Mikrobiom im Darm beeinflusst die Wirksamkeit

DGHO 2023 Dr. Claudia Schöllmann 

Mikrobielle Dysbiosen scheinen einen Einfluss auf das Ansprechen auf Immuntherapien zu haben. Mikrobielle Dysbiosen scheinen einen Einfluss auf das Ansprechen auf Immuntherapien zu haben. © Alpha Tauri 3D – stock.adobe.com

Die Immuntherapie hat das therapeutische Armamentarium bei soliden Tumoren erweitert. Zukünftige Entwicklungen umfassen tumorinfiltrierende Lymphozyten und CAR-T-Zellen. Für die Wirksamkeit ist das intestinale Mikrobioms wohl bedeutender als vielfach angenommen. 

Die Checkpoint-Inhibition, die das T-Zell-Kompartiment des Immunsystems adressiert, habe die Behandlung solider Tumorerkrankungen revolutioniert, sagte Prof. Dr. ­John B. ­Haanen, Netherlands Cancer Institute, Amsterdam.1 Inzwischen seien CPI, die derzeit überwiegend PD1 oder PD-L1 als Zielstruktur verwenden, bereits in über 40 onkologischen Indikationen zugelassen – entweder alleine, in Kombination mit Chemotherapie (NSCLC, TNBC, HNSCC) oder zusammen mit Molekülen, die den VEGF-Rezeptor adressieren (RCC, HCC, Endometriumkarzinom). Anders als Chemo und zielgerichtete Behandlung könne aus der Immuntherapie mit CPI eine Heilung resultieren, so der Experte, „sogar im metastasierten Setting und sogar bei Erkrankten mit Hirnmetastasen“.

Allerdings, betonte Prof. ­Haanen, könnten auch schwere und lang  anhaltende Nebenwirkungen autoimmuner Art auftreten. Deshalb solle die Therapie von erfahrenen Ärzt:innen durchgeführt werden.

Derzeit bestehe über die Checkpoint-Inhibition hinaus ein großes Interesse sowohl der Pharmaindustrie als auch der akademischen Community an der adoptiven Zelltherapie solider Tumoren; bisher sei allerdings noch keine einzige zugelassen, sagte Prof. ­Haanen. Aus seiner Sicht sind TIL*-Therapien für Patient:innen mit Melanom, Zervixkarzinom und NSCLC derzeit besonders Erfolg versprechend. Dabei sei entscheidend, mehr als ein Antigen als Zielstruktur zu verwenden. Doch auch für T-Zell-Rezeptor-adressierende Ansätze und CAR-T-Zellen lägen bereits frühe vielversprechende Wirksamkeitsdaten vor. Für Prof. ­Haanen zeichnet sich ab, dass zelluläre Behandlungen bei soliden Tumoren mit anderen Substanzen, etwa Vakzinen, kombiniert werden müssen, um die Effektivität zu maximieren. 

Prof. Dr. Dr. Marcel van den Brink, Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, wies darauf hin, dass im menschlichen Körper ein „multi-spezies-symbiotischer Supraorganismus“ vorliegt, bei dem rund 100 Billionen Mikroorganismen-Zellen (mit 3 Millionen Genen) mit rund 10 Billionen menschlichen Zellen (mit 23.000 Genen) in Verbindung stehen.2 Im Hinblick auf die Onkologie komme dem polymorphen Mikrobiom eine bedeutende modulatorische Funktion zu – auf das Tumorwachstum, auf inflammatorische Prozesse, auf die Immunevasion sowie auf die genomische Instabilität und Therapieresistenz. 

Speziell im Hinblick auf Immuntherapien sei eine mikrobielle Dysbiose im Darm mit schlechtem Ansprechen und erhöhter Toxizität gegenüber CAR-T-Zellen, geringer Wirksamkeit der Checkpoint-Blockade sowie einer erhöhten Komplikationsrate (GVHD) nach allogener Stammzelltransplantation (alloSZT) assoziiert. Eine Schädigung des Mikrobioms mit allen genannten Konsequenzen sei unter anderem nach Antibiotika-Gabe zu beobachten, so Prof. van den Brink.

Die Rolle der Probiotika

Ein möglicher Ansatz besteht laut Prof. van den Brink in der Applikation „rational designter Probiotika“, die derzeit klinisch geprüft würden – mit ersten Erfolg versprechenden Daten. Der Experte warnte aber nachdrücklich davor, auf übliche Probiotika-Präparate zu setzen, die von der Laienpresse oftmals unkritisch beworben würden. Diese enthielten oftmals gerade Bakterienstämme wie Entercoccus, die sich negativ auf das Immunsystem im Darm auswirkten, während protektiv wirksame Bakterien wie Blautia fehlten. Im Falle von Melanom-Patient:innen demonstrierten Forschende bereits, dass sich unter dem Einfluss dieser Probiotika ebenso wie durch eine verminderte Aufnahme von Ballaststoffen die Antitumor-Aktivität einer Immuntherapie verminderte.

Im Kontext der alloSZT gehe ein Verlust der Diversität des Mikrobioms – etwa die Dominanz von Enterococcus – mit einem schlechten Gesamtüberleben und erhöhter Mortalität einer GVHD einher. Ähnliches gelte nach Anwendung von Breitbandantibiotika wie Piperacillin/Tazobactam, Imipenem oder Meropenem. Dagegen hätten sich kommensale anaerobe Bakterien wie etwa Blautia als protektiv erwiesen. 

Auf der Suche nach den zugrunde liegenden Mechanismen ergaben Untersuchungen am Menschen und am Mausmodell, dass mikrobiomabhängige sekundäre und unkonjugierte Gallensäuren, die eine T-Zell-modulierende Aktivität aufweisen, bei der akuten GVHD reduziert sind. Zudem weise das intestinale Mikrobiom während der GVHD eine verminderte Aktivität der Gallensalz-Hydrolase auf. Ein weiterer Befund: UDCA, eine sekundäre Gallensäure und gleichzeitig ein Inhibitor des Farnesoid-X-Rezeptors, steht beim Menschen mit verminderter GVHD-assoziierter Mortalität in Zusammenhang. Diese Erkenntnisse sollen nun in therapeutische Strategien im Umfeld der ­alloSZT überführt werden (s. Kasten).    

*  tumorinfiltrierende Lymphozyten

Quelle: Kongressbericht Jahrestagung 2023 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie

1. ­Haanen JB; Jahrestagung 2023 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie; Vortrag „Immuno-Oncology from Checkpoint-Inhibitors to TIL and CAR-T Therapy“
2. ­Van den Brink M; Jahrestagung 2023 der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie; Vortrag „The Role of the Intestinal Microbiome in Cancer Immunotherapy“

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Mikrobielle Dysbiosen scheinen einen Einfluss auf das Ansprechen auf Immuntherapien zu haben. Mikrobielle Dysbiosen scheinen einen Einfluss auf das Ansprechen auf Immuntherapien zu haben. © Alpha Tauri 3D – stock.adobe.com