Nabelschnurblut: Anreicherung von Stammzellen beschleunigt Engraftment

Josef Gulden

Letztes Jahr gab es hierzulande rund 773 000 Geburten. Doch nicht in jedem Krankenhaus kann man die Nabelschnüre spenden. Letztes Jahr gab es hierzulande rund 773 000 Geburten. Doch nicht in jedem Krankenhaus kann man die Nabelschnüre spenden. © Kristin Gründler – stock.adobe.com

Nabelschnurblut ist in vielen Fällen eine rasch verfügbare und breit anwendbare Quelle für hämatopoetische Stammzellen, die aber vor allem wegen der geringen Zelldosis auch Nachteile birgt. Einen Ausweg könnte ein ex vivo mit Stammzellen angereichertes Präparat bieten.

Nabelschnurblut als Quelle für Stammzellen hat eine Reihe von Vorteilen: Diese Ressource ist aus entsprechenden Blutbanken nicht nur sofort verfügbar, sondern bereitet auch weniger Probleme beim Matching, weil die fetalen Stammzellen eine breite Toleranz über HLA-Schranken hinweg aufweisen. Außerdem sind die Zellen sehr aktiv gegenüber Tumorzellen, wohingegen das Risiko für die Entwicklung chronischer Graft-versus-Host-Erkrankungen geringer ist als unter gematchten, nicht verwandten Spendern.

Als wesentlicher Nachteil von Nabelschnurkonserven gilt ihr geringer Gehalt an hämatopoetischen Stammzellen: Die daraus resultierende verzögerte Restitution der Hämatopoese ist mit einer höheren transplantationsassoziierten Morbidität und Mortalität und in der Folge mit mehr stationären Einweisungen verbunden. Zudem erhöht die verzögerte Erholung der Immunfunktionen das Infektionsrisiko.

Schnelleres Engraftment in einer Phase-1/2-Studie

Eine mögliche Lösung dieser Probleme besteht laut Professor Dr. ­Guillermo ­Sanz Santillana­, Haematology La Fe, Valencia, durch die Ex-vivo-Expansion von Stammzellen aus dem Nabelschnurblut. In einer Phase-1/2-Studie mit 36 Patienten zeigte sich mit einem solchen Präparat ein sehr schnelles Engraftment, das bei den Neutrophilen im Median 11,5 Tage und bei den Thrombozyten 34 Tage dauerte im Vergleich zu 21 Tagen und 46 Tagen in der Kontrollgruppe (p < 0,001).1 Außerdem wurden die frühen transplantationsbedingten Komplikationen sowie das Ausmaß der erforderlichen stationären Behandlungen reduziert.

Etwa 30 Mal mehr CD34+ Zellen unter Omidubicel

Nun stellte Prof. Sanz­ Santillana­ die ersten Ergebnisse einer globalen Phase-3-Studie vor. Die Patienten mit hämatologischen Hochrisiko-Erkrankungen wurden nach einer myeloablativen Konditionierung randomisiert entweder Omidubicel oder einer Standard-Transplantation mit einer oder zwei Nabelschnur-Blutspenden zugeteilt.

Dahinter liegende Funktionsweise

Omidubicel ist ein zelluläres Produkt, erzeugt aus einer einzigen Einheit von Nabelschnurblut, die in zwei Fraktionen geteilt wird: In einer Fraktion werden CD133-positive Zellen selektiert und über 21 Tage ex vivo in einer auf Nicotinamid basierten Lösung expandiert. Nicotinamid fördert die Vermehrung von Stamm- und Progenitorzellen, verhindert aber gleichzeitig deren Differenzierung. Dies verbessert das Engraftment bei gleichzeitiger Wahrung der zellulären Funktionen. Diese Fraktion der Nabelschnurblutspende wird nach der Expansion eingefroren, die zweite Fraktion, in der sich CD133-negative Zellen einschließlich T-Lymphozyten finden, sofort kryokonserviert.

Den primären Endpunkt bildete der Anteil an Patienten mit voller Neutrophilenerholung (> 500 Zellen/µl) nach sechs Wochen. Sekundäre Endpunkte umfassten Thrombozytenerholung (> 20 000/µl), Rate an Grad-2/3-Infektionen mit Bakterien und Pilzen (invasive Infektionen) sowie der Anteil der Patienten, die nach hundert Tagen außerhalb der Klinik und am Leben waren. Die 125 Erkrankten, die überwiegend an akuten Leukämien litten, wurden binnen drei Jahren eingeschlossen. Sie waren im Median 41,5 Jahre alt. Die mediane Dosis an CD34-positiven Zellen fiel im Omidubicel-Arm mit 9 x 106 Zellen/kg etwa 30-mal höher aus als im Kontrollarm mit 0,3 x 106 Zellen/kg. Beim primären Endpunkt des Neutrophilen-Engraftments war der Verumarm in der Folge mit einer medianen Dauer von 12 Tagen signifikant überlegen (Kontrollarm median 22 Tage; p < 0,001). Das Gleiche galt für die sekundären Endpunkte Thrombozyten-Engraftment nach 42 Tagen (p = 0,028), reduzierte Häufigkeit von Infektionen (p = 0,027) sowie die Dauer der stationären Behandlung während der ersten hundert Tage (median 39 Tage vs. 52 Tage; p = 0,005). Ebenfalls kam es dem Referenten zufolge im Prüfarm zu weniger Virusinfektionen innerhalb von sechs Monaten (p = 0,04) und einem Jahr (p = 0,02), wohingegen sich die Häufigkeiten von akuten und chronischen GvHD-Erkrankungen glichen.

„Neuer Standard für Spende mit Nabelschnurblut“

Numerisch, aber nicht signifikant besser war Omidubicel hinsichtlich der nicht durch ein Rezidiv verur­sachten 180-Tage-Mortalität (11 % vs. 22 %) und des Ein-Jahres-Gesamtüberlebens (73 % vs. 62 %). Die Rezidivrate fiel hingegen nach einem Jahr etwas höher aus (27 % vs. 20 %). Im Vergleich zur Standardtransplantation mit Stammzellen aus Nabelschnurblut sei Omidubicel deutlich überlegen, so Prof. Sanz Santillana­. Und zwar sowohl was die Geschwindigkeit der Rekonstitution der Hämatopoese als auch die Vermeidung von frühen transplantationsbedingten Komplikationen angehe. Der Experte sieht es als neuen Standard bei Patienten, die für eine Nabelschnurblutspende infrage kommen – eine Zulassung vorausgesetzt.

1. Horwitz ME et al. J Clin Oncol 2019: 37: 367-374; DOI: 10.1200/JCO.18.00053

Quelle: Sanz Santillana E et al. EBMT Annual Meeting 2021 (virtuell); Abstract GS2-7

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Letztes Jahr gab es hierzulande rund 773 000 Geburten. Doch nicht in jedem Krankenhaus kann man die Nabelschnüre spenden. Letztes Jahr gab es hierzulande rund 773 000 Geburten. Doch nicht in jedem Krankenhaus kann man die Nabelschnüre spenden. © Kristin Gründler – stock.adobe.com