Nach Gerätewahnsinn: Rheumatologe griff zum Stethoskop!

Dr. Elisabeth Nolde

Vier Fachärzte tobten sich mit MRT und Gastroskop aus, bis der fünfte nach einem Stethoskop griff und  über ein banales Strömungsgeräusch stolperte. Vier Fachärzte tobten sich mit MRT und Gastroskop aus, bis der fünfte nach einem Stethoskop griff und über ein banales Strömungsgeräusch stolperte. © fotolia/robert6666

Die Frau fühlt sich schlapp, müde und auch steif – MRT, CT, Knochenmarkpunktion, Gastroskopie und Koloskopie führen nicht zur Diagnose. Hinweise gibt es dann schließlich beim althergebrachten Auskultieren.

Die ältere Frau fühlt seit einigen Monaten eine allgemeine Steifigkeit, vor allem im Becken- und Hüftbereich. Außerdem ist sie schlapp, müde und blass. Sie nimmt keine Medikamente ein – bis dato war die Mittsechzigerin immer gesund.

Diagnostik: Vier Monate nach dem Auftreten der Beschwerden stellt sich die Patientin bei einem Orthopäden vor. Ein MRT von Becken und LWS zeigt bilaterale Spondylarthrosen. Als Medikation werden NSAR vorgeschlagen. Weitere vier Monate später erfolgt die erste Blutuntersuchung. Auffällig sind dabei hohe Werte von Leukozyten, Thrombozyten, Ferritin sowie CRP. Als neuer Befund fällt trockener Husten auf, man entschließt sich zur Thorax- und Abdomen-CT. Dabei wird ein Infiltrat im linken Unterlappen der Lunge entdeckt, eine antibiotische Behandlung veranlasst und die Frau zum Pneumologen überwiesen.

Auch ohne Kopfschmerzen an Riesenzellarteriitis denken

Zwei Monate später erfolgen Blutkontrollen. Eine nennenswerte Besserung zeigt sich nicht; die Rheuma-Serologie erweist sich als unauffällig. Aufgrund der Anämie wird daraufhin ein Hämatologe hinzugezogen und eine Knochenmarkpunktion durchgeführt. Schließlich erfolgt auch eine gastroenterologische Abklärung: Gastroskopie sowie Koloskopie sind unauffällig.

Richtungsweisende Befunde: Wenige Wochen später fallen im Rahmen der rheumatologischen Diagnostik bei der körperlichen Untersuchung deutliche Strömungsgeräusche in der A. axillaris links auf (RR rechts: 180/80 mmHg, RR links: 160/90 mmHg). Die Duplex-Sonographie der A. temporalis zeigt keine pathologischen Befunde. Doch bei der A. axillaris findet sich eine entzündliche Veränderung. Das anschließende PET/CT zeigt entzündliche Veränderungen der Karotiden, A. subclavia, A. axillaris und Aorta.

Diagnose: Nach umfassenden Bemühungen wird eine Großgefäß-Vaskulitis diagnostiziert – am ehesten im Sinne einer Riesenzellarteriitis (RZA) ohne sogenannte Kopfklinik (neu aufgetretene Kopfschmerzen). Eine histologische Untersuchung erfolgt in diesem Fall nicht. Die Gefäßbildgebung erweist sich letztlich als richtungsweisend.

Einschätzung: Die Klassifikationskriterien der RZA sind vor über 25 Jahren veröffentlicht worden, erinnerte Professor Dr. Eva Reinhold-­Keller, in Hamburg niedergelassene Internistin und Rheumatologin. Die noch gültige ACR*-Klassifika­tion von 1990 umfasst fünf klinische Kriterien: Alter über 50 Jahre, neu aufgetretene Kopfschmerzen, klinisch auffällige A. temporalis (AT), positive PE der AT und erhöhte BSG (> 50mm nach einer Stunde).

Doch im Verlauf der letzten zehn Jahre hat sich durch den Einsatz neuer bildgebender Verfahren herausgestellt, dass auch Gefäße fernab des Kopfes frühzeitig in den Entzündungsprozess eingeschlossen sein können, erklärte die Expertin. Aktuellen Studiendaten zufolge haben etwa 30 % der RZA-Patienten keine sogenannte Kopfklinik. Während neu aufgetretene Kopfschmerzen bei den klinischen Klassifikationskriterien berücksichtigt werden, kommen u.a. Befunde der Bildgebung, Skalp-Schmerz, Sehstörungen und Kau-Claudicatio keine entsprechende Bedeutung zu.

ASS und Methotrexat kommen ergänzend infrage

Als Goldstandard der Therapie gilt gemäß der noch gültigen EULAR**-Empfehlung von 2009 eine sofortige Prednisolon-Gabe. Das therapeutische Vorgehen richten Spezialisten nach dem klinischen Verlauf aus – im Fokus stehen dabei ischämische Komplikationen. Auch ein Einsatz von ASS zur Reduktion ischämischer Ereignisse und des kardiovaskulären Risikos kommt in Betracht, außerdem kann Methotrexat offenbar das Rezidivrisiko halbieren. Als neuer Therapieansatz gilt Studiendaten zufolge Tocilizumab.

*American College of Rheumatology
**European League Against Rheumatism

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Vier Fachärzte tobten sich mit MRT und Gastroskop aus, bis der fünfte nach einem Stethoskop griff und  über ein banales Strömungsgeräusch stolperte. Vier Fachärzte tobten sich mit MRT und Gastroskop aus, bis der fünfte nach einem Stethoskop griff und über ein banales Strömungsgeräusch stolperte. © fotolia/robert6666