Per Mikro-RNA den Hodenkrebs einschätzen

Autor: Josef Gulden

Mikro-RNA gewinnen als Biomarker an Bedeutung – scheinbar auch bei Hodenkrebs. Mikro-RNA gewinnen als Biomarker an Bedeutung – scheinbar auch bei Hodenkrebs. © Kateryna_Kon – stock.adobe.com

Mikro-RNA sind seit einigen Jahren auf vielen Gebieten auf dem Vormarsch – auch bei Keimzelltumoren. Das Potenzial des M371-Tests als Biomarker für diese Tumoren konnte nun in einer prospektiven kontrollierten Studie bestätigt werden.

In den späten 1970er-Jahren haben sich die β-Untereinheit von humanem Choriongonadotropin (βHCG), α-Fetoprotein und Laktatdehydrogenase als Marker bei Keimzelltumoren des Hodens etabliert. Allen Leitlinien zufolge sollen die Marker auch heute noch beim klinischen Staging, zum Monitoring der Therapie und in der Nachsorge der Patienten eingesetzt werden.

Als neue Klasse von Biomarkern gewinnen Mikro-RNA (miR) an Bedeutung: kleine, nicht-kodierende RNA-Moleküle, die zu den epigenetischen Regulatoren gezählt werden. Im Jahr 2011 wurden erstmals miR der Cluster miR-371-3 und miR-302/367 als Biomarker bei Keimzelltumoren ins Gespräch gebracht. Diese sollten sich durch hohe Sensitivität und Spezifität auszeichnen – insbesondere die Spezies miR-371a-3p, deren Serumtiter strikt mit klinischem Stadium und Tumormasse zu korrelieren schien und die auch bei Seminomen exprimiert wird.

Alte Marker mit Mängeln

Ein wesentlicher Schwachpunkt war immer die geringe Sensitivität der Marker humanes Choriongonadotropin, a-Fetoprotein und Laktatdehydrogenase. Nur etwa die Hälfte aller Keimzelltumoren exprimiert überhaupt eines der drei Moleküle. Bei Seminomen findet man α-Fetoprotein gar nicht. Und die Laktatdehydrogenase ist sehr unspezifisch, weil sie bei vielen anderen Erkrankungen auch auftritt.

Nachdem es bislang lediglich kleinere Studien mit teils retrospektivem Design zu diesem Marker gab, wurde nun eine große prospektive Studie initiiert, schreiben die Studienautoren. 616 Patienten mit Keimzelltumoren (359 Seminome, 257 Nicht-Seminome) und 258 Kontrollpatienten wurden in die internationale Studie eingeschlossen. Letztere waren je etwa zur Hälfte gesund oder litten an nicht-malignen Erkrankungen des Hodens. Die Konzentrationen von miR-371a-3p wurden mittels quantitativer Polymerasekettenreaktion zu Beginn und bei zahlreichen Patienten auch im Verlauf der Behandlung bestimmt. 570 der Patienten litten an einer primären Erkrankung. Hier zeigte der miR-Test eine Sensitivität von 90,1 %, eine Spezifität von 94 % und einen positiven prädiktiven Wert von 97,2 %. Bei den klassischen Tumormarkern lag die Sensitivität hingegen unter 50 % (Seminome) bzw. leicht darüber (Nicht-Seminome). Zudem korrelierten die miR-Titer signifikant mit:
  • dem klinischen Stadium,
  • der Tumormasse und
  • dem Therapieansprechen.
Auch die 46 eingeschlossenen Patienten mit Rezidiven hatten erhöhte miR-Werte, die nach erfolgreicher Therapie rapide abfielen. Patienten mit Teratomen waren die einzige histologische Subgruppe, die kein miR-371a-3p exprimierte. Mit Sensitivitäten und Spezifitäten von über 90 % übertrifft der miR-371-3p-Test bei Weitem die Performance der klassischen Tumormarker, so die Autoren. Vorausgesetzt, eine Validierung in einer weiteren Studie bestätigt diese Resultate, sehen die Wissenschaftler diesen Test als eine Möglichkeit, die klinischen Pfade bei der Betreuung von Patienten mit Keimzelltumoren des Hodens in Zukunft stark zu vereinfachen. Und zwar von Seminomen und Nicht-Seminomen.

Quelle: Dieckmann KP et al. J Clin Oncol 2019; doi: 10.1200/JCO.18.01480