M wie Marker und Melanom

EADV 2023 Dr. Susanne Gallus

Biomarker müssen sich auch in den klinischen Alltag integrieren lassen. Biomarker müssen sich auch in den klinischen Alltag integrieren lassen. © Justlight – stock.adobe.com

Haben Sie sich schon mal darüber Gedanken gemacht, wie in ihrem Labor der BRAF-Status bestimmt wird? Oder dass eine negative BRAF-V600E Mutation nicht bedeutet, dass keine andere BRAF-Mutation vorliegen könnte, die auf ein Ansprechen der zielgerichteten Therapie hinweist. Ein gesundes Maß an Skepsis ist bei Biomarkern wichtig, das gilt für neue, die ihnen vorgestellt werden genauso wie für Marker, die seit Jahren etabliert sind.

Biomarker lassen sich generell  drei verschiedenen Bereichen zuordnen: Diagnose, Prognose und Therapieansprechen. Beispiele für das Melanom wären S100 und Melan-A (Diagnose), Breslow-Dicke, Mitoserate und Ulzerierung (Prognose) sowie die BRAF- und NRAS-Mutationen (Therapieansprechen). Wir nutzen daher wahrscheinlich alle den ein oder anderen dieser Marker bei unseren Hautkrebspatient:innen, vermutete Prof. Dr. Marlies Wakkee vom Erasmus MC Hospital Rotterdam.

Die BRAF-Mutationen entscheiden seit Jahren darüber, ob man dem Patienten eine zielgerichtete Therapie mit BRAF/MEK-Inhibitoren anbieten kann. „Wussten Sie, dass es keinen internationalen Standard gibt, wie die BRAF-Mutation bestimmt wird?“, fragte die Dermatoonkologin in die Runde. Beispielsweise kommen verschiedene Sequenziermethoden oder ein immunohistochemischer Ansatz in Betracht. Schauen die Kolleg:innen im Labor nur nach BRAF-V600E oder überprüfen sie auch andere BRAF-Mutationen? Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit falsch negativer Ergebnisse?

Die Mitoserate ist ein Marker, bei dem die Bestimmung ebenfalls nicht eindeutig festgelegt ist. Schaut sich der Pathologe oder die Pathologin den gesamten Schnitt/das gesamte Bild an oder nur einen Ausschnitt? Und wie groß ist das Feld aus dem sich die Mitosen per mm² ermitteln? Zwar spielt der Wert in den AJCC-Kriterien inzwischen eine untergeordnete Rolle, da Breslow-Dicke und Ulzeration eine stärkere Aussagekraft haben, dennoch rät das AJCC-Epertenpanel weiterhin dazu, die Rate zu bestimmen. Der Vorgang könnte sich zukünftig über den Einsatz von KI zudem stark vereinfachen und besser standardisieren lassen, spekuliert Prof. Wakkee. Insgesamt geht sie davon aus, dass unterstützende KI-Systeme die Genauigkeit von Biomarkern verbessern werden.

Gleichzeitig kann die bisherige Biomarker-Auswahl nicht alle Fragen beantworten. Den größten klinischen Bedarf sieht die Expertin bei der Risikobewertung von dünnen Melanomen. Die Auswertung eines niederländischen Datensatzes zeigte, dass „60 % der Stadium-IV-Melanome initial als Stadium I/II diagnostiziert wurden“. Laut den Daten eines amerikanischen Programms (SEER) hatten vier von 10 Patient:innen, die aufgrund eines Melanoms sterben, ihre Diagnose in einem frühen Tumorstadium (I/II) erhalten.

Ein neuer Ansatz, der laut Prof. Wakkee eine Rolle bei der Risikostratifizierung spielen könnte, sind Genexpresssionsprofile. 2019 ließ sich zeigen, dass die Expressionsprofile von 31 Genen mit der Prognose zusammenhängen. In die Breite umsetzen konnte man den Ansatz aufgrund der verhältnismäßig geringen Sensitivität und Spezifität bisher nicht. Der Merlin-Assay beschränkte sich in seiner Pilotstudie 2020 dagegen auf acht Gene, die mit zusätzlichen Parametern kombiniert werden, um einen negativen SLNB-Befund vorherzusagen. Der negative Vorhersagewert dieses Ansatzes lag in der kleinen Testkohorte einer zweiten Studie für Melanome im Stadium T1–T3 bei 90,5 % (n = 175) und bei T1-Melanomen sogar bei 100 % (n = 11).

Auch immunohistochemisch bieten sich Möglichkeiten. Eine 2023 durchgeführte Studie unterschied die Patient:innen anhand eines prognostischen Assays aus sieben verschiedenen Biomarkern in Hochrisiko und Niedrigrisiko. Kombiniert mit den traditionellen Risikofaktoren, könnte sich dadurch besser differenzieren lassen, wenn es um Rezidivrisiko oder melanomspezifisches Überleben geht, so das Fazit von Prof. Wakkee. 

Dennoch stellt sich auch die Dermatoonkologin die Frage, wie man sich in dem wachsenden Biomarker-Dschungel zurechtfindet. Damit auseinandersetzen sollte man sich ihrer Meinung nach unbedingt. Für die Expertin gibt zwei wichtige Kriterien die ein neuer Marker erfüllen muss.

Erstens: die klinische Validität. Wie gut bzw. verlässlich trennt der Marker zwischen die einzelnen Gruppen auf? Dabei sollte man in den entsprechenden Studien insbesondere darauf achten, ob alle Gruppen gleich gesampelt wurden und auch die Handhabung der Proben zwischen den Gruppen vergleichbar war. Stammt z.B. die Kontrollgruppe aus einem Archiv, kann das für einen Bias sorgen. Die Stichprobengrößen bei Evaluierung und Validierung des Markers sind ebenfalls ein entscheidender Faktor für dessen Generalisierbarkeit. Im Idealfall haben unabhängige Wissenschaftler:innen die Ergebnisse der Validierung in Studien bestätigt. 

Zweitens: der klinische Nutzen. Wie verbessert der Marker die Versorgung der Patient:innen? Aus Studien oder Präsentationen sollte hervorgehen, was der neue Marker im Vergleich zu bisherigen Risikofaktoren beiträgt, betonte die Referentin. Ein gutes Studiendesign sei, wenn Gruppen, die verglichen werden, in Bezug auf das bekannte Risikoprofil (z.B. Breslow-Dicke, Ulzerierung) einheitlich sind. Zusätzlich muss klar sein, was der Marker für eine Relevanz hinsichtlich Morbidität und Sterblichkeit hat. Ließe sich z.B., wie es die Überlegung beim Merlin-Assay ist, eine unnötige SLNB vermeiden oder bietet er die Möglichkeit, die Sterblichkeit zu verringern

Gleichzeitig muss sich der Marker auch in den klinischen Alltag integrieren lassen. Es sollte vor dem Test klar sein: 

  • Wo liegen die exakten Grenzwerte?

  • Sind zusätzliche Untersuchungen oder eine Bildgebung nötig?

  • Was bedeutet es auf individueller Ebene, wenn der Marker jemanden als Hochrisikopatient:in ausweist? Welche Implikationen das Ergebnis hat, sollte im Vorfeld besprochen werden.

Das heißt auch, dass man sich bewusst sein muss, mit welchen Kosten für nachfolgende Untersuchungen, Therapien etc. zu rechnen ist und mit welcher psychischen Belastung ein positives Ergebnis verbunden wäre. 

Quelle: Wakkee, M. EADV Congress 2023; Vortrag „Role of tissue biomarkers in clinical decision making“, Presentation-ID D2T04.1

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