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Mehr Demenzen und Infekte durch Schlafmittel?
Um den Einfluss von Schlafmitteln auf die Infektionsrate zu klären, analysierte die US-Zulassungsbehörde FDA retrospektiv relevante Studien zu den fünf Hypnotika Zopiclon, Eszopiclon, Zaleplon, Zolpidem und Ramelteon. Dabei zeigte die Verum-Gruppe im Vergleich zum Placebo-Kollektiv ein signifikant erhöhtes Infektionsrisiko (RR 1,44). Unklar ist derzeit noch, ob die „künstliche“ Schlafproduktion das Immunsystem beeinträchtigen kann, dies müssten weitere Studien klären.
Eine kanadische Fallkontrollstudie ermittelte zudem, dass Patienten unter regelmäßiger Hypnotika-Therapie signifikant häufiger an M. Alzheimer erkranken (OR 1,51). Allerdings ist der Zusammenhang möglicherweise gerade umgekehrt, denn Schlafstörungen sind oft das erste Symptom einer Demenz und können dieser Jahre vorausgehen.
Menschen mit Schlafmitteln sind anfälliger für Infekte
Möglicherweise wurden also Demenzpatienten primär auf Insomnie behandelt, vermutet der Kollege. Zudem sprechen indirekte Daten dafür, dass Benzodiazepine eher Demenzen verhindern, indem sie z.B. exzitatorische Aminosäuren und den Cortisolspiegel reduzieren. (Exzitatorische Aminosäuren fungieren als Neurotransmitter, die durch Wechselwirkung mit Glutamatrezeptoren zur Depolarisation der postsynaptischen Membran führen.) Prospektive klinische Studien, die einen präventiven Effekt belegen könnten, fehlen jedoch bisher.
Ein weiterer Kritikpunkt am Einsatz von Hypnotika betrifft die angeblich verkürzte Lebenserwartung. Tatsächlich verstarben mit Schlafmitteln behandelte Patienten in einer großen Kohortenstudie früher als Altersgenossen ohne diese Therapie. Diese Beobachtung belegt jedoch noch keinen Kausalzusammenhang, betont Prof. Hajak. Denn erfahrungsgemäß seien ältere Menschen, die Hypnotika einnehmen, schwerer krank. Für die Praxis empfiehlt der Psychiater daher, vor jeder medikamentösen Therapie die Ursache der Schlafstörung zu eruieren, und verdeutlichte dies mit zwei Kasuistiken:
Schlafmittel führen oft zu Abhängigkeit
Ein 57-jähriger Verkäufer mit langjährigen Schlafproblemen kann nachts nur noch maximal zwei Stunden schlafen. Die Polysomnographie bestätigt die schwere Insomnie und die Anamnese liefert den Auslöser: Der Patient nimmt jeden Abend 20 mg Diazepam, 250 mg Trimipramin, 40 mg Zolpidem und 200 mg Levopromazin, dazu bei Bedarf noch Zaleplon. Um wach zu werden, greift er zu Modafinil und Bupropion.
Dieser Patient ist sicher ein Extremfall und kein Argument gegen den Einsatz von Hypnotika, betonte der Referent. Allerdings muss man v.a. bei Patienten, die viele schlafanstoßende Medikamente einnehmen, mit der Entwicklung einer Abhängigkeit rechnen und dies bei der Nutzen-Risiko-Abwehr berücksichtigen. Dem Verkäufer half ein achtwöchiger stationärer Entzug, anschließend war sein Schlafmuster normal.
Baldrian als wirksame Alternative
Ein 53-jähriger, geschiedener Labortechniker leidet seit sieben Jahren an progredienten Ein- und Durchschlafstörungen. Seit vier Wochen ist er komplett schlaflos, selbst eine „Testnacht“ mit einem starken Benzodiazepin (2 mg Flunitrazepam) kann daran nichts ändern. Schließlich bringt der Patient mit Aussagen wie „Das Gehirn wird durch Wachstrahlung entfesselt“ die Ärzte auf die richtige Diagnose. Er hat eine floride Schizophrenie, die mangels Ansprechen auf Neuroleptika mit einer Elektrokonvulsionstherapie behandelt werden muss.
Beide Fälle zeigen beispielhaft, warum sich die Therapie von Insomnien nach deren Ursache richten sollte. Auch wenn Hypnotika gewisse Risiken bergen, dürfte bei vielen Patienten der Nutzen überwiegen. Für sie steht inzwischen eine Vielzahl rational einsetzbarer Schlafpromotoren zur Verfügung. Auch Baldrian ist doppelblind untersucht und kein Placebo, erinnerte der Schlafmediziner.
Quelle: 23. Jahrestagung der Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e.V., Mainz, 2015
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