Medizinisches Cannabis gegen therapieresistenten Lichen-Juckreiz?

Dr. Barbara Kreutzkamp

Man verordnete der Patientin Cannabisblüten mit einem THC-Gehalt von 18 %. (Agenturfoto) Man verordnete der Patientin Cannabisblüten mit einem THC-Gehalt von 18 %. (Agenturfoto) © iStock/Nastasic

Wenn gar nichts hilft, hilft vielleicht Cannabis. Zumindest im Fall einer 60-Jährigen: Sie konnte dadurch von ihrem langjährigen Pruritus befreit werden.

Für Patienten mit sehr schwerem chronischem Pruritus gibt es bisher nur wenige zugelassene medikamentöse Therapien. Die Suche nach der geeigneten Substanz stellt oft einen langwierigen Prozess dar, der aber manchmal doch von Erfolg gekrönt ist.

Steroide, Antidepressiva und Opioide blieben wirkungslos

Das zeigt der Fall einer 60-jährigen Amerikanerin, die bereits seit zehn Jahren unter heftigem Juckreiz litt. Die dazugehörige Diagnose lautete Pruritus assoziierter sekundärer Lichen amyloidosus im Rahmen einer sklerosierenden Cholangitis. Die Grunderkrankung war zwar medikamentös eingestellt, der Pruritus erwies sich aber als behandlungsresistent. Probiert hatte die Patientin u.a. topische Steroide, Phototherapie, topisches Capsaicin, Doxepin, Naltrexon und Butorphanol-Nasenspray. Dennoch blieb der Juckreiz auf einer numerischen 10-Punkte-Skala beim Höchstwert 10.

Das Blatt wendete sich, als Ärzte eines spezialisierten dermatologischen Zentrums der Patientin medizinisches Cannabis verordneten: zweimal pro Woche zur Nacht, entweder geraucht (Tetrahydrocannabinol [THC] 18 %) oder als Tinktur sublingual (THC und Cannabinol 1:1). Bereits zehn Minuten nach dem ersten Anwendungsbeginn fiel der Juckreiz-Score von 10 auf 4. Die Behandlung wurde kontinuierlich weitergeführt. Nach 16 Monaten war der Juckreiz verschwunden und die Lebensqualität deutlich gestiegen. Als Nebenwirkung trat eine leichte Sedierung auf.

Bisher wurden moderate Antipruritus-Effekte von medizinischem Cannabis nur in wenigen Studien beschrieben. Der juckreizstillende Effekt beruht vermutlich zum Teil auf der THC-vermittelten Modulation von zentralen bzw. peripheren CB1- und CB2-Rezeptoren, wodurch die nozizeptive Schwelle steigt und die neuronale Aktivierung sowie die lokale Entzündung sinken, so die Dermatologen. Die zusätzliche Antagonisierung des TRPV1-Rezeptors, einem wichtigen Mediator des Juckreizes, wirkt der Signalweiterleitung entgegen. Zusätzlich regen Cannabinoide die Lipidproduktion in der Epidermis an.

Der Fall zeigt die Möglichkeiten von medizinischem Cannabis bei schwerem chronischem Pruritus. Individuell sollte man aber Nebenwirkungen wie neurokognitive und psychomotorische Beeinträchtigungen sowie die Entwicklung einer chronischen Bronchitis (wenn es geraucht wird) gegenüber den positiven Effekten abwägen.

Quelle: Roh YS et al. JAMA Dermatol 2021; DOI: 10.1001/jamadermatol.2021.1194

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Man verordnete der Patientin Cannabisblüten mit einem THC-Gehalt von 18 %. (Agenturfoto) Man verordnete der Patientin Cannabisblüten mit einem THC-Gehalt von 18 %. (Agenturfoto) © iStock/Nastasic