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Lungenkrebs schlug aus

Bei der körperlichen Untersuchung fällt den Ärzten in der Notaufnahme ein makulopapulöses ekzematiformes exkoriiertes Erythem auf, das sich vor allem an Unterbauch, Gliedmaßen, Rücken und Kinn ausbreitet. Spezifische Hinweise auf eine Skabies wie beispielsweise ein Milbenkopf am Ende eines Bohrgangs sind dermatoskopisch nicht auszumachen. Es handelt sich also wahrscheinlich um einen generalisierten Juckreiz mit sekundären Läsionen aufgrund des Kratzens.
Die Labordiagnostik ergibt zudem eine starke Eosinophilie. Eine Xerose als häufigste Juckreizursache bei Senioren ist damit unwahrscheinlich. Schließlich hat der Patient weder die üblicherweise unauffälligen Laborbefunde, noch die typische trockene, rissige Haut und der Befund verschlimmert sich auch nicht durch häufiges Baden oder Kontakt mit heißem Wasser.
Atopie oder Parasiten Fehlanzeige
Eine Atopie dagegen lässt sich angesichts der Eosinophilie trotz fehlender Anamnese nicht ausschließen, ebenso wenig eine Parasitose wie die Skabies, schreiben Dr. Anita Nowogorska von der Abteilung für Innere Medizin der Universitätsklinik Lausanne und ihre Kollegen.
Um den Verdacht auszuräumen, erhält der Patient eine kombinierte topisch-orale Therapie gegen das atopische Ekzem und „ex juvantibus“ Ivermectin gegen Skabies. Beides vermag den Hautbefund kaum zu verbessern, der Juckreiz muss also eine andere Ursache haben. Auch die weitere Parasiten-Diagnostik inkl. Stuhltests auf Giardia lamblia und Entamoeba histolytica bleibt negativ, ebenso die HIV- und Hepatitis-Serologie.
Noch nicht ausgeschlossen sind damit allerdings Neoplasien solider Organe und hämatologische bzw. systemische Erkrankungen, die ebenfalls einen generalisierten Juckreiz verursachen können. Tatsächlich fördert die CT von Thorax und Abdomen Verschattungen im rechten Lungenlappen zutage. Diese entpuppen sich histologisch als pulmonales Plattenepithelkarzinom. Der Tumor hat bereits Lymphknotenmetastasen ober- und unterhalb des Zwerchfells gestreut.
Der Patient leidet also an einem paraneoplastischen Juckreiz. Deswegen wird er mit Desloratadin, Hydroxyzin, Betamethason, Doxepin und lokalen Anwendungen behandelt. Allerdings lindert eine derartige symptomatische Therapie mit Antihistaminika, Antidepressiva und topischen Wirkstoffen die Beschwerden oft nur unzureichend. Wesentlich mehr Erfolg verspricht eine Behandlung der Ursache, auch wenn sie – wie in diesem Beispiel – nur noch in palliativer Form möglich ist.
Der Patient erhält eine Chemotherapie mit Carboplatin und Gemcitabin. Drei Wochen nach der ersten Dosis verringert sich der Pruritus und verschwindet schließlich vollständig, sodass die symptomatische Therapie schrittweise ausgeschlichen werden kann.
Nicht solide Tumoren können einen erst nach Jahren jucken
Der paraneoplastische Juckreiz tritt am häufigsten bei hämatologischen Neoplasien auf: Etwa 30 % der Patienten mit M. Hodgkin, 10 % derer mit Non-Hodgkin-Lymphom und 5 % der Leukämie-Kranken leiden chronisch darunter. Außerdem quält er in fast der Hälfte (48 %) der Fälle von Polycythaemia vera, vor allem nach Wasserkontakt. Selten kann er der Entstehung eines soliden Tumors vorausgehen.
Bei myeloproliferativen Erkrankungen und kutanen T-Zell-Lymphomen werden sogar mehrjährige Abstände bis zur Manifestation des Juckreizes beobachtet. Zur Sicherheit empfehlen die Schweizer Autoren, bei Betroffenen einmal im Jahr ein großes Blutbild anzufertigen und den Thorax zu röntgen, um das Malignom frühzeitig zu erkennen.
Quelle: Nowogorska A et al. Schweizerisches Medizin-Forum 2017; 17: 556-558
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