionen sind zumeist durch Antihistaminika beherrschbar.
Quelle: Reese I et al. Allergo J Int 2017; 26: 72–79
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