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Neue Wirkstoffe für Alopezie in Sicht

Alopecia areata (AA) ist eine Erkrankung, die auf einer unangemessenen Immunantwort beruht und zu einem nicht-vernarbenden Haarausfall führt. Anfangs manifestiert sich die AA mit einigen umschriebenen haarlosen Stellen auf dem Kopf, doch die Erkrankung kann fortschreiten und zu einem kompletten Verlust des Kopfhaars (Alopecia totalis) oder sogar der gesamten Körperbehaarung (Alopecia universalis) führen.
Die Prävalenz der AA wird weltweit auf 2 % geschätzt, schreibt das Team um Dr. Aditya Gupta von der Universität Toronto, Kanada. Meist beginnt der „kreisrunde Haarausfall“ im Alter zwischen 21 und 40 Jahren, Kinder und Jugendliche können jedoch ebenfalls von einer AA betroffen sein.
So lässt sich der Haarverlust erfassen
Das Severity of Alopecia Tool (SALT) ist ein standardisiertes Instrument zur Beurteilung des Haarausfalls bei Alopecia areata. „0“ bedeutet kein Haarausfall, „100“ steht für kompletten Haarverlust.
Dabei wird die Kopfhaut in vier Areale unterteilt:
- oben (40 %)
- hinten (24 %)
- rechte Seite (18 %)
- linke Seite (18 %)
Der SALT-Score errechnet sich aus der Gesamtsumme des prozentualen Haarverlusts in den vier beschriebenen Arealen.
Haarverlust macht der Psyche zu schaffen
Der Verlauf der Erkrankung lässt sich nicht vorhersagen, Krankheitsschübe wechseln sich mit Phasen erneuten Haarwachstums ab. Allerdings verschlechtert sich die AA bei vielen Patienten und geht bei Frauen oft mit stärkeren psychischen Problemen wie Angstzuständen und sozialer Phobie einher. Je früher der Haarausfall beginnt, desto größer ist die Gefahr eines ausgedehnten Haarverlusts.
Die derzeit eingesetzten Therapien haben auf den Verlauf der AA nur einen geringen Einfluss: Bei bis zu 63 % der mit topischen Kortikosteroiden oder mit topischen Sensibilisierungstherapien behandelten Patienten kommt es zum Therapieversagen oder zum Krankheitsrezidiv. Unter oralen Kortikosteroiden sind die Ergebnisse noch schlechter.
Andere systemische Behandlungsoptionen wie Ciclosporin oder Methotrexat können aufgrund ihres ungünstigen Sicherheitsprofils nur bedingt langfristig eingesetzt werden. Intraläsionale Kortikosteroidinjektionen sind bei leichter Erkrankung erfolgreich, aber bei moderater oder schwerer AA keine Option.
Da es derzeit keine Heilung für die AA gibt, besteht ein großer Bedarf an neuen Methoden, die ein dauerhaftes Ansprechen induzieren, ein optimales Nutzen-Risiko-Profil aufweisen und die bei moderater bis schwerer AA langfristig eingesetzt werden können. In einem systematischen Review untersuchten die Autoren neuere Substanzen aus der Entwicklungspipeline für das Management der chronischen AA beim Erwachsenen. Sie werteten zwölf randomisierte kontrollierte Studien aus, in denen Biologika, Januskinase(JAK)-Inhibitoren und Phosphodiesterase(PDE)-4-Inhibitoren getestet wurden. An den Studien nahmen insgesamt 2.556 Patienten mit AA teil, bei denen 25–100 % der Kopfhaut vom Haarausfall betroffen war.
Während sich PDE-4-Inhibitoren und Biologika, die mit Erfolg bei Psoriasis eingesetzt werden, bei Patienten mit AA als weitgehend ineffektiv erwiesen haben, konnten die Autoren einige vielversprechende Vertreter der JAK-Inhibitoren identifizieren, die eine dosisabhängige Wirksamkeit über bis zu 36 Wochen aufwiesen. Baricitinib erhielt kürzlich die Zulassung für die Behandlung der schweren Alopecia areata, weitere JAK-Inhibitoren wie Deuruxolitinib und Ritlecitinib könnten womöglich relativ bald folgen.
Dr. Gupta und Kollegen betonen, dass bei bis zu 34 % jener Patienten, die über 36 Wochen hinweg mit Baricitinib oral behandelt worden waren, ein Behandlungserfolg zu verzeichnen war (definiert als Haarwachstum auf mindestens 80 % der Kopfhaut [SALT ≤ 20]; s. Kasten). Dies galt auch für Patienten, die 24 Wochen lang Ritlecitinib oral erhalten hatten. Ähnliche Erfolge wurden beim Wachstum von Wimpern und Augenbrauen beobachtet.
Insgesamt scheinen orale JAK-Inhibitoren bei Alopecia areata erfolgreich zu sein. In Studien erzielten vier Substanzen nach 24-wöchiger Therapie gegenüber Placebo eine statistisch signifikante Verbesserung, nämlich Baricitinib, Ritlecitinib, Deuruxolitinib und Brepocitinib. Die Verträglichkeit erwies sich als gut, häufig beobachtete Nebenwirkungen waren leicht bis moderat ausgeprägt.
Die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit der Substanzen wird derzeit in Studien weiter untersucht. Im Vergleich zu den oralen JAK-Inhibitoren ist die topische Applikation allerdings ziemlich ineffektiv – vielleicht, weil die systemische Bioverfügbarkeit der lokal verabreichten Substanzen sehr viel geringer ausfällt.
Ob irgendeine der heute verfügbaren Therapien die langfristige Prognose bei AA verbessern kann, bleibt unklar. Jedoch kann die Aussicht, den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen, den Einsatz neuerer Arzneistoffe rechtfertigen, finden die Autoren. Dies gelte insbesondere für die Behandlung junger Patienten, die ein höheres Risiko für einen ungünstigen Krankheitsverlauf haben.
Quelle: Gupta AK et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2022; doi: 10.1111/jdv.18810
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