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Meningeosis neoplastica: ohne Liquor keine Diagnose

Definitionsgemäß liegt eine Meningeosis neoplastica vor, wenn sich Tumorzellen im Subarachnoidalraum ausbreiten, diffus im Liquor schwimmen und/oder sich an den Hirnhäuten absiedeln. In etwa der Hälfte der Fälle finden sich zusätzlich Metastasen im Hirnparenchym, erklärte Professor Dr. Dr. Ghazaleh Tabatabai, Ärztliche Direktorin der Neurologie am Universitätsklinikum Tübingen. Der Befall kann das Gehirn, das Rückenmark oder beide Bereiche betreffen, wobei meist eine Lokalisation dominiert.
Wann immer bei einem Tumorpatienten ein Nebeneinander topologisch verschiedener fokal-neurologischer Symptome auftritt, ist die Meningeosis neoplastica als Differenzialdiagnose in Betracht zu ziehen. Erschwert wird die Situation allerdings dadurch, dass die Symptome wenig spezifisch sind.
Verdacht auf Meningeosis
- Kopf-, Nacken-, Rückenschmerzen
- Nausea, Erbrechen
- Hirnnervenausfälle
- Sensibilitätsstörungen
- Paresen
- Blasen- und/oder Mastdarmstörungen
- radikuläre Symptome
- neurokognitive Störungen
Tumorerkrankung ist in den meisten Fällen bekannt
Prof. Tabatabai forderte, auf die Neurokognition bei Patienten mit Meningeosis neoplastica besonders zu achten, weil Defizite die Lebensqualität maßgeblich beeinflussen und sie zudem häufig behebbar sind. Die neurologische Forschung trage dem bereits Rechnung, indem sie neurokognitive Probleme als wichtige Endpunkte in klinische Studien zu Meningeosis neoplastica integriere. Bei den meisten Meningeosis-Patienten ist die primäre Tumorerkrankung bekannt. Das diagnostische Work-up umfasst neben Anamnese und klinisch-neurologischem Status die sorgfältige Medikamentenanamnese, die MRT (zerebral und spinal) sowie die Liquoruntersuchung. Als erstes ist abzuklären, ob eine Liquorzirkulationsstörung vorliegt oder sich anbahnt. Wichtig: Bildgebung alleine reicht nicht, um die Diagnose zu sichern. „Sofern keine handfesten klinischen Kontraindikationen vorliegen, ist die Liquorpunktion unverzichtbar“, sagte Prof. Tabatabai. Die Gründe für diese Einschätzung verdeutlichte sie anhand folgender Kasuistik.Cave Verwechslungsgefahr!
Radioonkologie manchmal nur eingeschränkt nutzbar
Die Entscheidung über die Therapie sollte im Tumorboard fallen unter Beteiligung aller Fachrichtungen, die in die Behandlung des Primärtumors involviert sind. Radioonkologische Verfahren stehen an erster Stelle, sind aber – speziell bei disseminiertem spinalem Befall – manchmal nur eingeschränkt nutzbar. Intrathekale Optionen lassen sich bei nicht-adhärenter Meningeosis gut nutzen, entweder repetitiv lumbal oder intraventrikulär über ein Reservoir. Prof. Tabatabai hob hervor, dass die zeitliche Abfolge von Radio-, System- und intrathekaler Therapie gut abgestimmt werden muss, um Überschneidungen zu vermeiden, welche Nebenwirkungen und Toxizitäten potenzieren könnten. Man müsse auf Zeichen eines Hirnödems bzw. einer intrazerebralen Drucksteigerung achten. Bei beginnender Hirndrucksteigerung riet Prof. Tabatabai zu Dexamethason, wobei eine Applikation pro Tag reicht, da die Halbwertzeit 36–54 Stunden beträgt. Therapeutischer Nihilismus sei keinesfalls angezeigt: „Es gibt zunehmend bessere medikamentöse Optionen mit gesteigerter Bioverfügbarkeit im ZNS“, so Prof. Tabatabai. Ein Beispiel ist das Taxanderivat ANG1005, in dem drei Paclitaxel-Moleküle mit einem Peptid gekoppelt sind, um das Konstrukt besser hirngängig zu machen. Eine offene Phase-2-Studie mit 72 Patientinnen mit Hirnmetastasen eines Mammakarzinoms, von denen 28 auch eine Leptomeningeosis zeigten, verlief ermutigend.Verlauf anhand bestimmter Kriterien beurteilen
Gleiches gilt für eine noch nicht abgeschlossene Phase-1-Studie mit intrathekaler Applikation des Checkpoint-Inhibitors Nivolumab. Deshalb sollten die Patienten an Zentren angebunden werden, die entweder selbst Studien machen oder Patienten dorthin vermitteln können. Diskutiert wird zurzeit, welche Kriterien für die Verlaufsbeurteilung herangezogen werden sollen. Die RANO*-Arbeitsgruppe hat eine Kombination von neuroradiologischen, liquorzytologischen und klinischen Parametern vorgeschlagen, die fortlaufend aktualisiert wird.* Response Assessment in Neuro-Oncology
Kongressbericht: 93. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (Online-Veranstaltung)
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