
Mal ASS, mal Antikoagulanz

Es gibt Patient:innengruppen innerhalb der myeloproliferativen Neoplasien (MPN) mit besonders hohem Risiko für thromboembolische Ereignisse (TE). Dazu gehören beispielweise solche mit Polycythaemia vera (PV) oder Hochrisikogruppen nach den Scores IPSET bei essenzieller Thrombozythämie (ET) und DIPSS/MYSEC bei primärer Myelofibrose (PMF).
Zur Primärprophylaxe wird für Erkrankte mit PV auf Basis der randomisierten ECLAP-Studie unabhängig vom Risiko die Einnahme von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS) in Kombination mit Aderlässen empfohlen, berichtete Prof. Dr. Steffen Koschmieder, Uniklinik RWTH Aachen.1 Im Falle eines hohen Risikos sollte zusätzlich eine zytoreduktive Therapie erfolgen.
Zur TE-Prophylaxe bei ET gibt es keine randomisierte Studie. Laut Prof. Koschmieder lehnt sich das Vorgehen an das der ECLAP-Studie an. Patient:innen mit niedrigem TE-Risiko sollen kein ASS erhalten, solche mit intermediärem Risiko bekommen analog zur ECLAP-Studie ASS. Personen mit hohem Risiko werden mit ASS und zusätzlich einer zytoreduktiven Therapie behandelt.
Für Personen mit Myelofibrose gibt es keine formalen Empfehlungen. Bei Prä-PMF ist das Vorgehen laut Prof. Koschmieder oft analog zur ET, insbesondere im Fall einer führenden Thrombozytopenie. Die Primärprophylaxe für Erkrankte mit einer offenen PMF ist eine Einzelfallentscheidung in Abhängigkeit davon, ob eine Thrombozytopenie oder eine Thrombozytose vorliegt.
Essenzielle Thrombozythämie
Bei TE von Patient:innen mit essenzieller Thrombozythämie wird der Einsatz von Thrombozytenaggregationshemmern kontrovers diskutiert, insbesondere wenn eine JAK2V617F-Mutation vorliegt. Im Fall von mikrovaskulären Störungen wie Erythromelalgie sollen die Betroffenen niedrig dosiertes ASS erhalten und können, wenn das nicht vertragen wird, auch mit Clopidogrel behandelt werden.
Thromboembolie bei MPN
Tritt eine Thromboembolie auf, ist die korrekte Diagnose wichtig, betonte Prof. Koschmieder. Von Bedeutung ist die Art der Thromboembolie (Thrombose, Embolie), das Stromgebiet (arteriell, venös oder gemischt) und die Lokalisation im Körper (typisch oder atypisch). Die Lokalisation von TE bei MPN unterscheidet sich laut dem Referenten deutlich von der ohne MPN. Insbesondere treten Splanchnikusvenenthrombosen einschließlich Pfortaderthrombosen und Budd-Chiari-Syndrom in der Gruppe der MPN-Patient:innen häufiger auf als bei anderen.
Die Sekundärprävention und Behandlung von TE erfolgt zusätzlich zur zytoreduktiven Therapie und unterscheidet sich je nach Stromgebiet. Gegen venöse Thromboembolien (VTE) kommen Antikoagulanzien zum Einsatz, ASS wird wegen des Blutungsrisikos bei der Komedikation mit Antikoagulanzien üblicherweise abgesetzt. In der Schwangerschaft kann ASS bis zu 34. Woche angewandt werden, Heparin von Anfang an oder nach Absetzen von ASS bis sechs Wochen postpartal.
Kommt es zu einer arteriellen Thromboembolie wird die ASS-Einnahme beibehalten. Sie kann auch zweimal täglich erfolgen, wenn die Patient:innen unzureichend ansprechen (z. B. Thrombozytose). Bei Stentanlage erfolgt eine duale Plättchenhemmung. Für den Fall Vorhofflimmern und MPN kann eventuell eine Antikoagulation mit der zytoreduktiven Therapie kombiniert werden. Zu beachten ist das erhöhte Blutungsrisiko bei Vorliegen einer Calreticulin-Mutation, Anagrelid-Einnahme, exzessiver Thrombozytose und erworbenem Von-Willebrand-Syndrom (AVWS).
Liegt eine gemischt venöse und arterielle Thromboembolie vor, sollte eine Antikoagulation stattfinden. Wichtig ist der Ausschluss eines Antiphospholipid-Syndroms (APS), sagte Prof. Koschmieder. Insbesondere bei tripelpositivem APS sind direkte orale Antikoagulanzien kontraindiziert und es sollte ein Vitamin-K-Antagonist zum Einsatz kommen. Für Personen mit paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie (PNH) kommt zusätzlich ein Komplementinhibitor in Betracht.
Die Dauer der Antikoagulation ist umstritten. In der Gruppe der Patient:innen mit PV soll eine lebenslange Antikoagulation erwogen werden, wenn
- VTE wiederkehrend auftreten,
- es zu einer Splanchnikusvenenthrombose oder einer lebensbedrohliche VTE kommt,
- die MPN fortschreitet und
- wenn das Blutungsrisiko als niedrig eingestuft wird.
Ein Abbruch der Antikoagulation kann man bei Erkrankten mit PV diskutieren, wenn die VTE provoziert aufgetreten ist oder im Fall einer nicht provozierten alleinigen distalen tiefen Venenthrombose. Dann sollte die Behandlung mit niedrig dosiertem ASS wieder aufgenommen werden, riet Prof. Koschmieder.
Zur Therapie nach TE bei Myelofibrose gibt es keine allgemeinen Empfehlungen. Die Betroffenen können ein erhöhtes Risiko für Thrombosen, aber auch für Blutungen haben. Insbesondere in der Gruppe von Erkrankten mit Thrombozytopenie und mit AVWS ist wegen des hohen Blutungsrisikos Vorsicht geboten.
Quelle:
Koschmieder S. DGHO-Jahrestagung 2024; Vortrag V848
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).