Hirnmetastasen: Per Liquor-Biopsie schneller Treibermutationen finden
Prinzipiell ist dieselbe Technologie, die bei der Liquid Biopsy zur Bestimmung von Biomarkern aus dem Blut verwendet wird, auch bei der Liquoruntersuchung anwendbar. Eine Schwierigkeit bei dieser Form der Suche nach Biomarkern von Hirn- oder leptomeningealen Metastasen stellt allerdings die Probenmenge dar.
Sanger-Sequenzierung reicht nicht aus
Bei einer Liquid Biopsy wird normalerweise ein Volumen von 5 ml peripherem Blut benötigt. Das sei bei der Liquorbeprobung sehr viel, normalerweise würden nur 0,5 bis 2 ml entnommen, erklärte Professor Dr. Markus Tiemann, Institut für Hämatopathologie, Hamburg. Deshalb werden für die „Liquor Biopsy“ Verfahren benötigt, die sensitiver sind als bei der Liquid Biopsy. Selbst wenn im Liquor keine Tumorzellen zu sehen sind, lasse sich zellfreie DNA nachweisen. Das funktioniere allerdings nicht mit einer standardmäßigen Sanger-Sequenzierung, sondern nur mit modernen Next-Generation-Sequencing-Methoden (NGS), betonte Prof. Tiemann. So kann die Hybrid-Capture-NGS auch unterschiedliche ALK- und ROS-Translokationen erkennen. Gerade Patienten mit Lungenkrebs und solchen genetischen Veränderungen haben häufig bereits bei Diagnosestellung Hirnmetastasen.
Laut dem Referenten ist die Lumbalpunktion des Liquors in der Regel ausreichend für die Liquor-Biopsie, es muss nicht hirnnah punktiert werden. Wichtig sei die Verwendung von speziellen Abnahmesystemen, bei denen der Liquor direkt in das Probenröhrchen läuft, um nicht aus einer Spritze in ein anderes System umleiten zu müssen und dabei eine Hämolyse zu riskieren. Dabei setzen alle Zellen ihre DNA frei und das Signal auf der freien Metastasen-DNA wird überlagert.
Geeignet für die Liquor-Biopsie sind Streckröhrchen oder andere Röhrchen, mit denen auch Proben für eine Liquid Biopsy abgegeben werden. Durch ein Fixativum sind Granulozyten und zellfreie DNA im Liquor darin über etwa fünf Tage stabil, die Probe kann einfach in einem gepolsterten Umschlag per Post verschickt werden. Standard-Liquor-Röhrchen sind nicht geeignet, betonte Prof. Tiemann ausdrücklich.
Eine noch weniger invasive Analyse von Hirnmetastasen-Biomarkern aus dem Blut ist trotz häufig gestörter Blut-Hirn-Schranke bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen eher nicht in Sicht. Wie der Pathologe erklärte, überlagern im Blut die systemischen Biomarker diejenigen der Hirnmetastasen. Da häufiger ein diskordantes Wachstum mit Unterschieden zwischen Primärtumor und Metastasen an verschiedenen Lokalisationen zu finden ist, sollten die Biomarker der Hirn- oder leptomeningealen Metastasen separat untersucht werden.
Dass die Liquor-Untersuchung auch prädiktiv eingesetzt werden kann, hält der Referent für möglich. Etwa um bei Krebserkrankungen mit einem hohen Risiko für Hirnmetastasen wie dem malignen Melanom oder dem Mammakarzinom Hirnmetastasen im Labor identifizieren zu können. Dazu müsse aber noch an der Sensitivität der Methoden gearbeitet werden.
Quelle: Deutscher Krebskongress 2020