Molière in der Praxis: Eingebildete Krankheit führt zu echten physiologischen Veränderungen

Wie so oft im Medizinerleben kommt es auch beim eingebildeten Kranken zunächst stark auf die Anamnese an. Denn initial müssen Sie herausfinden, ob es sich bei den Beschwerden tatsächlich um eine manifeste hypochondrische Störung handelt oder ob die Hypochondrie eher Ausdruck und Symptom einer anderen psychischen bzw. hirnorganischen Erkrankung ist. Infrage kommen dafür z.B. Depression, Schizophrenie, Borderlinestörung oder eine Alzheimer-Demenz, schreiben Dr. David Kindermann und Professor Dr. Christoph Nikendei von der Klinik für Allgemeine Innere Medizin & Psychosomatik am Universitätsklinikum Heidelberg.
Der Weg zur Diagnose
Finden Sie heraus, was die Kollegen schon geleistet haben
Psychologische Erklärungsmodelle lehnen sie ähnlich wie Panikkranke ab. In der Hoffnung, endlich „die richtige Diagnose für ihre schwere Erkrankung“ zu bekommen, suchen sie vielmehr andere ärztliche Kollegen auf, was infolge redundanter Diagnostik und nicht zielführender Therapiemaßnahmen zu enormen Kosten führen kann. Dabei, so die Erfahrung der Kollegen, bestehe immer auch die Gefahr der iatrogenen Fixierung und damit der Verstärkung der Symptomatik. Sie sollten daher unbedingt bereits erfolgte Untersuchungen und vorhergehende Behandlungen erfassen. Außerdem ist es wichtig, auf soziobiografische Aspekte und aktuelle oder vergangene Belastungsfaktoren einzugehen. Die Prävalenz der Hypochondrie in der Bevölkerung gibt das Autorenduo mit 0,02 bis 8,5 % an. Im Rahmen der weiteren Diagnostik gilt es, die hypochondrische von den somatoformen Störungen im engeren Sinne abzugrenzen. Während bei letzteren die Klage über eine Vielzahl unklarer organischer Beschwerden und eine umfassende körperliche Symptombelastung im Vordergrund stehen, liegt bei eingebildet Kranken die Furcht vor einem ganz spezifischen körperlichen Leiden vor.Medikamentöse Therapie macht es nur noch schlimmer
Die Behandlung der hypochondrischen Störung beschreiben die beiden Autoren als schwierig. Den wesentlichen Grund hierfür sehen sie in der hartnäckigen Weigerung des Patienten anzuerkennen, dass sich für die vermeintliche schwere Erkrankung kein Anhalt finden lässt. Erfolgversprechend seien kognitiv-behaviorale Therapieformen und psychodynamische Psychotherapien, wobei aber stets die zugrundeliegenden Konfliktfelder identifiziert und aufgearbeitet werden sollten. Für pharmakologische Therapien gibt es kaum Evidenz, außerdem bergen sie die Gefahr, dass der Patient die Nebenwirkungen „hypochondrisch verarbeitet“, was nachfolgend zu einer Symptomverschlechterung führen könne.Kindermann D, Nikendei C. internist prax 2018; 58: 658-673
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