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Morbus Menière erkennen und richtig behandeln
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Morbus Menière ist eine Erkrankung des Innenohrs, unter der hierzulande etwa einer von 500 Menschen leidet. Frauen trifft es häufiger als Männer, und meist im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. Die Patienten beschreiben Drehschwindelattacken sowie Hörverlust, Tinnitus oder Druck im Ohr. Das Problem dabei: Diese Symptome treten auch bei anderen Erkrankungen auf.
Daher bildet eine detaillierte Anamnese der Symptome und assoziierter Faktoren einen Eckpfeiler der Diagnostik, schreiben Yann Litzistorf und Privatdozent Dr. Raphaël Maire vom Centre Hospitalier Universitaire Vaudois in Lausanne. Einen wichtigen Hinweis geben die Anzahl und die Dauer der Attacken.
- Hat der Patient zwei oder mehr Drehschwindelanfälle, die mindestens 20 Minuten, höchstens aber 12 (bis maximal 24) Stunden anhalten?
- Treten fluktuierender Hörverlust, Tinnitus oder Druck im Ohr einseitig auf?
Trifft beides zu und ergibt sich zudem kein Hinweis auf einen anderen Auslöser der Symptome, ist die Diagnose Morbus Menière wahrscheinlich. Der Patient sollte dann an einen HNO-Facharzt überwiesen werden. Belegt zudem ein Audiogramm die (einseitige) Hörminderung im Bereich der tiefen bis mittleren Frequenzen, gilt die Diagnose als gesichert.
Zunehmende Endolymphe behindert die Schallleitung
Ursache für die fluktuierenden Symptome bei der Menière-Krankheit ist offenbar der Einstrom und die damit verbundene kontinuierliche Zunahme der Endolymphe im Innenohr. Die bisherige Annahme, Risse in der Membran führten zu einer Vermischung von Peri- und Endolymphe, scheint nach aktuellem Forschungsstand eher falsch. Der Flüssigkeitsstau dehnt das häutige Labyrinth anfangs an der Spitze der Hörschnecke, wo die tiefen Töne wahrgenommen werden. Breitet sich die Endolymphe weiter aus, kann dies die Schallleitung vom Steigbügel aus behindern. Eventuell finden sich dann Anzeichen für eine Innenohrfistel (positives Hennebert-Zeichen), obwohl diese nicht besteht.
Ein Nachweis von Veränderungen im häutigen Labyrinth mittels MRT ist zwar prinzipiell möglich, doch existiert dafür noch kein Standard. Insofern ist die MRT derzeit zum Ausschluss von Tumoren sowie anderen Erkrankungen des Innenohrs oder der hinteren Schädelgrube indiziert.
Die Ursache ist bis heute unbekannt
Während die Veränderungen im Innenohr zu Beginn noch reversibel sind, entstehen mit der Zeit irreparable Schäden an den Sinneszellen in Cochlea und Vestibulum. Zudem nimmt die Zahl der Neuronen im Ganglion Scarpae ab. Dann kann sich der Hörverlust auf alle Frequenzen ausweiten.
Da die Ursache der Erkrankung immer noch unbekannt ist, zielen alle Behandlungsoptionen darauf ab, die Beschwerden und das Fortschreiten der Erkrankung zu unterdrücken. Dies geschieht in erster Linie konservativ und führt bei etwa vier von fünf Patienten zunächst zum Erfolg.
- Zuallererst sollte man eruieren, was die Anfälle auslöst – um den Lebensstil gegebenenfalls anzupassen. Infrage kommen Stressfaktoren und der Konsum von Koffein, Nikotin, Alkohol oder Salz. Da auch eine obstruktive Schlafapnoe die Symptome verschlimmern kann, sollte diese ausgeschlossen werden.
- Bei chronischen Symptomen bietet sich eine vestibuläre Rehabilitation zur Stärkung des Gleichgewichts an. Zudem empfiehlt sich die enge Betreuung durch Spezialisten, um die Betroffenen auch in Krisenphasen zu unterstützen.
- Medikamentös hilft Betahistin, den Drehschwindel abklingen zu lassen und die Durchblutung im Schneckengang zu verbessern.
Invasive Therapien sind mittlerweile umstritten und seltener geworden. Ausnahmen bilden die Kortikoid- und die Gentamicininjektion durch das Trommelfell. Erstere verringert die Zahl der Schwindelanfälle, ohne dabei das Innenohr zu schädigen. Sie bietet sich daher bei Patienten an, deren Hörvermögen noch weitgehend erhalten ist.
Das Labyrinth mit Gentamicin ausschalten
Liegt bereits eine starke Schwerhörigkeit bzw. ein Hörverlust vor oder bringen auch Kortikoide keine Besserung, kann man das Labyrinth chemisch mittels Gentamicin ausschalten. So lassen sich die Schwindelanfälle bei 96 % der Behandelten kontrollieren. Um wieder hören zu können, benötigen diese Patienten anschließend je nach Einschränkung ein Hörgerät oder Cochlea-Implantat.
Quelle: Litzistorf Y, Maire R. Swiss Med Forum 2019; 19: 742-747; DOI: https://doi.org/10.4414/smf.2019.08406
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