Phimose
Phimose (Vorhautenge) bezeichnet die Unmöglichkeit der atraumatischen Retraktion des Präputiums über die Glans. Dies ist zunächst kein pathologischer Zustand, sondern eine anatomische Gegebenheit, die einer physiologischen Entwicklung bis zum Abschluss der Pubertät unterliegt.
Bei Geburt sind noch bei 96 % aller Jungen Vorhaut und Eichel fest miteinander verbunden. Die Lösung dieser Verklebungen ist ein spontaner Prozess, der sich individuell sehr unterschiedlich vollzieht und nicht forciert werden sollte. Im Alter von sieben Jahren kann etwa die Hälfte der Jungen das Präputium wenigstens weitgehend zurückstreifen – mit zehn Jahren sind es etwa zwei Drittel. Selbst im Alter von 13 Jahren besteht noch bei 8 % der Jungen eine entwicklungsbedingte Vorhautenge.
Durch eine zunehmende Weitung des elastischen Präputiums kommt es in der Regel bis zum Abschluss der Pubertät zu einer Lösung der Verklebungen und einer Zurückstreifbarkeit der Vorhaut. Ist dies nicht der Fall, spricht man von einer primären Phimose. Sie ist mit einer Inzidenz bei Jugendlichen von 0,5 bis 1,5 % relativ selten.
Bei der sekundär erworbenen Phimose handelt es sich um eine narbige Fixierung der Präputialenge, häufig als Folge von lokalen Entzündungen oder traumatischen Retraktionsversuchen mit dementsprechender Ausbildung eines narbigen Schnürringes.
Von einer Paraphimose spricht man, wenn nach Zurückziehen der verengten Vorhaut anschließend keine Reposition erfolgt. Daraus resultiert eine Minderdurchblutung des distal gelegenen Vorhautblattes mit Behinderung des Lymphabstromes und Ausbildung eines dementsprechenden Ödems. Dadurch kommt es zu einer zunehmenden Schwellung des Präputiums, welches die problemlose Reposition schließlich unmöglich macht. Bei längerer Dauer sind Entzündung, Ulzeration bis hin zur Glansnekrose möglich
Typisches Symptom der Phimose ist die Unmöglichkeit, die Vorhaut über die Eichel zurückzustreifen.
Weitere Symptome der Vorhautenge können sein:
- Ballonierung bei der Miktion
- abgelenkter Miktionsstrahl
- rezidivierende Balanitiden
Bei der klinischen Untersuchung sollte ein narbiger Schnürring von einem narbenfreien engen Präputium unterschieden werden.
Die Diagnose wird auf Grundlage des typischen klinischen Befundes gestellt.
Bei der Anamnese sollte gefragt werden nach:
- Vorerkrankungen wie Harntransportstörungen
- Harnwegsinfekten
- Paraphimose
- lokalen Entzündungen (Balanoposthitis)
- klinischen Symptomen wie Schmerzen, die Richtung des Harnstrahles oder eine störende Ballonierung der Vorhaut bei der Miktion
Wichtigste Differenzialdiagnose ist ein Lichen sclerosus et atrophicans der Vorhaut, von der etwa 0,4 bis 0,6 % aller Jungen betroffen sind (selten vor dem 6. Lebensjahr).
Typisch sind weißliche Narben- und Plaquebildungen, die auch auf das Glansepithel und die Urethra übergreifen können.
Eine Therapie der primären oder sekundären Phimose sollte grundsätzlich nur dann erfolgen, wenn die Patienten Beschwerden haben oder solche unmittelbar zu erwarten sind (z.B. Miktionsbeschwerden, Kohabitationsbeschwerden oder Paraphimose).
Im Säuglingsalter besteht keine medizinische Indikation zur Therapie einer Vorhautenge. Ausnahmen können in einigen ausgewählten Fällen Säuglinge mit assoziierter Uropathologie sein, bei denen eine Zirkumzision sinnvoll erscheint.
Auch im Kleinkindalter bis zum Abschluss der Pubertät bleibt die Indikation zur Behandlung einer primären Vorhautenge auf wenige Indikationen beschränkt.
Konservative Therapie:
Vor einer operativen Therapie (Zirkumzision) soll zunächst eine topische Behandlung der Vorhaut mit einer steroidhaltigen Salbe oder Creme vorgenommen werden. Hiermit kann in bis zu 90% der Fälle eine Vorhautlösung und Erweiterung erreicht werden.
- zweimal tägliches Auftragen der corticoidhaltigen Salbe oder Creme
- nach zwei Wochen wird mit einem vorsichtigen Zurückschieben der Vorhaut unter Vermeidung von Einrissen begonnen (nach Möglichkeit durch den Patienten selbst, alternativ von den Eltern)
- erst nach erfolgloser konservativer Therapie ist bei Fortbestehen der Phimose und der Beschwerden eine Zirkumzision indiziert
- ausgeprägte Narben/Plaques sprechen oft nicht so gut auf die Therapie an, sodass hier eine primäre Zirkumzision sinnvoll sein kann
Die Operation soll in Allgemeinanästhesie erfolgen, ergänzt durch regionalanästhetische Verfahren (Peniswurzelblock, zirkuläre Infiltration, alternativ Kaudalblock) zur Reduktion der benötigten Narkotika und zur Verminderung des postoperativen Wundschmerzes.
Es werden verschiedene Operationstechniken unterschieden:
1. Radikale (chirurgische) Zirkumzision
- Vorhaut wird nach Lösen von eventuell noch bestehenden Verklebungen abgeklemmt und anschließend nacheinander sowohl das äußere als auch das innere Blatt der Vorhaut komplett reseziert
- danach werden die Vorhautblätter mit resorbierbarem Fadenmaterial vereint, anschließend wird ein weicher Salbenverband angebracht
- anwendbar in jedem Alter
2. Radikale Zirkumzision mit Hilfsmitteln (Gomco-Klemme,Plastibell)
- Beschneidung erfolgt über ein spezielles Hilfsmittel (z.B. Plastikring), das zwischen Glans und Präputium geschoben wird
- Heilung der Wundränder ohne Nähte
- Anwendung vor allem im Neugeborenen- und Säuglingsalter
- bei älteren Kindern wegen der Dicke des Präputiums porblematisch (Heilungsverzögerung)
3. Vorhauterhaltende operative Verfahren
- durch sparsame plastische Resektion des verengten distalen Vorhautanteils kann ein funktionell relevanter Anteilder Vorhaut erhalten werden
- verschiedene Techniken
- 11–20 % Phimose-Rezidive, 20 % mit dem kosmetischen Ergebnis unzufrieden
Kontraindikation für eine Zirkumzision können angeborene Penisfehlbildungen sein, bei denen die Vorhaut später noch für eine operative Rekonstruktion benötigt wird.
Vor durchgeführter Zirkumzision soll darüber aufgeklärt werden, dass auch unter optimalen Bedingungen mit einer Komplikationsrate von etwa 5 % zu rechnen ist. Zu den Komplikationen gehören u.a. Nachblutungen, Wundinfektionen, Meatusstenose, Penisdeviation. Auch auf die verminderte Sensibilität und dadurch gehäufte Orgasmusstörungen müssen Patienten hingewiesen werden.
Eine Zirkumzision zur Prävention wird nicht empfohlen. Die Inzidenz und Prävalenz der meisten sexuell übertragbaren Krankheiten kann in West-Europa durch eine Zirkumzision nicht wesentlich reduziert werden (regelmäßige Genitalhygiene vorausgesetzt).
Die WHO empfiehlt die Zirkumzision nur bei erwachsenen Männern in Gebieten mit hoher Durchseuchungsrate an HIV und nur im Zusammenspiel mit anderen präventiven Maßnahmen wie dem Kondomgebrauch.
Aufgrund der Seltenheit wird auch nicht zur Zirkumzision zur Vorbeugung eines Peniskarzinoms geraten.
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