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Modifizierte Kombinationstherapien könnten Langzeittoxizität und Zweitmalignomraten senken

Das Seminom gilt aufgrund der Heilungsraten als Vorzeigetumor der Urologie. „Doch auch hier gibt es noch Situationen, wo wir Verbesserungen erzielen wollen, und dazu gehört das Seminom im klinischen Stadium IIA/B“, konstatierte Prof. Susanne Krege, Evang. Kliniken Essen-Mitte.1 In dieser Situation empfehlen die Leitlinien für eine relativ kleine Tumorlast „doch sehr gravierende Therapien“, nämlich entweder eine paraaortale und ipsilaterale, iliacale Radiatio mit 30 Gy oder 3–4 Zyklen einer cisplatinbasierten Chemotherapie.
Diese Behandlungen hätten Nebenwirkungen und insbesondere Langzeitfolgen, so Prof. Krege. Zwar erziele die Strahlentherapie exzellente Ergebnisse, allerdings steige das relative Zweitmalignomrisiko über die Zeit an. Relevant seien dafür die Feldgröße und die Dosis der Bestrahlung. Aber auch die Chemotherapie könne Zweittumoren hervorrufen, wobei die Gesamtinzidenz hier etwas geringer sei.2 Bei der Radiatio treten die Sekundärmaligome in der Regel im Bestrahlungsfeld auf, während auf die Chemotherapie eher hämatologische Zweittumoren folgen. Außerdem stehe im Falle der Chemotherapie deren Kardiotoxizität im Vordergrund, so Prof. Krege.
Option der Deeskalation und Individualisierung
Wie also ließe sich die Behandlung für Seminome im klinischen Stadium IIA/B verbessern? Eine Carboplatin-Monotherapie erwies sich als nicht ausreichend.3 In der seit 2010 laufenden einarmigen Phase-2-Studie SAKK 01/10 kombinierten Forschende eine deeskalierte Chemotherapie mit einem Zyklus Carboplatin und eine deeskalierte, auf die betroffenen Lymphknoten fokussierte Bestrahlung mit entweder 30 Gy (Stadium IIA) oder 36 Gy (Stadium IIB). Auch wenn der primäre Endpunkt – ein Drei-Jahres-PFS von 95 % – letztlich mit 93,7 % verfehlt wurde, wertete Prof. Krege die Ergebnisse positiv. „Es gab nur sieben Rezidive. Eines im Stadium IIA und sechs im Stadium IIB und alle außerhalb des Planned Target Volumes.“ Auch das mediane Follow-up von 4,5 Jahren sei vorteilhaft, da die meisten Rezidive beim Seminom innerhalb der ersten drei Jahre auftreten. Therapiebedingte Spättoxizitäten gab es nicht und über die Hälfte der Teilnehmenden hatte auch während der Studie keine Nebenwirkungen. „Ob wir damit im Langzeitverlauf die Zweitmalignomrate reduzieren können, können wir noch nicht beantworten – aber es ist bislang ein erfolgreicher Ansatz“, resümierte Prof. Krege.
Selektion forcieren
In den Publikationen zu den Studien mit alleiniger OP wird darauf hingewiesen, die alleinige lokale Therapie nur im Rahmen von Studien durchzuführen. COTRIMS wird multizentrisch weitergeführt und in der ebenfalls weiterlaufenden PRIMETEST-Studie werde nach besseren Selektionskriterien gesucht, berichtete Prof. Krege. Auch sie betonte die Notwendigkeit optimaler Selektionskriterien für Personen, für die eine alleinige OP ausreichen könnte.
Diesen verfolgen Kolleg:innen in der modifizierten SAKK-01/18-Studie in einer stärker individualisierten Variante nun weiter: Erkrankte im Stadium IIA erhalten weiterhin einen Zyklus Carboplatin und danach eine deeskalierte, fokussierte Bestrahlung mit 12 x 2 Gy. Die zweite Kohorte umfasst
- Erkrankte im Stadium IIB,
- Personen, bei denen unter aktiver Überwachung eines Seminoms im Stadium I ein Tumor im Stadium IIB festgestellt wurde, sowie
- Betroffene, die für ihre Stadium-I-Erkrankung adjuvant Carboplatin erhalten und ein IIA/IIB-Rezidiv erlitten haben.
Sie werden zunächst mit einer eskalierten Chemotherapie mit 1 x Etoposid + Cisplatin behandelt und danach deeskaliert mit 15 x 2 Gy bestrahlt. Die Studie läuft auch in Deutschland an mehreren Zentren. Prof. Krege betrachtete den Ansatz als vielversprechend.
Kann eine alleinige Lokaltherapie ausreichen?
„Man denkt aber noch weiter. Optimal wäre, wenn man sich Strahlen- und Chemotherapie ganz sparen könnte“, sagte Prof. Krege und verwies auf drei aktuelle Studien, die eine alleinige OP beim Seminom IIA/B untersuchten:
- SEMS (n = 55)4
- PRIMETEST (n = 33)5
- COTRIMS (n = 30)6
Trotz ähnlicher Einschlusskriterien waren die Rezidivraten mit 30 % in PRIMETEST und 10 % in COTRIMS recht unterschiedlich. In SEMS betrug sie 22 %. Die Komplikationsraten waren in allen drei Studien gering. Sowohl SEMS als auch PRIMETEST erreichten ihren jeweiligen primären Endpunkt nicht.
Quellen:
1. Krege S. 75. Kongress der DGU; „Seminom IIA/B – Effektive Kombinationstherapien mit weniger Toxizität“
2. Giannatempo P et al. Ann Oncol 2015; 26: 657-68; DOI: 10.1093/annonc/mdu447
3. Krege S et al. Ann Oncol 2006; 17: 276-80; DOI: 10.1093/annonc/mdj039
4. Daneshmand S et al. J Clin Oncol 2021; 39: no. 6_suppl: Abstr. 375; DOI: 10.1200/JCO.2021.39.6_suppl.375
5. Hiester A et al. Eur Urol 2023; 84: 25-31; DOI: 10.1016/j.eururo.2022.10.021
6. Heidenreich A et al. J Clin Oncol 2022; 40, no. 6_suppl: Abstr. 418; DOI: 10.1200/JCO.2022.40.6_suppl.418
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