Riesenzellarteriitis? Sofort zum Ultraschall!

Dr. Dorothea Ranft, Foto: fotolia - fotandy

Patienten mit Riesenzellarteriitis laufen Gefahr, ihr Augenlicht zu verlieren. Eine ultrafrühe Diagnose und eine beherzte Therapie können das verhindern!

Auch wenn die Symptome zunächst für eine klassische Arteriitis temporalis sprechen, muss sich das Krankheitsbild keineswegs auf die krania­len Arterien beschränken. Viele Betroffene weisen zusätzlich Veränderungen an Aorta oder Arteria axillaris auf – im Sinne einer Riesenzellarteriitis (RZA) der gro­ßen Gefäße. Diese Patienten sind mit 66 bis 68 Jahren im Schnitt etwas jünger als diejenigen mit klassischer Temporalarteriitis, berichtete Professor Dr. Wolfgang A. Schmidt, Immanuel-Krankenhaus-Berlin, Rheumaklinik Berlin-Buch.

Fragen Sie Ihren Patienten gezielt nach Sehstörungen!

Arteriitis der großen Gefäße

Man unterscheidet heute die folgenden vier Formen:

  • Klassische Arteriitis temporalis

  • Riesenzellarteriitis (RZA) mit zusätzlichem oder ausschließlichem Befall extrakranieller großer Gefäße (Aorta, A. axillaris), Erkrankung ab 50. Lebensjahr

  • Isolierte Aortitis, im Gegensatz zur retroperitonealen Fibrose im Ultraschall gut sichtbar, kein Aufstau der Nieren, CRP stark erhöht

  • Takayasu-Arteriitis, histologisch ähnlich der RZA, aber frühere Manifestation (bis 40. Lebensjahr) und häufig komplizierter Verlauf mit zahlreichen Rezidiven

Wichtige Hinweise auf die arterielle Entzündung gibt oft schon die Anamnese: Typisch sind z.B. ungewöhnliche beidseitige Kopfschmerzen, die in die Kiefergelenke ausstrahlen, außerdem ein schweres Krankheitsgefühl (Gewichtsabnahme?) und eine begleitende Polymyalgia rheumatica (Schwierigkeiten bei Morgentoilette und Treppensteigen). Fragen Sie gezielt nach Sehstörungen (Amaurosis fugax, Doppelbilder).


Eventuell lässt sich eine derb geschwollene, pulsreduzierte Temporalarterie tasten. Blutdruckdifferenzen und fehlende Pulse weisen ggf. auf weitere Gefäßschäden hin. Außerdem finden sich fast immer deutlich erhöhte Entzündungsparameter (CRP und BSG).


Ultraschall und MRT haben dank höherer Sensitivität die früher übliche Histologie weitgehend abgelöst – zumal Letztere nur eine Aussage über kurze Gefäßabschnitte erlaubt.


Meist lassen sich die charakteristischen Wandschwellungen bereits sonographisch nachweisen, die MR-Angiographie hat sich vor allem bei den großen extrakraniellen Arterien bewährt. Knifflig gestaltet sich die Diagnose bei bereits anbehandelten Patienten. Denn die temporalen Wandveränderungen bilden sich binnen weniger Tage zurück (während sie z.B. an der A. axillaris länger bestehen bleiben).

Steroidtherapie dauert etwa ein Jahr lang

Grundsätzlich sollten alle Patienten mit V.a. Riesenzellarteriitis innerhalb von 24 Stunden geschallt werden (mindestens Aa. temporalis und axillaris), fordert Prof. Schmidt. Bestätigt sich die Diagnose, schließt sich eine Steroidtherapie an.


Prof. Schmidt startet diese – wenn möglich – relativ hoch dosiert mit 70 mg/Tag Prednisolon, fängt aber bereits nach sieben Tagen an, das Kortikoid zu reduzieren: um etwa 10 mg/Woche – bis 20 mg/Tag erreicht sind. Danach verringert er die Dosis um 2,5 mg/Woche bis zu einer Tagesdosis von 10 mg. Der Rest wird langsam (1 mg/Monat) ausgeschlichen, sodass die Therapie etwa nach einem Jahr beendet ist. Erscheint im individuellen Fall eine niedrigere Startdosis von z.B. 40 mg angebracht, erfolgt eine langsamere Reduktion (um 5 mg/Woche bis 20 mg/Tag).


Bei Bedarf kann man durch eine Kombination mit Methotrexat etwa 20 bis 25 % der Kortikoiddosis einsparen. TNF-alpha-Blocker, Hydroxychloroquin und Azathioprin haben sich bei der RZA dagegen als wirkungslos erwiesen, die Ergebnisse aktueller Studien zu Tocilizumab (IL-6-Blockade) bzw. Abatacept stehen noch aus.

Manche Patienten benötigen eine höhere Dosis Kortison

Infolge der Kombination von Frühdiagnose und schnell einsetzender Therapie hat der Rheumatologe in den vergangenen vier Jahren keine Erblindung mehr gesehen. Ein Verlust des Augenlichts droht vor allem bei verspäteter Diagnose oder in den ersten drei bis fünf Tagen der Therapie. Die zusätzliche Gabe von ASS ist laut Prof. Schmidt nur bei Patienten mit Sehstörungen oder einem Befall der A. vertebralis sinnvoll.


Und woran kann es liegen, wenn ein Patient nicht auf die Behandlung anspricht? Kortisonversager gibt es nicht, ist Prof. Schmidt überzeugt – allerdings brauchen manche Patienten eine höhere Dosis oder eine besonders langsame Reduktion. Mitunter verlangen auch interkurrente Schübe eine verstärkte Therapie. Zudem können Steroide und gegebenenfalls Cyclophosphamid nur die Aktivität ausbremsen, nicht aber bereits etablierte Gefäßverschlüsse öffnen – mit deletären Folgen vor allem am Auge und an der A. vertebralis (progressiver Hirninsult).


Quelle: 42. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie

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