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Mit Kortisonsalbe oder Skalpell an die Vorhaut
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Fünften ein Rezidiv."
Eine Phimose zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Vorhaut nicht ohne Gewalt über die Eichel zurückziehen lässt. Dabei unterscheidet man zwei Formen: die primäre und die sekundäre. Eine primäre Phimose liegt vor, wenn die physiologische Vorhautverengung über das Ende der Pubertät hinaus bestehen bleibt. Eine sekundäre, erworbene Phimose entsteht dagegen aufgrund von lokalen Entzündungen, z.B. bei rezidivierenden Infektionen oder nach traumatischen Retraktionsversuchen. In bis zu 80 % der Fälle soll zudem der Lichen sclerosus für die sekundäre Phimose verantwortlich sein, schreiben die Autoren der aktuellen S2k-Leitlinie unter Federführung von Prof. Dr. Maximilian Stehr von der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie in Berlin.
Diagnostiziert wird die Phimose mittels ausführlicher Anamnese und einer behutsamen körperlichen Untersuchung. Erfragt werden sollten aktuelle und vorangegangene Beschwerden, vor allem
- Schmerzen beim Wasserlassen oder bei der Erektion
- Ballonierung der Vorhaut während der Miktion
- Dauer der Beschwerden
- Manipulationen an der Vorhaut, Paraphimose (siehe Kasten)
- Harnwegsinfekte
Bei der Inspektion von Penis, Glans und Vorhaut ist besonders darauf zu achten, ob sich Narben im Vorhautbereich ausgebildet haben und wie lang die Enge ist (nur im distalen Bereich oder langstreckig). Für einen Lichen sclerosus im Frühstadium spricht eine gerötete und leicht geschwollene Vorhaut, subjektive Beschwerden bestehen kaum. Im Verlauf treten dann Plaques, weißliche Vernarbungen und schließlich eine sklerotische Stenose auf.
Phimose in Zahlen
- Die Inzidenz der primären Phimose bei Jugendlichen liegt zwischen 0,6 und 1,5 %.
- Bei 96 % der Jungen sind bei Geburt Vorhaut und Eichel noch fest miteinander verbunden.
- Im Alter von 7 Jahren können 50 % der Jungen die Vorhaut weitgehend zurückstreifen.
- Im Alter von 13 Jahren liegt noch bei etwa 8 % der Jungen eine physiologische Phimose vor.
- Verlässliche Zahlen zur Inzidenz der sekundären Phimose gibt es nicht.
- Als Hauptursache für die sekundäre Phimose gilt der Lichen sclerosus, der Jungen und Mädchen etwa gleichermaßen oft betrifft.
- Die Inzidenz des Lichen sclerosus im Kindesalter wird auf 0,3–1% geschätzt, der Häufigkeitsgipfel bei Jungen liegt bei 7 Jahren.
Ob eine Phimose behandelt werden muss hängt von verschiedenen Faktoren ab. Bei einer physiologischen Verengung ohne Beschwerden gibt es bis ins Teenageralter hinein keinen medizinischen Grund einzugreifen (sehr wohl dagegen bei einer Paraphimose). Ausnahmen: urologische Anomalien, z.B. ein vesiko-ureteraler Reflux. Klagt der Betroffene jedoch über deutliche, belastende Beschwerden, ist eine Behandlung sowohl bei der physiologischen als auch bei der primären Phimose indiziert.
Dafür kommt eine kortikoidhaltige Salbe zum Einsatz, ein- bis zweimal täglich über insgesamt vier Wochen hinweg lokal appliziert. Die Erfolgsrate beträgt etwa 90 %, empfohlen werden z.B. Betamethason, Mometason-Furoat oder Fluticason-Propionat. Zugelassen für die Behandlung einer Phimose sind diese Externa nicht, Patient und Eltern müssen deshalb über die Off-Label-Verordnung aufgeklärt werden.
Zweiter Steroidzyklus kann sich lohnen
Auch Kinder sollten, wenn möglich, die Salbe immer selbst auftragen. Klappt das allein nicht, hilft aus psychologischen Gründen besser der Vater als die Mutter bei der Applikation. Wenn sich die Phimose nach vier Wochen Salbenbehandlung nicht vollständig zurückgebildet hat, bringt in 60 % der Fälle ein zweiter lokaler Kortikoidzyklus einen Therapieerfolg. Endet der ebenfalls erfolglos, ist eine OP indiziert.
Im Säuglings- oder Kindesalter führt optimalerweise ein spezialisierter Kinderchirurg oder -urologe den Eingriff durch, begleitet von einem erfahrenen Kinderanästhesisten. Operiert wird vorhautresezierend oder -erhaltend, Letzteres im Sinne einer Erweiterungsplastik oder sparsamen Zirkumzision. Wird die Vorhaut verschont, erleiden allerdings bis zu 20 % der Operierten ein Rezidiv. Kontraindikation zur OP sind angeborene Penisfehlbildungen, da man zu deren Korrektur oft Präputialgewebe benötigt.
Bei einer sekundären Phimose ist immer eine Behandlung der narbig fixierten Vorhautverengung angezeigt. Vor allem der Lichen sclerosus soll so bald wie möglich therapiert werden, weil er sonst droht, auf Glans, Harnröhrenöffnung und bei erwachsenen Männern auch auf die Urethra überzugreifen. In erster Linie kommen dafür hochpotente lokale Steroidsalben über drei Monate infrage (Cremes wirken weniger gut), als wirksamste Substanz gilt Clobetasol-Proprionat 0,05 %. Die Hälfte der Kranken erholt sich damit vollständig, ansonsten steht eine operative Entfernung der Vorhaut an. Der Chirurg sollte das OP-Präparat zum Pathologen schicken, um den Lichen sclerosus sicher zu diagnostizieren. Und auch nach dem Eingriff raten die Experten zu einer fortgesetzten lokalen Steroidtherapie für weitere vier Wochen.
Paraphimose: kinderchirurgischer Notfall!
Eine Paraphimose bildet sich, wenn man eine verengte Vorhaut über die Eichel zurückzieht und danach nicht mehr reponieren kann. In der Folge schwillt das Präputium an, da Durchblutung und Lymphabfluss blockiert sind. Ohne Therapie sind Ulzerationen bis hin zur Glansnekrose möglich.
Zunächst kann man unter lokaler Betäubung eine Reposition der Vorhaut versuchen, indem man das Ödem mit dem Finger umschließt und vorsichtig auspresst, danach lässt sich die Glans oft manuell zurückschieben. Alternativ legt man nach manuellem Auspressen des Ödems über fünf bis zehn Minuten eine in Kochsalzlösung getränkte Kompresse auf und reponiert dann die Vorhaut. Klappt das alles nicht, ist dann doch der Chirurg gefragt, der unter Narkose die Vorhaut reponiert.
Krebsprophylaxe durch Impfung, nicht durch OP
Für präventive Zirkumzisionen bei ansonsten gesunden Jungen besteht den Leitlinienautoren zufolge keine Indikation – es sinken weder die Raten von Harnwegsinfekten noch von sexuell übertragbaren Infektionen einschließlich HIV. Und um ein Peniskarzinom oder ein Zervixkarzinom bei der Partnerin zu verhindern, ist im Alter zwischen neun und 14 Jahren eine Impfung gegen humane Papillomviren das Mittel der Wahl, keine Beschneidung.
Wenn Eltern sich bei ihrem Säugling eine Zirkumzision aus kulturellen oder religiösen Gründen wünschen, ist das nicht primär Sache des Arztes, sondern der Juristen. Diese Frage regelt das „Beschneidungsgesetz“ des BGB.D
Quelle: S2k-Leitlinie „Phimose und Paraphimose bei Kindern und Jugendlichen“, AWMF-Register-Nr.: 006-052, www.awmf.org
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