Mangelhafte Zustände trotz Normwert

Sabine Mattes

Bei Malabsorptionsstörungen, bestimmten Medikamenteneinnahmen oder Vorerkrankungen sollte Vitamin B12 vorsichtshalber oral supplementiert werden. Bei Malabsorptionsstörungen, bestimmten Medikamenteneinnahmen oder Vorerkrankungen sollte Vitamin B12 vorsichtshalber oral supplementiert werden. © bit24 – stock.adobe.com

Ein Cobalamindefizit baut sich oft über Jahre auf. Auch unter adäquater Therapie dauert es mitunter ebenso lange, bis die Symptome verschwinden. Umso wichtiger ist, es gar nicht soweit kommen zu lassen und früh auf Krankheitszeichen zu reagieren.

Gesunde Erwachsene benötigen täglich etwa 4–7 µg Vit­amin B12. Zu einem Defizit kommt es am häufigsten durch Fehl­ernährung. Besonders gefährdet sind Menschen, die vegetarisch oder vegan leben. Bei einem Cobalaminmangel trotz adäquater Zufuhr des Vitamins über das Essen muss an eine Malabsorptionsstörung gedacht werden, schreiben Prof. Dr. Bruce­ Wolffenbuttel­ vom Uniklinikum Groningen und Kollegen. Das gilt etwa für Patienten mit Typ-1-Diabetes oder bei einer Hashimoto-­Thyreoiditis. Die bekannteste Form des Vitamin-B12-Mangels ist die perniziöse Anämie (Morbus Biermer­).

Viele Ärzte meinen, dass die Mangelkrankheit stets mit einer Anämie einhergeht. Das ist ein Irrtum, betonen die Autoren. Denn nur bei weniger als 20 % der Betroffenen liegt tatsächlich eine Blutarmut vor.

Oft zeigt sich ein Cobalamindefizit in Form kognitiver, mentaler oder neurologischer Symptome:

  • geringere geistige Leistungsfähigkeit, Vergesslichkeit, Lern- und Konzentrationsprobleme, nominale Aphasien, Kopfschmerzen, insbesondere Migräne
  • Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, Depressionen, Ängste und Schlaflosigkeit, Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Psychosen
  • Parästhesien inkl. Taubheitsgefühle, Gleichgewichtsstörungen, Ataxien, Tinnitus, autonome Dysfunktion

Auch Müdigkeit, Muskelschwäche, Glossitis, Gewichtsverlust oder abdominelle Beschwerden können ein Defizit anzeigen, erläutern Prof. Wolffenbuttel und Kollegen.

Die Diagnose ist mitunter schwierig, denn sie lässt sich nicht zwangsläufig anhand der Vitamin-B12-Serumspiegel oder anderer Biomarker wie Homocystein oder Methylmalonsäure treffen. Im Allgemeinen erfordern Blutwerte < 148 pmol/l mit begleitender Symptomatik eine Therapie. Doch auch Patienten mit normalen Werten können Beschwerden haben, insbesondere dann, wenn sie bereits ein Vitamin-B12-Präparat einnehmen. In derartigen Fällen kann die probeweise Injektion des Vitamins die Situation klären helfen.

Um es gar nicht erst zum Defizit kommen zu lassen, raten die Autoren bei besonders gefährdeten Menschen zur oralen Supplementation, etwa mit Cyano­cobalamin 20–50 µg/d. Diese Empfehlung gilt auch für Patienten, die absorptionshemmende Medikamente wie Metformin und Protonenpumpenhemmer einnehmen. Ein nahrungsbedingter Mangel lässt sich mit intramuskulären Injektionen ausgleichen, z.B. mit Hydroxocobalamin 1.000 µg ein- bis zweimal pro Woche für bis zu zwei Jahre; bei abklingender Symptomatik wechselt man zu einem oralen Medikament.

Auch eine Resorptionsstörung erfordert intramuskuläre Injektionen mit patientenindividueller Dosierung. Bessern sich die Beschwerden, lassen sich die Intervalle zwischen den Spritzen verlängern. Therapieziel ist anhaltende Symptomfreiheit.

Die Gabe in den Muskel gilt als effektiv und sicher. Präparate ohne Benzylalkohol sind besser verträglich und lassen sich auch Schwangeren und Kindern verordnen. Mitunter vergehen Jahre, bis die neurologischen Symptome verschwinden. Je länger sie andauern und je größer das Defizit, desto eher bleiben Residuen.

Quelle: Wolffenbuttel BHR et al. BMJ 2023; 383: e071725; DOI: 10.1136/bmj-2022-071725

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